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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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sind in ihrem Plan die besten.
beobachtet wiederum Keller, Boden und Kammer. Wenn
sie im Kindbette liegt, kann sie noch einen Theil dieser häus-
lichen Pflichten aus dieser ihrer Schlafstelle wahrnehmen.
Jede zufällige Arbeit bleibt ebenfalls in der Kette der übri-
gen. So wie das Vieh gefüttert und die Dresche gewandt
ist, kann sie hinter ihrem Spinnrade ausruhen, anstatt
daß in andern Orten, wo die Leute in Stuben sitzen, so
oft die Hausthür aufgeht, jemand aus der Stube dem
Fremden entgegen gehen, ihn wieder aus dem Hause füh-
ren und seine Arbeit so lange versäumen muß. Der Platz
bey dem Heerde ist der schönste unter allen. Und wer den
Heerd der Feuersgefahr halber von der Aussicht auf die
Deele absondert, beraubt sich unendlicher Vortheile. Er
kann sodenn nicht sehen, was der Knecht schneidet, und
die Magd futtert. Er hört die Stimme seines Viehes nicht
mehr. Die Einfurth wird ein Schleichloch des Gesindes,
seine ganze Aussicht vom Stuhle hinterm Rade am Feuer
geht verlohren, und wer vollends seine Pferde in einem be-
sondern Stalle, seine Kühe in einem andern, und seine
Schweine im dritten hat; und in einem eigenen Gebäude
drischt, der hat zehnmal so viel Wände und Dächer zu un-
terhalten, und muß den ganzen Tag mit Besichtigen und
Aufsicht haben zubringen.

Ein rings umher niedriges Strohdach schützt hier die
allezeit schwachen Wände, hält den Lehm trocken, wärmt
Haus und Vieh, und wird mit leichter Mühe von dem Wir-
the selbst gebessert. Ein grosses Vordach schützt das Haus
nach Westen, und deckt zugleich die Schweinekoben, und
um endlich nichts zu verlieren, liegt der Mistpfal vor der
Ausfahrt wo angespannet wird. Kein Vitruv ist im Stan-
de, mehrere Vortheile zu vereinigen.

Bey
Mös. patr. Phant. III. Th. K

ſind in ihrem Plan die beſten.
beobachtet wiederum Keller, Boden und Kammer. Wenn
ſie im Kindbette liegt, kann ſie noch einen Theil dieſer haͤus-
lichen Pflichten aus dieſer ihrer Schlafſtelle wahrnehmen.
Jede zufaͤllige Arbeit bleibt ebenfalls in der Kette der uͤbri-
gen. So wie das Vieh gefuͤttert und die Dreſche gewandt
iſt, kann ſie hinter ihrem Spinnrade ausruhen, anſtatt
daß in andern Orten, wo die Leute in Stuben ſitzen, ſo
oft die Hausthuͤr aufgeht, jemand aus der Stube dem
Fremden entgegen gehen, ihn wieder aus dem Hauſe fuͤh-
ren und ſeine Arbeit ſo lange verſaͤumen muß. Der Platz
bey dem Heerde iſt der ſchoͤnſte unter allen. Und wer den
Heerd der Feuersgefahr halber von der Ausſicht auf die
Deele abſondert, beraubt ſich unendlicher Vortheile. Er
kann ſodenn nicht ſehen, was der Knecht ſchneidet, und
die Magd futtert. Er hoͤrt die Stimme ſeines Viehes nicht
mehr. Die Einfurth wird ein Schleichloch des Geſindes,
ſeine ganze Ausſicht vom Stuhle hinterm Rade am Feuer
geht verlohren, und wer vollends ſeine Pferde in einem be-
ſondern Stalle, ſeine Kuͤhe in einem andern, und ſeine
Schweine im dritten hat; und in einem eigenen Gebaͤude
driſcht, der hat zehnmal ſo viel Waͤnde und Daͤcher zu un-
terhalten, und muß den ganzen Tag mit Beſichtigen und
Aufſicht haben zubringen.

Ein rings umher niedriges Strohdach ſchuͤtzt hier die
allezeit ſchwachen Waͤnde, haͤlt den Lehm trocken, waͤrmt
Haus und Vieh, und wird mit leichter Muͤhe von dem Wir-
the ſelbſt gebeſſert. Ein groſſes Vordach ſchuͤtzt das Haus
nach Weſten, und deckt zugleich die Schweinekoben, und
um endlich nichts zu verlieren, liegt der Miſtpfal vor der
Ausfahrt wo angeſpannet wird. Kein Vitruv iſt im Stan-
de, mehrere Vortheile zu vereinigen.

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[145/0159] ſind in ihrem Plan die beſten. beobachtet wiederum Keller, Boden und Kammer. Wenn ſie im Kindbette liegt, kann ſie noch einen Theil dieſer haͤus- lichen Pflichten aus dieſer ihrer Schlafſtelle wahrnehmen. Jede zufaͤllige Arbeit bleibt ebenfalls in der Kette der uͤbri- gen. So wie das Vieh gefuͤttert und die Dreſche gewandt iſt, kann ſie hinter ihrem Spinnrade ausruhen, anſtatt daß in andern Orten, wo die Leute in Stuben ſitzen, ſo oft die Hausthuͤr aufgeht, jemand aus der Stube dem Fremden entgegen gehen, ihn wieder aus dem Hauſe fuͤh- ren und ſeine Arbeit ſo lange verſaͤumen muß. Der Platz bey dem Heerde iſt der ſchoͤnſte unter allen. Und wer den Heerd der Feuersgefahr halber von der Ausſicht auf die Deele abſondert, beraubt ſich unendlicher Vortheile. Er kann ſodenn nicht ſehen, was der Knecht ſchneidet, und die Magd futtert. Er hoͤrt die Stimme ſeines Viehes nicht mehr. Die Einfurth wird ein Schleichloch des Geſindes, ſeine ganze Ausſicht vom Stuhle hinterm Rade am Feuer geht verlohren, und wer vollends ſeine Pferde in einem be- ſondern Stalle, ſeine Kuͤhe in einem andern, und ſeine Schweine im dritten hat; und in einem eigenen Gebaͤude driſcht, der hat zehnmal ſo viel Waͤnde und Daͤcher zu un- terhalten, und muß den ganzen Tag mit Beſichtigen und Aufſicht haben zubringen. Ein rings umher niedriges Strohdach ſchuͤtzt hier die allezeit ſchwachen Waͤnde, haͤlt den Lehm trocken, waͤrmt Haus und Vieh, und wird mit leichter Muͤhe von dem Wir- the ſelbſt gebeſſert. Ein groſſes Vordach ſchuͤtzt das Haus nach Weſten, und deckt zugleich die Schweinekoben, und um endlich nichts zu verlieren, liegt der Miſtpfal vor der Ausfahrt wo angeſpannet wird. Kein Vitruv iſt im Stan- de, mehrere Vortheile zu vereinigen. Bey Moͤſ. patr. Phant. III. Th. K

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/159>, abgerufen am 29.03.2024.