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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Der Unterschied zwischen der gerichtlichen
Gottes und zum Vortheil des Curaten anzuwenden. Al-
lein so wenig dieses gedultet, und so wenig es auch der
hiesiegen Frau Curatin nachgesehen werden sollte, daß sie
den Leuten, welche ihr Eyer und Butter bringen, ein Bit-
ters, was doch weiter nichts ist, als Brantewein auf wilde
Castanien gesetzt, schenkt: eben so wenig mag auch unter
Euer K. M. gerechtesten Regierung dem hiesigen Unfuge
nachgesehen werden, wofern nicht ich und alle Schutzjuden,
denen solchergestalt der empfindlichste Eingriff geschiehet,
mit der Zeit das Land verlaufen sollen.

An Allerhöchstdieselbe ergeht demnach meine allerunter-
thänigste Bitte, diesem gemeinschädlichen Aergerniß von
Amtswegen allergerechtest abhelfen zu lassen.



XXIV.
Der Unterschied zwischen der gerichtlichen
und aussergerichtlichen Hülfe
*).

Das Recht des Stärkern ist noch immer eine gute Sa-
che; und wenn ich zu meinem bösen Nachbar sagen
kann: Kerl bleib mir mit deinen Schaafen von meinen
Rüben, oder ich lasse sie herunter prügeln, daß die Wolle

davon
*) Im Stifte Oßnabrück haben die Regierung und die Beamte
keine Gerichtsbarkeit; auch ist die geistliche Gerichtsbarkeit da-
selbst von der weltlichen getrennet. Der Verfasser will also in
diesem Stücke zeigen, daß wenn gleich die weltliche Obrigkeit
sich nicht als Richter in geistliche Sachen mischen; und Regie-
rung und Beamte keine Sachen richterlich entscheiden könnne,
derselben doch allemal das Vertheidigungs- und Widerstandsrecht
gegen alle unbefugte Anmassungen gebühre, und als eine Pflicht
obliegt. Man nennet dieses in den Rechten: protentio regia vi
oppressorum.

Der Unterſchied zwiſchen der gerichtlichen
Gottes und zum Vortheil des Curaten anzuwenden. Al-
lein ſo wenig dieſes gedultet, und ſo wenig es auch der
hieſiegen Frau Curatin nachgeſehen werden ſollte, daß ſie
den Leuten, welche ihr Eyer und Butter bringen, ein Bit-
ters, was doch weiter nichts iſt, als Brantewein auf wilde
Caſtanien geſetzt, ſchenkt: eben ſo wenig mag auch unter
Euer K. M. gerechteſten Regierung dem hieſigen Unfuge
nachgeſehen werden, wofern nicht ich und alle Schutzjuden,
denen ſolchergeſtalt der empfindlichſte Eingriff geſchiehet,
mit der Zeit das Land verlaufen ſollen.

An Allerhoͤchſtdieſelbe ergeht demnach meine allerunter-
thaͤnigſte Bitte, dieſem gemeinſchaͤdlichen Aergerniß von
Amtswegen allergerechteſt abhelfen zu laſſen.



XXIV.
Der Unterſchied zwiſchen der gerichtlichen
und auſſergerichtlichen Huͤlfe
*).

Das Recht des Staͤrkern iſt noch immer eine gute Sa-
che; und wenn ich zu meinem boͤſen Nachbar ſagen
kann: Kerl bleib mir mit deinen Schaafen von meinen
Ruͤben, oder ich laſſe ſie herunter pruͤgeln, daß die Wolle

davon
*) Im Stifte Oßnabruͤck haben die Regierung und die Beamte
keine Gerichtsbarkeit; auch iſt die geiſtliche Gerichtsbarkeit da-
ſelbſt von der weltlichen getrennet. Der Verfaſſer will alſo in
dieſem Stuͤcke zeigen, daß wenn gleich die weltliche Obrigkeit
ſich nicht als Richter in geiſtliche Sachen miſchen; und Regie-
rung und Beamte keine Sachen richterlich entſcheiden koͤnnne,
derſelben doch allemal das Vertheidigungs- und Widerſtandsrecht
gegen alle unbefugte Anmaſſungen gebuͤhre, und als eine Pflicht
obliegt. Man nennet dieſes in den Rechten: protentio regia vi
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[110/0124] Der Unterſchied zwiſchen der gerichtlichen Gottes und zum Vortheil des Curaten anzuwenden. Al- lein ſo wenig dieſes gedultet, und ſo wenig es auch der hieſiegen Frau Curatin nachgeſehen werden ſollte, daß ſie den Leuten, welche ihr Eyer und Butter bringen, ein Bit- ters, was doch weiter nichts iſt, als Brantewein auf wilde Caſtanien geſetzt, ſchenkt: eben ſo wenig mag auch unter Euer K. M. gerechteſten Regierung dem hieſigen Unfuge nachgeſehen werden, wofern nicht ich und alle Schutzjuden, denen ſolchergeſtalt der empfindlichſte Eingriff geſchiehet, mit der Zeit das Land verlaufen ſollen. An Allerhoͤchſtdieſelbe ergeht demnach meine allerunter- thaͤnigſte Bitte, dieſem gemeinſchaͤdlichen Aergerniß von Amtswegen allergerechteſt abhelfen zu laſſen. XXIV. Der Unterſchied zwiſchen der gerichtlichen und auſſergerichtlichen Huͤlfe *). Das Recht des Staͤrkern iſt noch immer eine gute Sa- che; und wenn ich zu meinem boͤſen Nachbar ſagen kann: Kerl bleib mir mit deinen Schaafen von meinen Ruͤben, oder ich laſſe ſie herunter pruͤgeln, daß die Wolle davon *) Im Stifte Oßnabruͤck haben die Regierung und die Beamte keine Gerichtsbarkeit; auch iſt die geiſtliche Gerichtsbarkeit da- ſelbſt von der weltlichen getrennet. Der Verfaſſer will alſo in dieſem Stuͤcke zeigen, daß wenn gleich die weltliche Obrigkeit ſich nicht als Richter in geiſtliche Sachen miſchen; und Regie- rung und Beamte keine Sachen richterlich entſcheiden koͤnnne, derſelben doch allemal das Vertheidigungs- und Widerſtandsrecht gegen alle unbefugte Anmaſſungen gebuͤhre, und als eine Pflicht obliegt. Man nennet dieſes in den Rechten: protentio regia vi oppreſſorum.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/124>, abgerufen am 24.04.2024.