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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Vorschlag zu einem öffentl. Kirchspielsamte.
hätten, keine weitere Executions für das Jahr Platz finden
müßten; der Vogt richtete sich dann mit der Pfandung nach
jener Bemerkung des Kirchspielsamtes. Wählte man fol-
gends besondre Pfandungszeiten, so daß der Schuldner z. E.
nur auf vier oder sechs bequemen Tagen im Jahr, wo er
sein Korn oder Linnen versilbert haben kan, gepfandet werden
dürfte: so würden die einlaufenden Pfandzettel dem Kirch-
spielsamte vorgelegt, welches sie mit Bemerkung der Zeit,
wann sie präsentiret worden, an den Vogt besörderte, und
sodann den Landmann wider alle unzeitige, übermäßige und
verderbliche Executiones sicher stellete.

Wenn Eigenbehörige sich dieses Buchs bedienten: so er-
hielten die Gläubiger dadurch zwar kein mehrers Recht als
wenn sie einem Leibeignen auf einen Notariatschein leihen.
Sie könnten aber doch immer aus dem Bankobuch sich be-
lehren: ob derselbe sein Erbe über ein gewisses Maaß beschwerte
und seinen Gutsherrn zur Abäußerung berichtigte, oder sonst
eine üble Wirthschaft führte.

Der Gutsherr selbst lernte die Wirthschaft seines Leibeignen
auch kennen, und sähe sogleich: ob die Auffarts- Freybriefs-
oder Sterbfallsgelder gehörig bestritten, oder nur aufgeliehen
würden. Andrer Vortheile jetzt nicht zu gedenken.

Außerdem aber könnte

Siebentens ein solches öffentliches Amt zur Bewahrung
eines jeden Privaturkunden, die sonst unter den Strohdächern
der Bauren so leicht vermodern oder von den Mäusen gefres-
sen werden, dienen; oder einer könnte darin die beglaubten
Abschriften davon niederlegen lassen; jedes Kirchspiel könnte
auch seine Rechte und Gewohnheiten in Ansehung der Erb-
folgen, der Ehen, der Mark etc. etc. vor diesem Amte be-
schrei-

Vorſchlag zu einem oͤffentl. Kirchſpielsamte.
haͤtten, keine weitere Executions fuͤr das Jahr Platz finden
muͤßten; der Vogt richtete ſich dann mit der Pfandung nach
jener Bemerkung des Kirchſpielsamtes. Waͤhlte man fol-
gends beſondre Pfandungszeiten, ſo daß der Schuldner z. E.
nur auf vier oder ſechs bequemen Tagen im Jahr, wo er
ſein Korn oder Linnen verſilbert haben kan, gepfandet werden
duͤrfte: ſo wuͤrden die einlaufenden Pfandzettel dem Kirch-
ſpielsamte vorgelegt, welches ſie mit Bemerkung der Zeit,
wann ſie praͤſentiret worden, an den Vogt beſoͤrderte, und
ſodann den Landmann wider alle unzeitige, uͤbermaͤßige und
verderbliche Executiones ſicher ſtellete.

Wenn Eigenbehoͤrige ſich dieſes Buchs bedienten: ſo er-
hielten die Glaͤubiger dadurch zwar kein mehrers Recht als
wenn ſie einem Leibeignen auf einen Notariatſchein leihen.
Sie koͤnnten aber doch immer aus dem Bankobuch ſich be-
lehren: ob derſelbe ſein Erbe uͤber ein gewiſſes Maaß beſchwerte
und ſeinen Gutsherrn zur Abaͤußerung berichtigte, oder ſonſt
eine uͤble Wirthſchaft fuͤhrte.

Der Gutsherr ſelbſt lernte die Wirthſchaft ſeines Leibeignen
auch kennen, und ſaͤhe ſogleich: ob die Auffarts- Freybriefs-
oder Sterbfallsgelder gehoͤrig beſtritten, oder nur aufgeliehen
wuͤrden. Andrer Vortheile jetzt nicht zu gedenken.

Außerdem aber koͤnnte

Siebentens ein ſolches oͤffentliches Amt zur Bewahrung
eines jeden Privaturkunden, die ſonſt unter den Strohdaͤchern
der Bauren ſo leicht vermodern oder von den Maͤuſen gefreſ-
ſen werden, dienen; oder einer koͤnnte darin die beglaubten
Abſchriften davon niederlegen laſſen; jedes Kirchſpiel koͤnnte
auch ſeine Rechte und Gewohnheiten in Anſehung der Erb-
folgen, der Ehen, der Mark ꝛc. ꝛc. vor dieſem Amte be-
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[238/0256] Vorſchlag zu einem oͤffentl. Kirchſpielsamte. haͤtten, keine weitere Executions fuͤr das Jahr Platz finden muͤßten; der Vogt richtete ſich dann mit der Pfandung nach jener Bemerkung des Kirchſpielsamtes. Waͤhlte man fol- gends beſondre Pfandungszeiten, ſo daß der Schuldner z. E. nur auf vier oder ſechs bequemen Tagen im Jahr, wo er ſein Korn oder Linnen verſilbert haben kan, gepfandet werden duͤrfte: ſo wuͤrden die einlaufenden Pfandzettel dem Kirch- ſpielsamte vorgelegt, welches ſie mit Bemerkung der Zeit, wann ſie praͤſentiret worden, an den Vogt beſoͤrderte, und ſodann den Landmann wider alle unzeitige, uͤbermaͤßige und verderbliche Executiones ſicher ſtellete. Wenn Eigenbehoͤrige ſich dieſes Buchs bedienten: ſo er- hielten die Glaͤubiger dadurch zwar kein mehrers Recht als wenn ſie einem Leibeignen auf einen Notariatſchein leihen. Sie koͤnnten aber doch immer aus dem Bankobuch ſich be- lehren: ob derſelbe ſein Erbe uͤber ein gewiſſes Maaß beſchwerte und ſeinen Gutsherrn zur Abaͤußerung berichtigte, oder ſonſt eine uͤble Wirthſchaft fuͤhrte. Der Gutsherr ſelbſt lernte die Wirthſchaft ſeines Leibeignen auch kennen, und ſaͤhe ſogleich: ob die Auffarts- Freybriefs- oder Sterbfallsgelder gehoͤrig beſtritten, oder nur aufgeliehen wuͤrden. Andrer Vortheile jetzt nicht zu gedenken. Außerdem aber koͤnnte Siebentens ein ſolches oͤffentliches Amt zur Bewahrung eines jeden Privaturkunden, die ſonſt unter den Strohdaͤchern der Bauren ſo leicht vermodern oder von den Maͤuſen gefreſ- ſen werden, dienen; oder einer koͤnnte darin die beglaubten Abſchriften davon niederlegen laſſen; jedes Kirchſpiel koͤnnte auch ſeine Rechte und Gewohnheiten in Anſehung der Erb- folgen, der Ehen, der Mark ꝛc. ꝛc. vor dieſem Amte be- ſchrei-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/256>, abgerufen am 20.04.2024.