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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Schreiben eines Kornhändlers.
rius der mich frägt: wie viel Korn ich noch vorräthig habe,
und wie groß der Schade sey den ich noch leide? es ist keine
Zeitung, kein Journal, kein Intelligenzblatt das sich mit Vor-
schlägen für uns arme .... das Wort will nicht recht her-
aus, nun Kornjuden wollte ich sagen, weil es doch einmal in
aller Welt Munde ist ... abgäbe, und eine Abhandlung zu
unser Rettung lieferte oder einen Preis auf das beste Mittel
setzte, einen redlichen Kornhändler gegen den gar zu großen
Segen Gottes in Sicherheit zu setzen. Jeder schweigt, wie
der Karschin ihre Lerche, nachdem sie satt Weitzen gefressen
hatte. Kein empfindsamer Reisender, deren es doch jetzt so
viel giebt, daß sie auch in die Visitenzimmer kommen, besieht
mein Kornmagazin; und selbst der redliche Buchhändler Hie-
ronimus, dieser tapfre Freund des ehrlichen Sebastian Noth-
ankers wegert sich jetzt mir das oraculum juris für eine halbe
Last Roggen zu überlassen.

Gleichwol kan ich mit Wahrheit sagen, daß ich dem arbeit-
samen fleißigen Ackersmann seit der vorigen Erndte einen rei-
nen Vortheil von mehr als funfzig tausend Thaler zugewandt
habe. Der arme Mann war von Gelde entblößt; und er
mußte aus Noth verkaufen. Der Preis des Korns wäre
gleich nach der Erndte zu 6 Rthlr. das Malter gefallen, wenn
ich meinen Vorrath losgeschlagen und nicht vielmehr noch ein
mehrerers angekaufet hätte. In was für eine Verlegenheit
würden die Geringen, die zwischen Michael und Weihnach-
ten losschlagen mußten, gefallen seyn, wenn ich damals gleich
ihnen verkauft; wenn ich täglich nur ein Fuder zu Markte ge-
schickt, und die hämischen Käufer dadurch stutzig gemacht hätte!
Würde nicht der arme Mann, der ein paar Scheffel sauer zu
Markte getragen, solche entweder mühsam haben zurück neh-
men oder zu jedem Preise verkaufen müssen?

Allein
D 3

Schreiben eines Kornhaͤndlers.
rius der mich fraͤgt: wie viel Korn ich noch vorraͤthig habe,
und wie groß der Schade ſey den ich noch leide? es iſt keine
Zeitung, kein Journal, kein Intelligenzblatt das ſich mit Vor-
ſchlaͤgen fuͤr uns arme .... das Wort will nicht recht her-
aus, nun Kornjuden wollte ich ſagen, weil es doch einmal in
aller Welt Munde iſt … abgaͤbe, und eine Abhandlung zu
unſer Rettung lieferte oder einen Preis auf das beſte Mittel
ſetzte, einen redlichen Kornhaͤndler gegen den gar zu großen
Segen Gottes in Sicherheit zu ſetzen. Jeder ſchweigt, wie
der Karſchin ihre Lerche, nachdem ſie ſatt Weitzen gefreſſen
hatte. Kein empfindſamer Reiſender, deren es doch jetzt ſo
viel giebt, daß ſie auch in die Viſitenzimmer kommen, beſieht
mein Kornmagazin; und ſelbſt der redliche Buchhaͤndler Hie-
ronimus, dieſer tapfre Freund des ehrlichen Sebaſtian Noth-
ankers wegert ſich jetzt mir das oraculum juris fuͤr eine halbe
Laſt Roggen zu uͤberlaſſen.

Gleichwol kan ich mit Wahrheit ſagen, daß ich dem arbeit-
ſamen fleißigen Ackersmann ſeit der vorigen Erndte einen rei-
nen Vortheil von mehr als funfzig tauſend Thaler zugewandt
habe. Der arme Mann war von Gelde entbloͤßt; und er
mußte aus Noth verkaufen. Der Preis des Korns waͤre
gleich nach der Erndte zu 6 Rthlr. das Malter gefallen, wenn
ich meinen Vorrath losgeſchlagen und nicht vielmehr noch ein
mehrerers angekaufet haͤtte. In was fuͤr eine Verlegenheit
wuͤrden die Geringen, die zwiſchen Michael und Weihnach-
ten losſchlagen mußten, gefallen ſeyn, wenn ich damals gleich
ihnen verkauft; wenn ich taͤglich nur ein Fuder zu Markte ge-
ſchickt, und die haͤmiſchen Kaͤufer dadurch ſtutzig gemacht haͤtte!
Wuͤrde nicht der arme Mann, der ein paar Scheffel ſauer zu
Markte getragen, ſolche entweder muͤhſam haben zuruͤck neh-
men oder zu jedem Preiſe verkaufen muͤſſen?

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D 3
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[53/0071] Schreiben eines Kornhaͤndlers. rius der mich fraͤgt: wie viel Korn ich noch vorraͤthig habe, und wie groß der Schade ſey den ich noch leide? es iſt keine Zeitung, kein Journal, kein Intelligenzblatt das ſich mit Vor- ſchlaͤgen fuͤr uns arme .... das Wort will nicht recht her- aus, nun Kornjuden wollte ich ſagen, weil es doch einmal in aller Welt Munde iſt … abgaͤbe, und eine Abhandlung zu unſer Rettung lieferte oder einen Preis auf das beſte Mittel ſetzte, einen redlichen Kornhaͤndler gegen den gar zu großen Segen Gottes in Sicherheit zu ſetzen. Jeder ſchweigt, wie der Karſchin ihre Lerche, nachdem ſie ſatt Weitzen gefreſſen hatte. Kein empfindſamer Reiſender, deren es doch jetzt ſo viel giebt, daß ſie auch in die Viſitenzimmer kommen, beſieht mein Kornmagazin; und ſelbſt der redliche Buchhaͤndler Hie- ronimus, dieſer tapfre Freund des ehrlichen Sebaſtian Noth- ankers wegert ſich jetzt mir das oraculum juris fuͤr eine halbe Laſt Roggen zu uͤberlaſſen. Gleichwol kan ich mit Wahrheit ſagen, daß ich dem arbeit- ſamen fleißigen Ackersmann ſeit der vorigen Erndte einen rei- nen Vortheil von mehr als funfzig tauſend Thaler zugewandt habe. Der arme Mann war von Gelde entbloͤßt; und er mußte aus Noth verkaufen. Der Preis des Korns waͤre gleich nach der Erndte zu 6 Rthlr. das Malter gefallen, wenn ich meinen Vorrath losgeſchlagen und nicht vielmehr noch ein mehrerers angekaufet haͤtte. In was fuͤr eine Verlegenheit wuͤrden die Geringen, die zwiſchen Michael und Weihnach- ten losſchlagen mußten, gefallen ſeyn, wenn ich damals gleich ihnen verkauft; wenn ich taͤglich nur ein Fuder zu Markte ge- ſchickt, und die haͤmiſchen Kaͤufer dadurch ſtutzig gemacht haͤtte! Wuͤrde nicht der arme Mann, der ein paar Scheffel ſauer zu Markte getragen, ſolche entweder muͤhſam haben zuruͤck neh- men oder zu jedem Preiſe verkaufen muͤſſen? Allein D 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/71>, abgerufen am 24.04.2024.