Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

declamirt von einem Bürger.
halten dürften? Wenn die Schenke nur der Versammlungsort
für rechtlich steurende Hüfener wäre, und der Heuermann
sich in der Ferne halten, und der im Stillestand stehende
Schuldner, so lange er solchen hätte, und ein Jahr nachher,
mit Weib und Kind davon ausgeschlossen würde? Wie manche
Frau würde ihren Mann zur Ordnung und ihre Kinder zur
Arbeit halten, um diese schreckliche Verbannung von allen
öffentlichen Lustbarkeiten in Zeiten zu verhindern? Unsre
Weiber würden sodann ihre Tracht nach einem gewissen fest-
stehenden Stande gern behalten, so bald sie nicht mehr besor-
gen dürften von einer Heuermannsfrau übertroffen zu werden.
Man würde das Recht Gold und Silber zu tragen, eben da-
durch, daß alle Schnallen, Knöpfe und andre Zierathen, ihre
uniformes Maaß erhielten, das von dem Besten nicht über-
schritten, und von dem Geringern nicht nachgeahmet werden
dürfte, zur Nahrung eines löblichen Ehrgeitzes frey erlauben;
und nach einem gleichen Grundsatze alle Verschwendung ver-
hindren können. Die öffentlichen Lustbarkeiten würden wie
die Tänze nach den Turnieren, Schauspiele der Ehre und des
Vergnügens und Belohnungen der Helden, die sich das ganze
Jahr hindurch rechtlich gehalten, werden können. Dies war
der Geist aller Vogelschießen, aller deutschen Zusammenkünfte
der vorigen Zeiten; jetzt ist er Unordnung und Schwelgerey;
und die dadurch veranlassete Abstellung ein trauriges Denk-
mal verworrener Zeiten, die den mächtigen Leitfaden der
Menschen so wenig zu ergreifen als zu halten wissen. Der
Mensch fängt ordentlich an schlecht zu werden, nachdem man
alle Triebe der Ehre erstickt, alle Freuden um ihren Ton ge-
bracht, und sich auf den Plan gestützt hat, alles mit Befeh-
len und Strafen, Lehren und Predigen von ihm zu erzwin-
gen ......... Er wollte noch weiter reden; aber
weil seine Frau besorgte, er möchte würklich auch auf eine

Uni-
E 3

declamirt von einem Buͤrger.
halten duͤrften? Wenn die Schenke nur der Verſammlungsort
fuͤr rechtlich ſteurende Huͤfener waͤre, und der Heuermann
ſich in der Ferne halten, und der im Stilleſtand ſtehende
Schuldner, ſo lange er ſolchen haͤtte, und ein Jahr nachher,
mit Weib und Kind davon ausgeſchloſſen wuͤrde? Wie manche
Frau wuͤrde ihren Mann zur Ordnung und ihre Kinder zur
Arbeit halten, um dieſe ſchreckliche Verbannung von allen
oͤffentlichen Luſtbarkeiten in Zeiten zu verhindern? Unſre
Weiber wuͤrden ſodann ihre Tracht nach einem gewiſſen feſt-
ſtehenden Stande gern behalten, ſo bald ſie nicht mehr beſor-
gen duͤrften von einer Heuermannsfrau uͤbertroffen zu werden.
Man wuͤrde das Recht Gold und Silber zu tragen, eben da-
durch, daß alle Schnallen, Knoͤpfe und andre Zierathen, ihre
uniformes Maaß erhielten, das von dem Beſten nicht uͤber-
ſchritten, und von dem Geringern nicht nachgeahmet werden
duͤrfte, zur Nahrung eines loͤblichen Ehrgeitzes frey erlauben;
und nach einem gleichen Grundſatze alle Verſchwendung ver-
hindren koͤnnen. Die oͤffentlichen Luſtbarkeiten wuͤrden wie
die Taͤnze nach den Turnieren, Schauſpiele der Ehre und des
Vergnuͤgens und Belohnungen der Helden, die ſich das ganze
Jahr hindurch rechtlich gehalten, werden koͤnnen. Dies war
der Geiſt aller Vogelſchießen, aller deutſchen Zuſammenkuͤnfte
der vorigen Zeiten; jetzt iſt er Unordnung und Schwelgerey;
und die dadurch veranlaſſete Abſtellung ein trauriges Denk-
mal verworrener Zeiten, die den maͤchtigen Leitfaden der
Menſchen ſo wenig zu ergreifen als zu halten wiſſen. Der
Menſch faͤngt ordentlich an ſchlecht zu werden, nachdem man
alle Triebe der Ehre erſtickt, alle Freuden um ihren Ton ge-
bracht, und ſich auf den Plan geſtuͤtzt hat, alles mit Befeh-
len und Strafen, Lehren und Predigen von ihm zu erzwin-
gen ......... Er wollte noch weiter reden; aber
weil ſeine Frau beſorgte, er moͤchte wuͤrklich auch auf eine

