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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Vorschlag, wie der Theurung des Korns
Kirchspiel dieser Gilde helfen müßte; so würde diese Gilde
mit vereinten Kräften Geld oder Credit und Bürgen finden,
und sich solchergestalt auch retten können. Es sind viele Dinge
die eine Compagnie oder Gilde mit genugsamer Macht unter-
nimmt, ein einzelner Mann aber wohl liegen lassen muß.
Das schlimmste bey den Rettungsanstalten zur Zeit der Theu-
rung ist insgemein die erste Anstalt zum Ankauf des Korns und
die erforderliche geschwinde und vorschüßige Bezahlung. Aber
hier tritt nun in guten Staaten die glückliche Fürsorge der
Landesherrschaft ein. Diese läßt das Korn auf dem nächsten
und wohlfeilsten Orte kaufen, thut den Vorschuß, und borgt
dem Kirchspiel oder der Gilde unter ihren Vorstehern oder
Bürgen. Diese dürfen also nur hinschicken, abholen, und
es so vorsichtig vertheilen, daß sie das Geld dafür zur gesetzten
Zeit wieder einliefern können. Diese Hülfe kann keine Lan-
desherrschaft einzelnen Menschen angedeyen lassen; weil sie
sich in unendliche Weitläuftigkeit und mit großer Unsicherheit
einlassen würde. Allein einer Gilde unter Vorstehern und
Bürgen kann sie ohne diese Unbequemlichkeiten desto leichter
helfen.

Die Erfahrung hat in diesem Jahre gewiesen, daß viele
Aemter und Kirchspiele, ohnerachtet sie Mangel zu haben
schienen, lieber ihren Miteinwohner aus ihrem eignen Vor-
rathe mittheilen, und sich so viel sparsamer behelfen, als die
Fuhren zur Abholung des fremden Korns leisten wollten.
Andre, welche ins wilde gefordert hatten, traten aus gleicher
Ursache zurück, machten es wie jene, und begehrten nur et-
was weniges. Andre, worinn die Landleute genug hatten,
wollten den Dorfgesessenen nicht aushelfen, und auch nicht
für sie fahren. Mancher Landmann der zwar nichts übrig,
aber doch für sich genug hatte, behalf sich sparsamer, und

ver-

Vorſchlag, wie der Theurung des Korns
Kirchſpiel dieſer Gilde helfen muͤßte; ſo wuͤrde dieſe Gilde
mit vereinten Kraͤften Geld oder Credit und Buͤrgen finden,
und ſich ſolchergeſtalt auch retten koͤnnen. Es ſind viele Dinge
die eine Compagnie oder Gilde mit genugſamer Macht unter-
nimmt, ein einzelner Mann aber wohl liegen laſſen muß.
Das ſchlimmſte bey den Rettungsanſtalten zur Zeit der Theu-
rung iſt insgemein die erſte Anſtalt zum Ankauf des Korns und
die erforderliche geſchwinde und vorſchuͤßige Bezahlung. Aber
hier tritt nun in guten Staaten die gluͤckliche Fuͤrſorge der
Landesherrſchaft ein. Dieſe laͤßt das Korn auf dem naͤchſten
und wohlfeilſten Orte kaufen, thut den Vorſchuß, und borgt
dem Kirchſpiel oder der Gilde unter ihren Vorſtehern oder
Buͤrgen. Dieſe duͤrfen alſo nur hinſchicken, abholen, und
es ſo vorſichtig vertheilen, daß ſie das Geld dafuͤr zur geſetzten
Zeit wieder einliefern koͤnnen. Dieſe Huͤlfe kann keine Lan-
desherrſchaft einzelnen Menſchen angedeyen laſſen; weil ſie
ſich in unendliche Weitlaͤuftigkeit und mit großer Unſicherheit
einlaſſen wuͤrde. Allein einer Gilde unter Vorſtehern und
Buͤrgen kann ſie ohne dieſe Unbequemlichkeiten deſto leichter
helfen.

Die Erfahrung hat in dieſem Jahre gewieſen, daß viele
Aemter und Kirchſpiele, ohnerachtet ſie Mangel zu haben
ſchienen, lieber ihren Miteinwohner aus ihrem eignen Vor-
rathe mittheilen, und ſich ſo viel ſparſamer behelfen, als die
Fuhren zur Abholung des fremden Korns leiſten wollten.
Andre, welche ins wilde gefordert hatten, traten aus gleicher
Urſache zuruͤck, machten es wie jene, und begehrten nur et-
was weniges. Andre, worinn die Landleute genug hatten,
wollten den Dorfgeſeſſenen nicht aushelfen, und auch nicht
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aber doch fuͤr ſich genug hatte, behalf ſich ſparſamer, und

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[30/0048] Vorſchlag, wie der Theurung des Korns Kirchſpiel dieſer Gilde helfen muͤßte; ſo wuͤrde dieſe Gilde mit vereinten Kraͤften Geld oder Credit und Buͤrgen finden, und ſich ſolchergeſtalt auch retten koͤnnen. Es ſind viele Dinge die eine Compagnie oder Gilde mit genugſamer Macht unter- nimmt, ein einzelner Mann aber wohl liegen laſſen muß. Das ſchlimmſte bey den Rettungsanſtalten zur Zeit der Theu- rung iſt insgemein die erſte Anſtalt zum Ankauf des Korns und die erforderliche geſchwinde und vorſchuͤßige Bezahlung. Aber hier tritt nun in guten Staaten die gluͤckliche Fuͤrſorge der Landesherrſchaft ein. Dieſe laͤßt das Korn auf dem naͤchſten und wohlfeilſten Orte kaufen, thut den Vorſchuß, und borgt dem Kirchſpiel oder der Gilde unter ihren Vorſtehern oder Buͤrgen. Dieſe duͤrfen alſo nur hinſchicken, abholen, und es ſo vorſichtig vertheilen, daß ſie das Geld dafuͤr zur geſetzten Zeit wieder einliefern koͤnnen. Dieſe Huͤlfe kann keine Lan- desherrſchaft einzelnen Menſchen angedeyen laſſen; weil ſie ſich in unendliche Weitlaͤuftigkeit und mit großer Unſicherheit einlaſſen wuͤrde. Allein einer Gilde unter Vorſtehern und Buͤrgen kann ſie ohne dieſe Unbequemlichkeiten deſto leichter helfen. Die Erfahrung hat in dieſem Jahre gewieſen, daß viele Aemter und Kirchſpiele, ohnerachtet ſie Mangel zu haben ſchienen, lieber ihren Miteinwohner aus ihrem eignen Vor- rathe mittheilen, und ſich ſo viel ſparſamer behelfen, als die Fuhren zur Abholung des fremden Korns leiſten wollten. Andre, welche ins wilde gefordert hatten, traten aus gleicher Urſache zuruͤck, machten es wie jene, und begehrten nur et- was weniges. Andre, worinn die Landleute genug hatten, wollten den Dorfgeſeſſenen nicht aushelfen, und auch nicht fuͤr ſie fahren. Mancher Landmann der zwar nichts uͤbrig, aber doch fuͤr ſich genug hatte, behalf ſich ſparſamer, und ver-

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/48>, abgerufen am 28.03.2024.