Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Amaliens Schreiben über die Lustbarkeiten.
Sie mir nur mein gutes Kind, es ist eine Thorheit, der Tu-
gend Spötter zuzuziehen, wenn man ihr durch eine geringe
Wendung in der Manier Verehrer erwerben kan.

Dieses sage ich Ihnen am ersten Tage des Jahrs; und Sie
können daraus alle meine Wünsche errathen.



LX.
Amaliens Schreiben über die
Lustbarkeiten.

Ich zanke mich oft mit meinem Mann -- -- nun das
versteht sich, werden sie sagen -- -- und vielleicht
hat er wohl gar Recht, dies versteht sich sonst nicht -- --
wenn es auf die Frage ankömmt? Was eigentlich Lustbar-
keiten seyn?
Heute, spreche ich zu ihm, will ich mich recht
divertiren; wir haben Comödie, Ball, und wenn dieser zu
Ende, ein Jagdfrühstück; ich werde mich einmal recht satt
tanzen. Mit lächeln wünscht er mir Glück zu meinem großen
Vorsatz; und dann wann die Lust nun vorüber, und ich den
ersten Taumel ausgeschlafen habe: so sieht er mich an als
wollte er fragen: wie ich mich dann nun divertirt hätte?
Heimlich beschämt, aber großsprecherisch erzähle ich ihm dann
mit den lebhaftesten und übertriebensten Ausdrücken was ich
alles genossen, empfunden und ausgeführt hätte. Er aber,
der mich kennt, und mir ins Herz sieht, läßt sich durch keine
Blendungen täuschen. Hier bey dieser Hand, sagt er, indem
er diejenige faßt, welche ich ihm ehmals zum ersten Zeichen
meiner Liebe reichte, beschwöre ich sie mir aufrichtig zu ge-
stehen: ob sie sich würklich so sehr erlustigt haben wie sie vor-

geben?

Amaliens Schreiben uͤber die Luſtbarkeiten.
Sie mir nur mein gutes Kind, es iſt eine Thorheit, der Tu-
gend Spoͤtter zuzuziehen, wenn man ihr durch eine geringe
Wendung in der Manier Verehrer erwerben kan.

Dieſes ſage ich Ihnen am erſten Tage des Jahrs; und Sie
koͤnnen daraus alle meine Wuͤnſche errathen.



LX.
Amaliens Schreiben uͤber die
Luſtbarkeiten.

Ich zanke mich oft mit meinem Mann — — nun das
verſteht ſich, werden ſie ſagen — — und vielleicht
hat er wohl gar Recht, dies verſteht ſich ſonſt nicht — —
wenn es auf die Frage ankoͤmmt? Was eigentlich Luſtbar-
keiten ſeyn?
Heute, ſpreche ich zu ihm, will ich mich recht
divertiren; wir haben Comoͤdie, Ball, und wenn dieſer zu
Ende, ein Jagdfruͤhſtuͤck; ich werde mich einmal recht ſatt
tanzen. Mit laͤcheln wuͤnſcht er mir Gluͤck zu meinem großen
Vorſatz; und dann wann die Luſt nun voruͤber, und ich den
erſten Taumel ausgeſchlafen habe: ſo ſieht er mich an als
wollte er fragen: wie ich mich dann nun divertirt haͤtte?
Heimlich beſchaͤmt, aber großſprecheriſch erzaͤhle ich ihm dann
mit den lebhafteſten und uͤbertriebenſten Ausdruͤcken was ich
alles genoſſen, empfunden und ausgefuͤhrt haͤtte. Er aber,
der mich kennt, und mir ins Herz ſieht, laͤßt ſich durch keine
Blendungen taͤuſchen. Hier bey dieſer Hand, ſagt er, indem
er diejenige faßt, welche ich ihm ehmals zum erſten Zeichen
meiner Liebe reichte, beſchwoͤre ich ſie mir aufrichtig zu ge-
ſtehen: ob ſie ſich wuͤrklich ſo ſehr erluſtigt haben wie ſie vor-

