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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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Sie tanzte gut und kochte schlecht.
Korn und letzter mit Schlachtvieh aus der eignen Zucht be-
zahlt. Anfänglich sahen die verheyratheten Kinder diese Per-
son, die gleichwol eine nahe Verwandtin von ihnen ist, mit
bösen Augen an, und wünschten sie über alle Berge. Allein
es waren nicht zwey Jahre verflossen: so verehrten sie dieselbe
als ihre Mutter. Die jüngste Tochter verlohr ihren Mann,
und blieb mit zween Kindern in der größten Dürftigkeit sitzen,
weil der verstorbene eine weitläuftige und glänzende Pachtung
aber auch heimliche Schulden gehabt hatte. Sie nahm daher
wieder zum elterlichen Hause ihre Zuflucht, und sollten sie es
wohl glauben, eben diese Person hat aus der jungen Wittwe
eine empfindsame Tochter, eine zärtliche Mutter und eine auf-
merksame Hauswirthin gemacht. Keine Hochachtung kan grös-
ser seyn, als die, so sie der ungelenken Tänzerin bezeiget, der
freylich die Schulterknochen nicht so abgeründet sind als an-
dern, da sie einen Kessel von zween Eymern rasch aufs Feuer
bringt; und alles mit angreift was in der Haushaltung vor-
kommt, die aber doch durch ihr gutes und gefälliges Wesen ei-
nen jeden einzunehmen weis. Wenn eine solche Person mit
eben der Feinheit tanzen sollte, womit ihr Mad. Tochter tanzt:
so würde dieses in Wahrheit zu viel gefordert seyn. Für sie
ist es ein Ruhm schlecht zu tanzen und gut Haus zu halten;
für andre aber, die es nicht nöthig haben, sich um Küche und
Keller zu bekümmern, und die wegen ihrer Geburt das elende
Privilegium haben, müßig zu gehen, ist es umgekehrt. Sie
hat jetzt viele Prätendenten, und unter diesen ist der Herr
Oberamtmann zu .......

Was, rief die Frau Oberamtmännin, dieser sollte ein
Auge auf sie haben, das kan ich unmöglich glauben. Er hat
bisher meiner Tochter die Aufwartung gemacht, und ich will
doch nimmer hoffen, daß er sie nur zum Besten habe. In

dem

Sie tanzte gut und kochte ſchlecht.
Korn und letzter mit Schlachtvieh aus der eignen Zucht be-
zahlt. Anfaͤnglich ſahen die verheyratheten Kinder dieſe Per-
ſon, die gleichwol eine nahe Verwandtin von ihnen iſt, mit
boͤſen Augen an, und wuͤnſchten ſie uͤber alle Berge. Allein
es waren nicht zwey Jahre verfloſſen: ſo verehrten ſie dieſelbe
als ihre Mutter. Die juͤngſte Tochter verlohr ihren Mann,
und blieb mit zween Kindern in der groͤßten Duͤrftigkeit ſitzen,
weil der verſtorbene eine weitlaͤuftige und glaͤnzende Pachtung
aber auch heimliche Schulden gehabt hatte. Sie nahm daher
wieder zum elterlichen Hauſe ihre Zuflucht, und ſollten ſie es
wohl glauben, eben dieſe Perſon hat aus der jungen Wittwe
eine empfindſame Tochter, eine zaͤrtliche Mutter und eine auf-
merkſame Hauswirthin gemacht. Keine Hochachtung kan groͤſ-
ſer ſeyn, als die, ſo ſie der ungelenken Taͤnzerin bezeiget, der
freylich die Schulterknochen nicht ſo abgeruͤndet ſind als an-
dern, da ſie einen Keſſel von zween Eymern raſch aufs Feuer
bringt; und alles mit angreift was in der Haushaltung vor-
kommt, die aber doch durch ihr gutes und gefaͤlliges Weſen ei-
nen jeden einzunehmen weis. Wenn eine ſolche Perſon mit
eben der Feinheit tanzen ſollte, womit ihr Mad. Tochter tanzt:
ſo wuͤrde dieſes in Wahrheit zu viel gefordert ſeyn. Fuͤr ſie
iſt es ein Ruhm ſchlecht zu tanzen und gut Haus zu halten;
fuͤr andre aber, die es nicht noͤthig haben, ſich um Kuͤche und
Keller zu bekuͤmmern, und die wegen ihrer Geburt das elende
Privilegium haben, muͤßig zu gehen, iſt es umgekehrt. Sie
hat jetzt viele Praͤtendenten, und unter dieſen iſt der Herr
Oberamtmann zu .......

Was, rief die Frau Oberamtmaͤnnin, dieſer ſollte ein
Auge auf ſie haben, das kan ich unmoͤglich glauben. Er hat
bisher meiner Tochter die Aufwartung gemacht, und ich will
doch nimmer hoffen, daß er ſie nur zum Beſten habe. In

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[79/0097] Sie tanzte gut und kochte ſchlecht. Korn und letzter mit Schlachtvieh aus der eignen Zucht be- zahlt. Anfaͤnglich ſahen die verheyratheten Kinder dieſe Per- ſon, die gleichwol eine nahe Verwandtin von ihnen iſt, mit boͤſen Augen an, und wuͤnſchten ſie uͤber alle Berge. Allein es waren nicht zwey Jahre verfloſſen: ſo verehrten ſie dieſelbe als ihre Mutter. Die juͤngſte Tochter verlohr ihren Mann, und blieb mit zween Kindern in der groͤßten Duͤrftigkeit ſitzen, weil der verſtorbene eine weitlaͤuftige und glaͤnzende Pachtung aber auch heimliche Schulden gehabt hatte. Sie nahm daher wieder zum elterlichen Hauſe ihre Zuflucht, und ſollten ſie es wohl glauben, eben dieſe Perſon hat aus der jungen Wittwe eine empfindſame Tochter, eine zaͤrtliche Mutter und eine auf- merkſame Hauswirthin gemacht. Keine Hochachtung kan groͤſ- ſer ſeyn, als die, ſo ſie der ungelenken Taͤnzerin bezeiget, der freylich die Schulterknochen nicht ſo abgeruͤndet ſind als an- dern, da ſie einen Keſſel von zween Eymern raſch aufs Feuer bringt; und alles mit angreift was in der Haushaltung vor- kommt, die aber doch durch ihr gutes und gefaͤlliges Weſen ei- nen jeden einzunehmen weis. Wenn eine ſolche Perſon mit eben der Feinheit tanzen ſollte, womit ihr Mad. Tochter tanzt: ſo wuͤrde dieſes in Wahrheit zu viel gefordert ſeyn. Fuͤr ſie iſt es ein Ruhm ſchlecht zu tanzen und gut Haus zu halten; fuͤr andre aber, die es nicht noͤthig haben, ſich um Kuͤche und Keller zu bekuͤmmern, und die wegen ihrer Geburt das elende Privilegium haben, muͤßig zu gehen, iſt es umgekehrt. Sie hat jetzt viele Praͤtendenten, und unter dieſen iſt der Herr Oberamtmann zu ....... Was, rief die Frau Oberamtmaͤnnin, dieſer ſollte ein Auge auf ſie haben, das kan ich unmoͤglich glauben. Er hat bisher meiner Tochter die Aufwartung gemacht, und ich will doch nimmer hoffen, daß er ſie nur zum Beſten habe. In dem

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/97>, abgerufen am 29.03.2024.