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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Es ist allez. sicher. Original als Copey zu seyn.
seine Frau fuhr ich fort, würde sich weisen lassen, wenn er ihr
die Ehre verschafte, die Frau des größten Meisters von sei-
nem Handwerke zu seyn, und seine Tochter würde im zwan-
zigsten Jahre schon einsehen, daß die Ehe mit einem ehrlichen
Bürger, der leeren Erwartung auf einen Mann mit der Dose
von Martin, und mit der Uhr von du tertre unendlich vorzu-
ziehen sey. Ich versicherte ihn, wenn er nun das Ziel seiner
Wünsche erreichen, und sich alle Sonntage in einem dammaste-
nen Schlafrocke zeigen könnte, daß sein Nachbar sodann sei-
nen Bauch in einem französischen Stof zu Fenster legen würde;
und daß er niemals ein Narr werden könnte, ohne zu verhin-
dern, daß ein anderer nicht noch ein größerer Narr würde;
ich machte ihm endlich begreifen, daß vieles in der Einbil-
dung beruhete, und daß die Einbildung ein Mädgenkopf wäre,
welcher so lange schwärmete, als er auf einem jungen Rumpfe
sässe.

Allein, um ihn völlig zu überzeugen, hätte ich ein großer
Herr seyn, und ihm alsdann diejenige Achtung in der That
bezeigen müssen, die ich ihm jetzt nur mit Schlüssen beweisen
könnte.

Wie viele Mittel haben die Großen nicht, den Geringern
die falsche Scham zu benehmen, wodurch sie zu prächtigen
Thorheiten verleitet werden! le ridicule est la raison du
sot;
und wie viele giebt es nicht, die keinen andern Grund
anzugeben wissen, als diesen! das Lächerliche oder Verächt-
liche hängt nicht von einem braunen oder sammetenen Kleide,
sondern gar sehr von dem Werthe ab, welchen der herrschende
Ton diesen Sachen beyleget; Und der herrschende Ton kostet
den Gesetzgebern oder den Gesetzgeberinnen oft nur einen süs-
sen Traum. Zwey Millionen und siebenmal hunderttausend
Thaler sind in zehn Jahren für geschickte Sachen aus dem

Lande

Es iſt allez. ſicher. Original als Copey zu ſeyn.
ſeine Frau fuhr ich fort, wuͤrde ſich weiſen laſſen, wenn er ihr
die Ehre verſchafte, die Frau des groͤßten Meiſters von ſei-
nem Handwerke zu ſeyn, und ſeine Tochter wuͤrde im zwan-
zigſten Jahre ſchon einſehen, daß die Ehe mit einem ehrlichen
Buͤrger, der leeren Erwartung auf einen Mann mit der Doſe
von Martin, und mit der Uhr von du tertre unendlich vorzu-
ziehen ſey. Ich verſicherte ihn, wenn er nun das Ziel ſeiner
Wuͤnſche erreichen, und ſich alle Sonntage in einem dammaſte-
nen Schlafrocke zeigen koͤnnte, daß ſein Nachbar ſodann ſei-
nen Bauch in einem franzoͤſiſchen Stof zu Fenſter legen wuͤrde;
und daß er niemals ein Narr werden koͤnnte, ohne zu verhin-
dern, daß ein anderer nicht noch ein groͤßerer Narr wuͤrde;
ich machte ihm endlich begreifen, daß vieles in der Einbil-
dung beruhete, und daß die Einbildung ein Maͤdgenkopf waͤre,
welcher ſo lange ſchwaͤrmete, als er auf einem jungen Rumpfe
ſaͤſſe.

Allein, um ihn voͤllig zu uͤberzeugen, haͤtte ich ein großer
Herr ſeyn, und ihm alsdann diejenige Achtung in der That
bezeigen muͤſſen, die ich ihm jetzt nur mit Schluͤſſen beweiſen
koͤnnte.

Wie viele Mittel haben die Großen nicht, den Geringern
die falſche Scham zu benehmen, wodurch ſie zu praͤchtigen
Thorheiten verleitet werden! le ridicule eſt la raiſon du
ſot;
und wie viele giebt es nicht, die keinen andern Grund
anzugeben wiſſen, als dieſen! das Laͤcherliche oder Veraͤcht-
liche haͤngt nicht von einem braunen oder ſammetenen Kleide,
ſondern gar ſehr von dem Werthe ab, welchen der herrſchende
Ton dieſen Sachen beyleget; Und der herrſchende Ton koſtet
den Geſetzgebern oder den Geſetzgeberinnen oft nur einen ſuͤſ-
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Thaler ſind in zehn Jahren fuͤr geſchickte Sachen aus dem

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[356/0374] Es iſt allez. ſicher. Original als Copey zu ſeyn. ſeine Frau fuhr ich fort, wuͤrde ſich weiſen laſſen, wenn er ihr die Ehre verſchafte, die Frau des groͤßten Meiſters von ſei- nem Handwerke zu ſeyn, und ſeine Tochter wuͤrde im zwan- zigſten Jahre ſchon einſehen, daß die Ehe mit einem ehrlichen Buͤrger, der leeren Erwartung auf einen Mann mit der Doſe von Martin, und mit der Uhr von du tertre unendlich vorzu- ziehen ſey. Ich verſicherte ihn, wenn er nun das Ziel ſeiner Wuͤnſche erreichen, und ſich alle Sonntage in einem dammaſte- nen Schlafrocke zeigen koͤnnte, daß ſein Nachbar ſodann ſei- nen Bauch in einem franzoͤſiſchen Stof zu Fenſter legen wuͤrde; und daß er niemals ein Narr werden koͤnnte, ohne zu verhin- dern, daß ein anderer nicht noch ein groͤßerer Narr wuͤrde; ich machte ihm endlich begreifen, daß vieles in der Einbil- dung beruhete, und daß die Einbildung ein Maͤdgenkopf waͤre, welcher ſo lange ſchwaͤrmete, als er auf einem jungen Rumpfe ſaͤſſe. Allein, um ihn voͤllig zu uͤberzeugen, haͤtte ich ein großer Herr ſeyn, und ihm alsdann diejenige Achtung in der That bezeigen muͤſſen, die ich ihm jetzt nur mit Schluͤſſen beweiſen koͤnnte. Wie viele Mittel haben die Großen nicht, den Geringern die falſche Scham zu benehmen, wodurch ſie zu praͤchtigen Thorheiten verleitet werden! le ridicule eſt la raiſon du ſot; und wie viele giebt es nicht, die keinen andern Grund anzugeben wiſſen, als dieſen! das Laͤcherliche oder Veraͤcht- liche haͤngt nicht von einem braunen oder ſammetenen Kleide, ſondern gar ſehr von dem Werthe ab, welchen der herrſchende Ton dieſen Sachen beyleget; Und der herrſchende Ton koſtet den Geſetzgebern oder den Geſetzgeberinnen oft nur einen ſuͤſ- ſen Traum. Zwey Millionen und ſiebenmal hunderttauſend Thaler ſind in zehn Jahren fuͤr geſchickte Sachen aus dem Lande

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/374>, abgerufen am 25.04.2024.