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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Keine Satyren über ganze Stände.
die den Steuerbaren nichts kostet. Allein durch jene Art
von Angriffen, welche einem ganzen Stande die Fehler
seiner Mitglieder, sollten dieselbigen auch noch so gegrün-
det seyn, aufrücken, verschüttet man diese edle Quelle;
man zwingt diejenigen, die einen verachteten Stand ergrei-
fen, sich wegen ihrer Verachtung aufs theureste schadlos
zu halten, und nur blos um schnöden Gewinnst zu dienen.
Man setzt den Staat in die Nothwendigkeit, scharfe Mittel
zu ergreifen, und sich den Vorwurf eines despotischen Ver-
fahrens zuzuziehen; man fährt bey dem allen mit hartmäu-
ligt gemachten Pferden schlechter wie mit muthigen und em-
pfindlichen, und beladet sich endlich selbst mit allen den
üblen Folgen, die aus dem daraus entstehenden Verder-
ben Stromweise fliessen. Die moralischen Stände der
Menschen, als den Stand der Geitzigen, der Verschwen-
derischen und anderer Lasterhaften kann man immerhin an-
greifen, aber nicht den bürgerlichen.

Ohnfehlbar hatten Sie die gute Absicht zu bessern.
Urtheilen Sie aber jetzt seldst, ob Sie glücklich in der Wahl
der Mittel gewesen, da Sie den jetzigen Vogt, der eben
so gut, wie in benachbarten Landen, Amtmann heissen
könnte, wenn man hier nicht mit der Ehre ökonomischer
umgehen müste, von derjenigen Seite gezeigt haben, wel-
che der Ihrige Preiß giebt. Urtheilen Sie selbst, ob nicht
auch so gar in dem Falle, da der gröste Theil, eben so
schlecht wäre, ihr Verfahren so ungerecht als unpolitisch
zu nennen sey.



XXIX.

Keine Satyren uͤber ganze Staͤnde.
die den Steuerbaren nichts koſtet. Allein durch jene Art
von Angriffen, welche einem ganzen Stande die Fehler
ſeiner Mitglieder, ſollten dieſelbigen auch noch ſo gegruͤn-
det ſeyn, aufruͤcken, verſchuͤttet man dieſe edle Quelle;
man zwingt diejenigen, die einen verachteten Stand ergrei-
fen, ſich wegen ihrer Verachtung aufs theureſte ſchadlos
zu halten, und nur blos um ſchnoͤden Gewinnſt zu dienen.
Man ſetzt den Staat in die Nothwendigkeit, ſcharfe Mittel
zu ergreifen, und ſich den Vorwurf eines deſpotiſchen Ver-
fahrens zuzuziehen; man faͤhrt bey dem allen mit hartmaͤu-
ligt gemachten Pferden ſchlechter wie mit muthigen und em-
pfindlichen, und beladet ſich endlich ſelbſt mit allen den
uͤblen Folgen, die aus dem daraus entſtehenden Verder-
ben Stromweiſe flieſſen. Die moraliſchen Staͤnde der
Menſchen, als den Stand der Geitzigen, der Verſchwen-
deriſchen und anderer Laſterhaften kann man immerhin an-
greifen, aber nicht den buͤrgerlichen.

Ohnfehlbar hatten Sie die gute Abſicht zu beſſern.
Urtheilen Sie aber jetzt ſeldſt, ob Sie gluͤcklich in der Wahl
der Mittel geweſen, da Sie den jetzigen Vogt, der eben
ſo gut, wie in benachbarten Landen, Amtmann heiſſen
koͤnnte, wenn man hier nicht mit der Ehre oͤkonomiſcher
umgehen muͤſte, von derjenigen Seite gezeigt haben, wel-
che der Ihrige Preiß giebt. Urtheilen Sie ſelbſt, ob nicht
auch ſo gar in dem Falle, da der groͤſte Theil, eben ſo
ſchlecht waͤre, ihr Verfahren ſo ungerecht als unpolitiſch
zu nennen ſey.



XXIX.
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[124/0138] Keine Satyren uͤber ganze Staͤnde. die den Steuerbaren nichts koſtet. Allein durch jene Art von Angriffen, welche einem ganzen Stande die Fehler ſeiner Mitglieder, ſollten dieſelbigen auch noch ſo gegruͤn- det ſeyn, aufruͤcken, verſchuͤttet man dieſe edle Quelle; man zwingt diejenigen, die einen verachteten Stand ergrei- fen, ſich wegen ihrer Verachtung aufs theureſte ſchadlos zu halten, und nur blos um ſchnoͤden Gewinnſt zu dienen. Man ſetzt den Staat in die Nothwendigkeit, ſcharfe Mittel zu ergreifen, und ſich den Vorwurf eines deſpotiſchen Ver- fahrens zuzuziehen; man faͤhrt bey dem allen mit hartmaͤu- ligt gemachten Pferden ſchlechter wie mit muthigen und em- pfindlichen, und beladet ſich endlich ſelbſt mit allen den uͤblen Folgen, die aus dem daraus entſtehenden Verder- ben Stromweiſe flieſſen. Die moraliſchen Staͤnde der Menſchen, als den Stand der Geitzigen, der Verſchwen- deriſchen und anderer Laſterhaften kann man immerhin an- greifen, aber nicht den buͤrgerlichen. Ohnfehlbar hatten Sie die gute Abſicht zu beſſern. Urtheilen Sie aber jetzt ſeldſt, ob Sie gluͤcklich in der Wahl der Mittel geweſen, da Sie den jetzigen Vogt, der eben ſo gut, wie in benachbarten Landen, Amtmann heiſſen koͤnnte, wenn man hier nicht mit der Ehre oͤkonomiſcher umgehen muͤſte, von derjenigen Seite gezeigt haben, wel- che der Ihrige Preiß giebt. Urtheilen Sie ſelbſt, ob nicht auch ſo gar in dem Falle, da der groͤſte Theil, eben ſo ſchlecht waͤre, ihr Verfahren ſo ungerecht als unpolitiſch zu nennen ſey. XXIX.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/138>, abgerufen am 19.04.2024.