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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778.

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eines Begräbnisses nicht zu gefällig seyn.
den Menschen mit dem Bürger und Christen verwechselt?
heißt dieses nicht wiederum die Rechte der Menschheit über
die Bürgerlichen erheben, alle Stände und geschlossene Ge-
sellschaften vernichtigen, und die Menschen wie im Himmel,
also auch auf Erden, in gleiche Brüder und Erben verwan-
deln? Der Kirchhof ist das geheiligte Eigenthum einer
christlichen Gesellschaft, und wer sich nicht zum Mitglied
aufuehmen läßt, oder wenn er sich hat aufnehmen lassen,
seinen Verbindungen entsaget, hat daran nichts zu fordern.
Wer kein Bürger der Stadt Gottes ist, hat auch keine bür-
gerliche Rechte in derselben; die natürlichen werden keinem
versagt, und dem Menschenfreunde steht es frey seinem
Freunde eine Nuhestätte in seinem Garten zu geben. Das
könnte der nächste Freund des Entleibten auch thun, wenn
alles Vorurtheil wäre.

Zwar wäre es gut, wenn jene allgemeine Freyheit und
Glückseligkeit, welche einer feurigen Einbildung so manches
schimmerndes und auch würklich schönes Gemählde darbie-
tet, das Loos der Menschheit wäre, und das menschliche Ge-
schlecht nur eine Gesellschaft ausmachte. Da sie aber die-
ses nach der Natur des Menschen nicht seyn kann, und die
christlichen Policeygesetze in Ansehung der Kirchhöfe einen
guten und vortreflichen Nutzen haben: so glaube ich, daß
wir wohl thun, uns daran zu halten, und diejenigen, wel-
che auf die gehörige Weise für Unchristen erklärt sind, mit-
hin keinen Theil an den bürgerlichen Einrichtungen einer
christlichen Gesellschaft haben, von dem ihr Ausschliessungs-
weise zustehenden Kirchhofe auszuschliessen.



Also

eines Begraͤbniſſes nicht zu gefaͤllig ſeyn.
den Menſchen mit dem Buͤrger und Chriſten verwechſelt?
heißt dieſes nicht wiederum die Rechte der Menſchheit uͤber
die Buͤrgerlichen erheben, alle Staͤnde und geſchloſſene Ge-
ſellſchaften vernichtigen, und die Menſchen wie im Himmel,
alſo auch auf Erden, in gleiche Bruͤder und Erben verwan-
deln? Der Kirchhof iſt das geheiligte Eigenthum einer
chriſtlichen Geſellſchaft, und wer ſich nicht zum Mitglied
aufuehmen laͤßt, oder wenn er ſich hat aufnehmen laſſen,
ſeinen Verbindungen entſaget, hat daran nichts zu fordern.
Wer kein Buͤrger der Stadt Gottes iſt, hat auch keine buͤr-
gerliche Rechte in derſelben; die natuͤrlichen werden keinem
verſagt, und dem Menſchenfreunde ſteht es frey ſeinem
Freunde eine Nuheſtaͤtte in ſeinem Garten zu geben. Das
koͤnnte der naͤchſte Freund des Entleibten auch thun, wenn
alles Vorurtheil waͤre.

Zwar waͤre es gut, wenn jene allgemeine Freyheit und
Gluͤckſeligkeit, welche einer feurigen Einbildung ſo manches
ſchimmerndes und auch wuͤrklich ſchoͤnes Gemaͤhlde darbie-
tet, das Loos der Menſchheit waͤre, und das menſchliche Ge-
ſchlecht nur eine Geſellſchaft ausmachte. Da ſie aber die-
ſes nach der Natur des Menſchen nicht ſeyn kann, und die
chriſtlichen Policeygeſetze in Anſehung der Kirchhoͤfe einen
guten und vortreflichen Nutzen haben: ſo glaube ich, daß
wir wohl thun, uns daran zu halten, und diejenigen, wel-
che auf die gehoͤrige Weiſe fuͤr Unchriſten erklaͤrt ſind, mit-
hin keinen Theil an den buͤrgerlichen Einrichtungen einer
chriſtlichen Geſellſchaft haben, von dem ihr Ausſchlieſſungs-
weiſe zuſtehenden Kirchhofe auszuſchlieſſen.



Alſo
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[75/0089] eines Begraͤbniſſes nicht zu gefaͤllig ſeyn. den Menſchen mit dem Buͤrger und Chriſten verwechſelt? heißt dieſes nicht wiederum die Rechte der Menſchheit uͤber die Buͤrgerlichen erheben, alle Staͤnde und geſchloſſene Ge- ſellſchaften vernichtigen, und die Menſchen wie im Himmel, alſo auch auf Erden, in gleiche Bruͤder und Erben verwan- deln? Der Kirchhof iſt das geheiligte Eigenthum einer chriſtlichen Geſellſchaft, und wer ſich nicht zum Mitglied aufuehmen laͤßt, oder wenn er ſich hat aufnehmen laſſen, ſeinen Verbindungen entſaget, hat daran nichts zu fordern. Wer kein Buͤrger der Stadt Gottes iſt, hat auch keine buͤr- gerliche Rechte in derſelben; die natuͤrlichen werden keinem verſagt, und dem Menſchenfreunde ſteht es frey ſeinem Freunde eine Nuheſtaͤtte in ſeinem Garten zu geben. Das koͤnnte der naͤchſte Freund des Entleibten auch thun, wenn alles Vorurtheil waͤre. Zwar waͤre es gut, wenn jene allgemeine Freyheit und Gluͤckſeligkeit, welche einer feurigen Einbildung ſo manches ſchimmerndes und auch wuͤrklich ſchoͤnes Gemaͤhlde darbie- tet, das Loos der Menſchheit waͤre, und das menſchliche Ge- ſchlecht nur eine Geſellſchaft ausmachte. Da ſie aber die- ſes nach der Natur des Menſchen nicht ſeyn kann, und die chriſtlichen Policeygeſetze in Anſehung der Kirchhoͤfe einen guten und vortreflichen Nutzen haben: ſo glaube ich, daß wir wohl thun, uns daran zu halten, und diejenigen, wel- che auf die gehoͤrige Weiſe fuͤr Unchriſten erklaͤrt ſind, mit- hin keinen Theil an den buͤrgerlichen Einrichtungen einer chriſtlichen Geſellſchaft haben, von dem ihr Ausſchlieſſungs- weiſe zuſtehenden Kirchhofe auszuſchlieſſen. Alſo

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/89>, abgerufen am 24.04.2024.