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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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Von dem wichtigen Unterschied
gelassen wurden, mit allen was von ihnen gebohren wurde,
dem Vater hörig. Die Deutschen hingegen hatten diesen
Begriff aus dem Hausstande in die Staatsverfassung über-
tragen, und nach derselben konnte auch ein Herr ein gan-
zes Gefolge von Suis halten, welche ihm eben so hörig, wie
einem römischen Vater seine ungefreyeten Kinder waren.
Sie nenneten dergleichen Leute gemeiniglich Liti oder Li-
tones.

Die Hörigkeit bey den Römern hinderte den Sohn
nicht an Ehren und Würden, nur die höchsten Würden ver-
trugen sich nicht damit, weil es für die gemeine Freyheit
gefährlich gewesen seyn würde, wenn z. E. Männer, wel-
che die wichtigsten Aemter bekleideten, in eines andern Hö-
rigkeit geblieben wären. Die Freylassung aus der Hörig-
keit (emancipatio) machte keinen zum eigentlichen Freyge-
lassenen (libertum), sondern unmittelbar zum römischen
Bürger. Ein römischer Vater konnte seinen Sohn ver-
kaufen, nicht für Knecht, sondern für einem Suum, und
der Käufer erhielt über ihn nicht die Rechte eines Herrn,
sondern die Rechte der Suitaet.

Eben so waren die Rechte der deutschen Hörigkeit be-
schaffen. Ein höriger Mann konnte zu ritterlichen Ehren
und Würden gelangen. Wenn er der Hörigkeit entlassen
wurde, erhielt er freyer Landsassen Recht; und wann sein
Dienstherr ihn verkaufte oder verwechselte, muste solches
in eine gleiche Hörigkeit geschehn, er war nicht befugt ihn
in die Knechtschaft, oder auch nur eine minder edle Hörig-
keit hinzugeben.

Alles dieses läßt sich von dem römischen Knechte und
deutschen Leibeigenen nicht sagen. Ehre und Würde vertra-
gen sich mit ihrem Stande nicht; sie erhielten, wenn sie
freygelassen wurden, lange Zeit kein Bürgerrecht, und

man

Von dem wichtigen Unterſchied
gelaſſen wurden, mit allen was von ihnen gebohren wurde,
dem Vater hoͤrig. Die Deutſchen hingegen hatten dieſen
Begriff aus dem Hausſtande in die Staatsverfaſſung uͤber-
tragen, und nach derſelben konnte auch ein Herr ein gan-
zes Gefolge von Suis halten, welche ihm eben ſo hoͤrig, wie
einem roͤmiſchen Vater ſeine ungefreyeten Kinder waren.
Sie nenneten dergleichen Leute gemeiniglich Liti oder Li-
tones.

Die Hoͤrigkeit bey den Roͤmern hinderte den Sohn
nicht an Ehren und Wuͤrden, nur die hoͤchſten Wuͤrden ver-
trugen ſich nicht damit, weil es fuͤr die gemeine Freyheit
gefaͤhrlich geweſen ſeyn wuͤrde, wenn z. E. Maͤnner, wel-
che die wichtigſten Aemter bekleideten, in eines andern Hoͤ-
rigkeit geblieben waͤren. Die Freylaſſung aus der Hoͤrig-
keit (emancipatio) machte keinen zum eigentlichen Freyge-
laſſenen (libertum), ſondern unmittelbar zum roͤmiſchen
Buͤrger. Ein roͤmiſcher Vater konnte ſeinen Sohn ver-
kaufen, nicht fuͤr Knecht, ſondern fuͤr einem Suum, und
der Kaͤufer erhielt uͤber ihn nicht die Rechte eines Herrn,
ſondern die Rechte der Suitaet.

Eben ſo waren die Rechte der deutſchen Hoͤrigkeit be-
ſchaffen. Ein hoͤriger Mann konnte zu ritterlichen Ehren
und Wuͤrden gelangen. Wenn er der Hoͤrigkeit entlaſſen
wurde, erhielt er freyer Landſaſſen Recht; und wann ſein
Dienſtherr ihn verkaufte oder verwechſelte, muſte ſolches
in eine gleiche Hoͤrigkeit geſchehn, er war nicht befugt ihn
in die Knechtſchaft, oder auch nur eine minder edle Hoͤrig-
keit hinzugeben.

Alles dieſes laͤßt ſich von dem roͤmiſchen Knechte und
deutſchen Leibeigenen nicht ſagen. Ehre und Wuͤrde vertra-
gen ſich mit ihrem Stande nicht; ſie erhielten, wenn ſie
freygelaſſen wurden, lange Zeit kein Buͤrgerrecht, und

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[188/0202] Von dem wichtigen Unterſchied gelaſſen wurden, mit allen was von ihnen gebohren wurde, dem Vater hoͤrig. Die Deutſchen hingegen hatten dieſen Begriff aus dem Hausſtande in die Staatsverfaſſung uͤber- tragen, und nach derſelben konnte auch ein Herr ein gan- zes Gefolge von Suis halten, welche ihm eben ſo hoͤrig, wie einem roͤmiſchen Vater ſeine ungefreyeten Kinder waren. Sie nenneten dergleichen Leute gemeiniglich Liti oder Li- tones. Die Hoͤrigkeit bey den Roͤmern hinderte den Sohn nicht an Ehren und Wuͤrden, nur die hoͤchſten Wuͤrden ver- trugen ſich nicht damit, weil es fuͤr die gemeine Freyheit gefaͤhrlich geweſen ſeyn wuͤrde, wenn z. E. Maͤnner, wel- che die wichtigſten Aemter bekleideten, in eines andern Hoͤ- rigkeit geblieben waͤren. Die Freylaſſung aus der Hoͤrig- keit (emancipatio) machte keinen zum eigentlichen Freyge- laſſenen (libertum), ſondern unmittelbar zum roͤmiſchen Buͤrger. Ein roͤmiſcher Vater konnte ſeinen Sohn ver- kaufen, nicht fuͤr Knecht, ſondern fuͤr einem Suum, und der Kaͤufer erhielt uͤber ihn nicht die Rechte eines Herrn, ſondern die Rechte der Suitaet. Eben ſo waren die Rechte der deutſchen Hoͤrigkeit be- ſchaffen. Ein hoͤriger Mann konnte zu ritterlichen Ehren und Wuͤrden gelangen. Wenn er der Hoͤrigkeit entlaſſen wurde, erhielt er freyer Landſaſſen Recht; und wann ſein Dienſtherr ihn verkaufte oder verwechſelte, muſte ſolches in eine gleiche Hoͤrigkeit geſchehn, er war nicht befugt ihn in die Knechtſchaft, oder auch nur eine minder edle Hoͤrig- keit hinzugeben. Alles dieſes laͤßt ſich von dem roͤmiſchen Knechte und deutſchen Leibeigenen nicht ſagen. Ehre und Wuͤrde vertra- gen ſich mit ihrem Stande nicht; ſie erhielten, wenn ſie freygelaſſen wurden, lange Zeit kein Buͤrgerrecht, und man

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/202>, abgerufen am 28.03.2024.