Uni-
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0087" n="69"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">declamirt von einem Bu&#x0364;rger.</hi></fw><lb/>
halten du&#x0364;rften? Wenn die Schenke nur der Ver&#x017F;ammlungsort<lb/>
fu&#x0364;r rechtlich &#x017F;teurende Hu&#x0364;fener wa&#x0364;re, und der Heuermann<lb/>
&#x017F;ich in der Ferne halten, und der im Stille&#x017F;tand &#x017F;tehende<lb/>
Schuldner, &#x017F;o lange er &#x017F;olchen ha&#x0364;tte, und ein Jahr nachher,<lb/>
mit Weib und Kind davon ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde? Wie manche<lb/>
Frau wu&#x0364;rde ihren Mann zur Ordnung und ihre Kinder zur<lb/>
Arbeit halten, um die&#x017F;e &#x017F;chreckliche Verbannung von allen<lb/>
o&#x0364;ffentlichen Lu&#x017F;tbarkeiten in Zeiten zu verhindern? Un&#x017F;re<lb/>
Weiber wu&#x0364;rden &#x017F;odann ihre Tracht nach einem gewi&#x017F;&#x017F;en fe&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;tehenden Stande gern behalten, &#x017F;o bald &#x017F;ie nicht mehr be&#x017F;or-<lb/>
gen du&#x0364;rften von einer Heuermannsfrau u&#x0364;bertroffen zu werden.<lb/>
Man wu&#x0364;rde das Recht Gold und Silber zu tragen, eben da-<lb/>
durch, daß alle Schnallen, Kno&#x0364;pfe und andre Zierathen, ihre<lb/>
uniformes Maaß erhielten, das von dem Be&#x017F;ten nicht u&#x0364;ber-<lb/>
&#x017F;chritten, und von dem Geringern nicht nachgeahmet werden<lb/>
du&#x0364;rfte, zur Nahrung eines lo&#x0364;blichen Ehrgeitzes frey erlauben;<lb/>
und nach einem gleichen Grund&#x017F;atze alle Ver&#x017F;chwendung ver-<lb/>
hindren ko&#x0364;nnen. Die o&#x0364;ffentlichen Lu&#x017F;tbarkeiten wu&#x0364;rden wie<lb/>
die Ta&#x0364;nze nach den Turnieren, Schau&#x017F;piele der Ehre und des<lb/>
Vergnu&#x0364;gens und Belohnungen der Helden, die &#x017F;ich das ganze<lb/>
Jahr hindurch rechtlich gehalten, werden ko&#x0364;nnen. Dies war<lb/>
der Gei&#x017F;t aller Vogel&#x017F;chießen, aller deut&#x017F;chen Zu&#x017F;ammenku&#x0364;nfte<lb/>
der vorigen Zeiten; jetzt i&#x017F;t er Unordnung und Schwelgerey;<lb/>
und die dadurch veranla&#x017F;&#x017F;ete Ab&#x017F;tellung ein trauriges Denk-<lb/>
mal verworrener Zeiten, die den ma&#x0364;chtigen Leitfaden der<lb/>
Men&#x017F;chen &#x017F;o wenig zu ergreifen als zu halten wi&#x017F;&#x017F;en. Der<lb/>
Men&#x017F;ch fa&#x0364;ngt ordentlich an &#x017F;chlecht zu werden, nachdem man<lb/>
alle Triebe der Ehre er&#x017F;tickt, alle Freuden um ihren Ton ge-<lb/>
bracht, und &#x017F;ich auf den Plan ge&#x017F;tu&#x0364;tzt hat, alles mit Befeh-<lb/>
len und Strafen, Lehren und Predigen von ihm zu erzwin-<lb/>
gen ......... Er wollte noch weiter reden; aber<lb/>
weil &#x017F;eine Frau be&#x017F;orgte, er mo&#x0364;chte wu&#x0364;rklich auch auf eine<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><fw place="bottom" type="catch">Uni-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0087] declamirt von einem Buͤrger. halten duͤrften? Wenn die Schenke nur der Verſammlungsort fuͤr rechtlich ſteurende Huͤfener waͤre, und der Heuermann ſich in der Ferne halten, und der im Stilleſtand ſtehende Schuldner, ſo lange er ſolchen haͤtte, und ein Jahr nachher, mit Weib und Kind davon ausgeſchloſſen wuͤrde? Wie manche Frau wuͤrde ihren Mann zur Ordnung und ihre Kinder zur Arbeit halten, um dieſe ſchreckliche Verbannung von allen oͤffentlichen Luſtbarkeiten in Zeiten zu verhindern? Unſre Weiber wuͤrden ſodann ihre Tracht nach einem gewiſſen feſt- ſtehenden Stande gern behalten, ſo bald ſie nicht mehr beſor- gen duͤrften von einer Heuermannsfrau uͤbertroffen zu werden. Man wuͤrde das Recht Gold und Silber zu tragen, eben da- durch, daß alle Schnallen, Knoͤpfe und andre Zierathen, ihre uniformes Maaß erhielten, das von dem Beſten nicht uͤber- ſchritten, und von dem Geringern nicht nachgeahmet werden duͤrfte, zur Nahrung eines loͤblichen Ehrgeitzes frey erlauben; und nach einem gleichen Grundſatze alle Verſchwendung ver- hindren koͤnnen. Die oͤffentlichen Luſtbarkeiten wuͤrden wie die Taͤnze nach den Turnieren, Schauſpiele der Ehre und des Vergnuͤgens und Belohnungen der Helden, die ſich das ganze Jahr hindurch rechtlich gehalten, werden koͤnnen. Dies war der Geiſt aller Vogelſchießen, aller deutſchen Zuſammenkuͤnfte der vorigen Zeiten; jetzt iſt er Unordnung und Schwelgerey; und die dadurch veranlaſſete Abſtellung ein trauriges Denk- mal verworrener Zeiten, die den maͤchtigen Leitfaden der Menſchen ſo wenig zu ergreifen als zu halten wiſſen. Der Menſch faͤngt ordentlich an ſchlecht zu werden, nachdem man alle Triebe der Ehre erſtickt, alle Freuden um ihren Ton ge- bracht, und ſich auf den Plan geſtuͤtzt hat, alles mit Befeh- len und Strafen, Lehren und Predigen von ihm zu erzwin- gen ......... Er wollte noch weiter reden; aber weil ſeine Frau beſorgte, er moͤchte wuͤrklich auch auf eine Uni- E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/87
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/87>, abgerufen am 24.04.2024.