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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Schreiben eines Kornhändlers.
oder zum geringsten Preise ausserhalb Landes gegangen seyn
würden, hatte ich denn zur Erhaltung der Armuth vorräthig
gehabt; hätte ich auch vierzig tausend Thaler darauf gewon-
nen: so wäre dieses Geld doch im Staate geblieben: Ich
hätte den ganzen Kornhandel mit meinem Vorrathe in den
Schranken der Billigkeit halten, und alle übrige zwingen kön-
nen, in ihren Preisen sich nach den meinigen zu richten. Wir
wären den Seestädten nicht zinsbar geworden, und mancher
hätte bey mir auf einheimische Sicherheit Credit haben kön-
nen, der das seinige sonst in der Noth für halbes Geld hätte
losschlagen müssen, um in der Fremde baar zu bezahlen. Wie
viele falsche Unkosten, wie viele Fuhren, wie viele Aufsehen
und Ausmesser hätte der Staat nicht ersparet; und wie ruhig
hätte nicht jedermann sein Haupt niederlegen oder seiner Ar-
beit warten können, der sonst unter nächtlichen Sorgen seine
Gesundheit geschwächt, und seine Handthierung mit Muth-
losigkeit getrieben haben würde.

So viele, so große, so wesentliche Verdienste sollten mir
in der That jetzt eine allgemeine Dankbarkeit, und eine hin-
längliche Schadloshaltung zuwege bringen. Aber nein, nichts
als Spott und Undank ist mein Lahn; und warum? weil die
Triebfeder meiner Handlungen, wie die Welt spricht, eine
schnöde Gewinnsucht gewesen. Aber wer lebt, wer denkt, wer
handelt und wer schreibt ohne Gewinnst? Sind nicht die Lei-
denschaften der Menschen der kaltsinnigen Ueberlegung zu
Hülfe gegeben, und sind unsre Affecten nicht zehnmal beherz-
ter, würksamer und eyfriger als alle Vernunftschlüsse? oder
ist die Privatgewinnsucht schädlicher und gefährlicher als die
Gewinnsucht der Helden, welche Länder erobert oder verwüstet
und die Unschuld an ihren Triumphwagen fesselt?

Doch

Schreiben eines Kornhaͤndlers.
oder zum geringſten Preiſe auſſerhalb Landes gegangen ſeyn
wuͤrden, hatte ich denn zur Erhaltung der Armuth vorraͤthig
gehabt; haͤtte ich auch vierzig tauſend Thaler darauf gewon-
nen: ſo waͤre dieſes Geld doch im Staate geblieben: Ich
haͤtte den ganzen Kornhandel mit meinem Vorrathe in den
Schranken der Billigkeit halten, und alle uͤbrige zwingen koͤn-
nen, in ihren Preiſen ſich nach den meinigen zu richten. Wir
waͤren den Seeſtaͤdten nicht zinsbar geworden, und mancher
haͤtte bey mir auf einheimiſche Sicherheit Credit haben koͤn-
nen, der das ſeinige ſonſt in der Noth fuͤr halbes Geld haͤtte
losſchlagen muͤſſen, um in der Fremde baar zu bezahlen. Wie
viele falſche Unkoſten, wie viele Fuhren, wie viele Aufſehen
und Ausmeſſer haͤtte der Staat nicht erſparet; und wie ruhig
haͤtte nicht jedermann ſein Haupt niederlegen oder ſeiner Ar-
beit warten koͤnnen, der ſonſt unter naͤchtlichen Sorgen ſeine
Geſundheit geſchwaͤcht, und ſeine Handthierung mit Muth-
loſigkeit getrieben haben wuͤrde.

So viele, ſo große, ſo weſentliche Verdienſte ſollten mir
in der That jetzt eine allgemeine Dankbarkeit, und eine hin-
laͤngliche Schadloshaltung zuwege bringen. Aber nein, nichts
als Spott und Undank iſt mein Lahn; und warum? weil die
Triebfeder meiner Handlungen, wie die Welt ſpricht, eine
ſchnoͤde Gewinnſucht geweſen. Aber wer lebt, wer denkt, wer
handelt und wer ſchreibt ohne Gewinnſt? Sind nicht die Lei-
denſchaften der Menſchen der kaltſinnigen Ueberlegung zu
Huͤlfe gegeben, und ſind unſre Affecten nicht zehnmal beherz-
ter, wuͤrkſamer und eyfriger als alle Vernunftſchluͤſſe? oder
iſt die Privatgewinnſucht ſchaͤdlicher und gefaͤhrlicher als die
Gewinnſucht der Helden, welche Laͤnder erobert oder verwuͤſtet
und die Unſchuld an ihren Triumphwagen feſſelt?

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[56/0074] Schreiben eines Kornhaͤndlers. oder zum geringſten Preiſe auſſerhalb Landes gegangen ſeyn wuͤrden, hatte ich denn zur Erhaltung der Armuth vorraͤthig gehabt; haͤtte ich auch vierzig tauſend Thaler darauf gewon- nen: ſo waͤre dieſes Geld doch im Staate geblieben: Ich haͤtte den ganzen Kornhandel mit meinem Vorrathe in den Schranken der Billigkeit halten, und alle uͤbrige zwingen koͤn- nen, in ihren Preiſen ſich nach den meinigen zu richten. Wir waͤren den Seeſtaͤdten nicht zinsbar geworden, und mancher haͤtte bey mir auf einheimiſche Sicherheit Credit haben koͤn- nen, der das ſeinige ſonſt in der Noth fuͤr halbes Geld haͤtte losſchlagen muͤſſen, um in der Fremde baar zu bezahlen. Wie viele falſche Unkoſten, wie viele Fuhren, wie viele Aufſehen und Ausmeſſer haͤtte der Staat nicht erſparet; und wie ruhig haͤtte nicht jedermann ſein Haupt niederlegen oder ſeiner Ar- beit warten koͤnnen, der ſonſt unter naͤchtlichen Sorgen ſeine Geſundheit geſchwaͤcht, und ſeine Handthierung mit Muth- loſigkeit getrieben haben wuͤrde. So viele, ſo große, ſo weſentliche Verdienſte ſollten mir in der That jetzt eine allgemeine Dankbarkeit, und eine hin- laͤngliche Schadloshaltung zuwege bringen. Aber nein, nichts als Spott und Undank iſt mein Lahn; und warum? weil die Triebfeder meiner Handlungen, wie die Welt ſpricht, eine ſchnoͤde Gewinnſucht geweſen. Aber wer lebt, wer denkt, wer handelt und wer ſchreibt ohne Gewinnſt? Sind nicht die Lei- denſchaften der Menſchen der kaltſinnigen Ueberlegung zu Huͤlfe gegeben, und ſind unſre Affecten nicht zehnmal beherz- ter, wuͤrkſamer und eyfriger als alle Vernunftſchluͤſſe? oder iſt die Privatgewinnſucht ſchaͤdlicher und gefaͤhrlicher als die Gewinnſucht der Helden, welche Laͤnder erobert oder verwuͤſtet und die Unſchuld an ihren Triumphwagen feſſelt? Doch

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/74>, abgerufen am 25.04.2024.