geben?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0380" n="362"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Amaliens Schreiben u&#x0364;ber die Lu&#x017F;tbarkeiten.</hi></fw><lb/>
Sie mir nur mein gutes Kind, es i&#x017F;t eine Thorheit, der Tu-<lb/>
gend Spo&#x0364;tter zuzuziehen, wenn man ihr durch eine geringe<lb/>
Wendung in der Manier Verehrer erwerben kan.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;es &#x017F;age ich Ihnen am er&#x017F;ten Tage des Jahrs; und Sie<lb/>
ko&#x0364;nnen daraus alle meine Wu&#x0364;n&#x017F;che errathen.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">LX.</hi><lb/>
Amaliens Schreiben u&#x0364;ber die<lb/>
Lu&#x017F;tbarkeiten.</hi> </head><lb/>
        <p>Ich zanke mich oft mit meinem Mann &#x2014; &#x2014; nun das<lb/>
ver&#x017F;teht &#x017F;ich, werden &#x017F;ie &#x017F;agen &#x2014; &#x2014; und vielleicht<lb/>
hat er wohl gar Recht, dies ver&#x017F;teht &#x017F;ich &#x017F;on&#x017F;t nicht &#x2014; &#x2014;<lb/>
wenn es auf die Frage anko&#x0364;mmt? <hi rendition="#fr">Was eigentlich Lu&#x017F;tbar-<lb/>
keiten &#x017F;eyn?</hi> Heute, &#x017F;preche ich zu ihm, will ich mich recht<lb/>
divertiren; wir haben Como&#x0364;die, Ball, und wenn die&#x017F;er zu<lb/>
Ende, ein Jagdfru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ck; ich werde mich einmal recht &#x017F;att<lb/>
tanzen. Mit la&#x0364;cheln wu&#x0364;n&#x017F;cht er mir Glu&#x0364;ck zu meinem großen<lb/>
Vor&#x017F;atz; und dann wann die Lu&#x017F;t nun voru&#x0364;ber, und ich den<lb/>
er&#x017F;ten Taumel ausge&#x017F;chlafen habe: &#x017F;o &#x017F;ieht er mich an als<lb/>
wollte er fragen: wie ich mich dann nun divertirt ha&#x0364;tte?<lb/>
Heimlich be&#x017F;cha&#x0364;mt, aber groß&#x017F;precheri&#x017F;ch erza&#x0364;hle ich ihm dann<lb/>
mit den lebhafte&#x017F;ten und u&#x0364;bertrieben&#x017F;ten Ausdru&#x0364;cken was ich<lb/>
alles geno&#x017F;&#x017F;en, empfunden und ausgefu&#x0364;hrt ha&#x0364;tte. Er aber,<lb/>
der mich kennt, und mir ins Herz &#x017F;ieht, la&#x0364;ßt &#x017F;ich durch keine<lb/>
Blendungen ta&#x0364;u&#x017F;chen. Hier bey die&#x017F;er Hand, &#x017F;agt er, indem<lb/>
er diejenige faßt, welche ich ihm ehmals zum er&#x017F;ten Zeichen<lb/>
meiner Liebe reichte, be&#x017F;chwo&#x0364;re ich &#x017F;ie mir aufrichtig zu ge-<lb/>
&#x017F;tehen: ob &#x017F;ie &#x017F;ich wu&#x0364;rklich &#x017F;o <choice><sic>f</sic><corr>&#x017F;</corr></choice>ehr erlu&#x017F;tigt haben wie &#x017F;ie vor-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">geben?</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0380] Amaliens Schreiben uͤber die Luſtbarkeiten. Sie mir nur mein gutes Kind, es iſt eine Thorheit, der Tu- gend Spoͤtter zuzuziehen, wenn man ihr durch eine geringe Wendung in der Manier Verehrer erwerben kan. Dieſes ſage ich Ihnen am erſten Tage des Jahrs; und Sie koͤnnen daraus alle meine Wuͤnſche errathen. LX. Amaliens Schreiben uͤber die Luſtbarkeiten. Ich zanke mich oft mit meinem Mann — — nun das verſteht ſich, werden ſie ſagen — — und vielleicht hat er wohl gar Recht, dies verſteht ſich ſonſt nicht — — wenn es auf die Frage ankoͤmmt? Was eigentlich Luſtbar- keiten ſeyn? Heute, ſpreche ich zu ihm, will ich mich recht divertiren; wir haben Comoͤdie, Ball, und wenn dieſer zu Ende, ein Jagdfruͤhſtuͤck; ich werde mich einmal recht ſatt tanzen. Mit laͤcheln wuͤnſcht er mir Gluͤck zu meinem großen Vorſatz; und dann wann die Luſt nun voruͤber, und ich den erſten Taumel ausgeſchlafen habe: ſo ſieht er mich an als wollte er fragen: wie ich mich dann nun divertirt haͤtte? Heimlich beſchaͤmt, aber großſprecheriſch erzaͤhle ich ihm dann mit den lebhafteſten und uͤbertriebenſten Ausdruͤcken was ich alles genoſſen, empfunden und ausgefuͤhrt haͤtte. Er aber, der mich kennt, und mir ins Herz ſieht, laͤßt ſich durch keine Blendungen taͤuſchen. Hier bey dieſer Hand, ſagt er, indem er diejenige faßt, welche ich ihm ehmals zum erſten Zeichen meiner Liebe reichte, beſchwoͤre ich ſie mir aufrichtig zu ge- ſtehen: ob ſie ſich wuͤrklich ſo ſehr erluſtigt haben wie ſie vor- geben?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/380
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/380>, abgerufen am 28.03.2024.