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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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und aussergerichtlichen Hülfe.
davon fliegen soll: so kann er mir doch nicht darauf kom-
men, ohne sich mit einem richterlichen Befehle zu versehen,
und ehe er diesen auf fünf Meile Weges einholet; so be-
denkt er sich vielleicht noch unterwegens und findet meine
Rüben für dasmal bitter.

Aber auf diese Weise mögte jemand denken, sey der
arme geringe Unterthan, der doch immer am ersten gedrückt
werde, am übelsten daran, besonders wo er mit einem un-
mittelbaren Reichssassen zu thun hätte, gegen welchen er
die richterliche Hülfe etwas weiter als auf fünf Meilen su-
chen müste. Nun freylich wer mit einem stärkern zu käm-
pfen hat, ist allemal übel daran. Allein es ist denn doch
auch noch ausser der richterlichen Hülfe überall eine Macht
vorhanden, die dem bedrückten Schwächern zur Stelle bey-
springen, und den Stärkern nöthigen kann, den gebahnten
Weg Rechtens einzuschlagen. Diese heißt nach Beschaffen-
heit der Umstände Kaysers-Königs-Fürsten oder Amts-
schutz; und besteht in einer aussergerichtlichen Hülfe, welche
dem Schwächern im Staate zu dem Ende geleistet wird, da-
mit der Stärkere von Eigenthaten abstehen, und sich zu sei-
nes Gegners Richter wenden solle. Es ist die nemliche
Macht, deren jeder sich selbst bedienen könnte, wenn er der
Stärkste wäre; es ist die Vereinigung vieler Schwächern un-
ter der Anführung eines Obern. Es ist das Gebot und
Verbot, was den Ruhestand bis zur richterlichen Verfü-
gung erhält.

Wollte es der Stärkere übel nehmen, daß sich ihm sol-
chergestalt ein Schutzvogt entgegen stellt: so dürfte dieser
nur seine Hand abziehen, und dem Schwächern die Macht
sich mit dem andern seines gleichen zu vereinigen und zu
wehren, erlauben, eine Macht, deren er sich mit eben
dem Rechte bedienen könnte, womit der Stärkere seine

eignen

und auſſergerichtlichen Huͤlfe.
davon fliegen ſoll: ſo kann er mir doch nicht darauf kom-
men, ohne ſich mit einem richterlichen Befehle zu verſehen,
und ehe er dieſen auf fuͤnf Meile Weges einholet; ſo be-
denkt er ſich vielleicht noch unterwegens und findet meine
Ruͤben fuͤr dasmal bitter.

Aber auf dieſe Weiſe moͤgte jemand denken, ſey der
arme geringe Unterthan, der doch immer am erſten gedruͤckt
werde, am uͤbelſten daran, beſonders wo er mit einem un-
mittelbaren Reichsſaſſen zu thun haͤtte, gegen welchen er
die richterliche Huͤlfe etwas weiter als auf fuͤnf Meilen ſu-
chen muͤſte. Nun freylich wer mit einem ſtaͤrkern zu kaͤm-
pfen hat, iſt allemal uͤbel daran. Allein es iſt denn doch
auch noch auſſer der richterlichen Huͤlfe uͤberall eine Macht
vorhanden, die dem bedruͤckten Schwaͤchern zur Stelle bey-
ſpringen, und den Staͤrkern noͤthigen kann, den gebahnten
Weg Rechtens einzuſchlagen. Dieſe heißt nach Beſchaffen-
heit der Umſtaͤnde Kayſers-Koͤnigs-Fuͤrſten oder Amts-
ſchutz; und beſteht in einer auſſergerichtlichen Huͤlfe, welche
dem Schwaͤchern im Staate zu dem Ende geleiſtet wird, da-
mit der Staͤrkere von Eigenthaten abſtehen, und ſich zu ſei-
nes Gegners Richter wenden ſolle. Es iſt die nemliche
Macht, deren jeder ſich ſelbſt bedienen koͤnnte, wenn er der
Staͤrkſte waͤre; es iſt die Vereinigung vieler Schwaͤchern un-
ter der Anfuͤhrung eines Obern. Es iſt das Gebot und
Verbot, was den Ruheſtand bis zur richterlichen Verfuͤ-
gung erhaͤlt.

Wollte es der Staͤrkere uͤbel nehmen, daß ſich ihm ſol-
chergeſtalt ein Schutzvogt entgegen ſtellt: ſo duͤrfte dieſer
nur ſeine Hand abziehen, und dem Schwaͤchern die Macht
ſich mit dem andern ſeines gleichen zu vereinigen und zu
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[111/0125] und auſſergerichtlichen Huͤlfe. davon fliegen ſoll: ſo kann er mir doch nicht darauf kom- men, ohne ſich mit einem richterlichen Befehle zu verſehen, und ehe er dieſen auf fuͤnf Meile Weges einholet; ſo be- denkt er ſich vielleicht noch unterwegens und findet meine Ruͤben fuͤr dasmal bitter. Aber auf dieſe Weiſe moͤgte jemand denken, ſey der arme geringe Unterthan, der doch immer am erſten gedruͤckt werde, am uͤbelſten daran, beſonders wo er mit einem un- mittelbaren Reichsſaſſen zu thun haͤtte, gegen welchen er die richterliche Huͤlfe etwas weiter als auf fuͤnf Meilen ſu- chen muͤſte. Nun freylich wer mit einem ſtaͤrkern zu kaͤm- pfen hat, iſt allemal uͤbel daran. Allein es iſt denn doch auch noch auſſer der richterlichen Huͤlfe uͤberall eine Macht vorhanden, die dem bedruͤckten Schwaͤchern zur Stelle bey- ſpringen, und den Staͤrkern noͤthigen kann, den gebahnten Weg Rechtens einzuſchlagen. Dieſe heißt nach Beſchaffen- heit der Umſtaͤnde Kayſers-Koͤnigs-Fuͤrſten oder Amts- ſchutz; und beſteht in einer auſſergerichtlichen Huͤlfe, welche dem Schwaͤchern im Staate zu dem Ende geleiſtet wird, da- mit der Staͤrkere von Eigenthaten abſtehen, und ſich zu ſei- nes Gegners Richter wenden ſolle. Es iſt die nemliche Macht, deren jeder ſich ſelbſt bedienen koͤnnte, wenn er der Staͤrkſte waͤre; es iſt die Vereinigung vieler Schwaͤchern un- ter der Anfuͤhrung eines Obern. Es iſt das Gebot und Verbot, was den Ruheſtand bis zur richterlichen Verfuͤ- gung erhaͤlt. Wollte es der Staͤrkere uͤbel nehmen, daß ſich ihm ſol- chergeſtalt ein Schutzvogt entgegen ſtellt: ſo duͤrfte dieſer nur ſeine Hand abziehen, und dem Schwaͤchern die Macht ſich mit dem andern ſeines gleichen zu vereinigen und zu wehren, erlauben, eine Macht, deren er ſich mit eben dem Rechte bedienen koͤnnte, womit der Staͤrkere ſeine eignen

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/125>, abgerufen am 29.03.2024.