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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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für die Handwerkspurschen nöthig?

Ich höre, das Lernen und Studiren wird jetzt so leicht
gemacht, man sieht dabey so viel auf die Erhaltung eines
gesunden Körpers; es wird so ernstlich dafür gesorgt, daß
die Kinder in gewissen Stunden auch spielen müssen, und
die ganze menschliche Gesellschaft scheinet diese Bemühungen
auf einmal so groß zu finden, daß ich mir schmeichle die
Reihe der Aufmerksamkeit werde auch endlich uns arme
Handwerker treffen, und der Mann mit dem eisernen Zep-
ter, welcher uns allen Acker und Gartenbau entzogen, und
das grausame Gesetz gegeben hat, daß ein Handwerksmann
ohne alle Abwechselung seinem Geschäfte obliegen soll, von
seinem Throne verstossen werden.

Die Handwerksburschen machen gewiß einen beträcht-
lichern Theil des menschlichen Geschlechts aus, als die
studirenden Gesellen; und ich getraue mir zu sagen, daß
die Welt jene nöthiger als diese habe. Wie kann man es
dann mit gelassenen Augen ausehen, daß so viele hübsche
junge Leute aus den Stuben der Perukenmacher eine frühe
Schwindsucht holen? oder in den Werkstätten krumm zu-
sammen wachsen? und womit will die Verschwendung so
grosse Opfer vor Gott rechtfertigen? Sollte nicht jeder
Mensch so erzogen werden, daß er seine völlige Gesundheit
behielte? und sollten sich nicht alle Menschenfreunde verei-
einigen, um einen solchem Uebel, was die Menschheit in ih-
ren edelsten Theilen angreift, ein mächtiges Ziel zu setzen?

Ich erinnere mich zwar wohl, daß sie mir schon ein-
mahl geantwortet haben, der Mensch sey blos zum Säen
und Pflanzen erschaffen; dieses sey sein natürlicher Beruf,
wobey er allein völlig gesund und stark bliebe; der Stand
aller gelehrten und ungelehrten Stubensitzer sey eben der-
jenige nicht, welchen man zur Zucht verlangte, und man
könnte das Ackerbauende Geschlecht immer mit einer klei-

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fuͤr die Handwerkspurſchen noͤthig?

Ich hoͤre, das Lernen und Studiren wird jetzt ſo leicht
gemacht, man ſieht dabey ſo viel auf die Erhaltung eines
geſunden Koͤrpers; es wird ſo ernſtlich dafuͤr geſorgt, daß
die Kinder in gewiſſen Stunden auch ſpielen muͤſſen, und
die ganze menſchliche Geſellſchaft ſcheinet dieſe Bemuͤhungen
auf einmal ſo groß zu finden, daß ich mir ſchmeichle die
Reihe der Aufmerkſamkeit werde auch endlich uns arme
Handwerker treffen, und der Mann mit dem eiſernen Zep-
ter, welcher uns allen Acker und Gartenbau entzogen, und
das grauſame Geſetz gegeben hat, daß ein Handwerksmann
ohne alle Abwechſelung ſeinem Geſchaͤfte obliegen ſoll, von
ſeinem Throne verſtoſſen werden.

Die Handwerksburſchen machen gewiß einen betraͤcht-
lichern Theil des menſchlichen Geſchlechts aus, als die
ſtudirenden Geſellen; und ich getraue mir zu ſagen, daß
die Welt jene noͤthiger als dieſe habe. Wie kann man es
dann mit gelaſſenen Augen auſehen, daß ſo viele huͤbſche
junge Leute aus den Stuben der Perukenmacher eine fruͤhe
Schwindſucht holen? oder in den Werkſtaͤtten krumm zu-
ſammen wachſen? und womit will die Verſchwendung ſo
groſſe Opfer vor Gott rechtfertigen? Sollte nicht jeder
Menſch ſo erzogen werden, daß er ſeine voͤllige Geſundheit
behielte? und ſollten ſich nicht alle Menſchenfreunde verei-
einigen, um einen ſolchem Uebel, was die Menſchheit in ih-
ren edelſten Theilen angreift, ein maͤchtiges Ziel zu ſetzen?

Ich erinnere mich zwar wohl, daß ſie mir ſchon ein-
mahl geantwortet haben, der Menſch ſey blos zum Saͤen
und Pflanzen erſchaffen; dieſes ſey ſein natuͤrlicher Beruf,
wobey er allein voͤllig geſund und ſtark bliebe; der Stand
aller gelehrten und ungelehrten Stubenſitzer ſey eben der-
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[137/0151] fuͤr die Handwerkspurſchen noͤthig? Ich hoͤre, das Lernen und Studiren wird jetzt ſo leicht gemacht, man ſieht dabey ſo viel auf die Erhaltung eines geſunden Koͤrpers; es wird ſo ernſtlich dafuͤr geſorgt, daß die Kinder in gewiſſen Stunden auch ſpielen muͤſſen, und die ganze menſchliche Geſellſchaft ſcheinet dieſe Bemuͤhungen auf einmal ſo groß zu finden, daß ich mir ſchmeichle die Reihe der Aufmerkſamkeit werde auch endlich uns arme Handwerker treffen, und der Mann mit dem eiſernen Zep- ter, welcher uns allen Acker und Gartenbau entzogen, und das grauſame Geſetz gegeben hat, daß ein Handwerksmann ohne alle Abwechſelung ſeinem Geſchaͤfte obliegen ſoll, von ſeinem Throne verſtoſſen werden. Die Handwerksburſchen machen gewiß einen betraͤcht- lichern Theil des menſchlichen Geſchlechts aus, als die ſtudirenden Geſellen; und ich getraue mir zu ſagen, daß die Welt jene noͤthiger als dieſe habe. Wie kann man es dann mit gelaſſenen Augen auſehen, daß ſo viele huͤbſche junge Leute aus den Stuben der Perukenmacher eine fruͤhe Schwindſucht holen? oder in den Werkſtaͤtten krumm zu- ſammen wachſen? und womit will die Verſchwendung ſo groſſe Opfer vor Gott rechtfertigen? Sollte nicht jeder Menſch ſo erzogen werden, daß er ſeine voͤllige Geſundheit behielte? und ſollten ſich nicht alle Menſchenfreunde verei- einigen, um einen ſolchem Uebel, was die Menſchheit in ih- ren edelſten Theilen angreift, ein maͤchtiges Ziel zu ſetzen? Ich erinnere mich zwar wohl, daß ſie mir ſchon ein- mahl geantwortet haben, der Menſch ſey blos zum Saͤen und Pflanzen erſchaffen; dieſes ſey ſein natuͤrlicher Beruf, wobey er allein voͤllig geſund und ſtark bliebe; der Stand aller gelehrten und ungelehrten Stubenſitzer ſey eben der- jenige nicht, welchen man zur Zucht verlangte, und man koͤnnte das Ackerbauende Geſchlecht immer mit einer klei- nen J 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/151>, abgerufen am 16.04.2024.