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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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La Prude & la Coquette zu deutsch.
es ein neues Wort sey, was zur Zeit der Catherine von
Medicis zuerst gebraucht worden. Vorher gehörte jene
Art zu handlen, die einige böse Leute schon an der Eve
im Paradiese in ihrem Betragen gegen die Schlange be-
merkt haben wollen, unter die namenlosen Arten von
Thorheiten, deren es viele im menschlichen Leben giebet,
ohne daß sie noch ein Moralist mit einem eigentlichen Na-
men bezeichnet hat.

Wenn man nun dieses Wort nach seinem Ursprunge
ins Deutsche übersetzen wollte: so würde man dazu einen
ganz eigentlichen Ausdruck wählen, und etwa Hähnern
sagen müssen; so wie man von dem Moselweine sagt, er
moselt,
oder vom Knaster, er knastert. Allein dieses
Wort hat nicht die Mine, daß es sein Glück machen
werde; ich will also eins den Westfälingern abborgen,
das uns die Sache wohl auszudrucken scheint. Diese
sprechen: es ist ein fängres Mädgen, das Mädgen hat
fängere Augen, oder auch wohl, das Mädgen hat ein
Paar Fänger im Kopfe die sich gewaschen haben. Wie
wäre es also, wenn wir eine Coquette eine Fängerin, und
die Coquetterie Fängerey nenneten. Der wahre Begrif
einer Coquette ist doch dieser, daß sie immer auf den Fang
ausgeht. Ob im Ernst oder Scherz das muß zweydeutig
bleiben.



XXIX.

La Prude & la Coquette zu deutſch.
es ein neues Wort ſey, was zur Zeit der Catherine von
Medicis zuerſt gebraucht worden. Vorher gehoͤrte jene
Art zu handlen, die einige boͤſe Leute ſchon an der Eve
im Paradieſe in ihrem Betragen gegen die Schlange be-
merkt haben wollen, unter die namenloſen Arten von
Thorheiten, deren es viele im menſchlichen Leben giebet,
ohne daß ſie noch ein Moraliſt mit einem eigentlichen Na-
men bezeichnet hat.

Wenn man nun dieſes Wort nach ſeinem Urſprunge
ins Deutſche uͤberſetzen wollte: ſo wuͤrde man dazu einen
ganz eigentlichen Ausdruck waͤhlen, und etwa Haͤhnern
ſagen muͤſſen; ſo wie man von dem Moſelweine ſagt, er
moſelt,
oder vom Knaſter, er knaſtert. Allein dieſes
Wort hat nicht die Mine, daß es ſein Gluͤck machen
werde; ich will alſo eins den Weſtfaͤlingern abborgen,
das uns die Sache wohl auszudrucken ſcheint. Dieſe
ſprechen: es iſt ein faͤngres Maͤdgen, das Maͤdgen hat
faͤngere Augen, oder auch wohl, das Maͤdgen hat ein
Paar Faͤnger im Kopfe die ſich gewaſchen haben. Wie
waͤre es alſo, wenn wir eine Coquette eine Faͤngerin, und
die Coquetterie Faͤngerey nenneten. Der wahre Begrif
einer Coquette iſt doch dieſer, daß ſie immer auf den Fang
ausgeht. Ob im Ernſt oder Scherz das muß zweydeutig
bleiben.



XXIX.
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[108/0120] La Prude & la Coquette zu deutſch. es ein neues Wort ſey, was zur Zeit der Catherine von Medicis zuerſt gebraucht worden. Vorher gehoͤrte jene Art zu handlen, die einige boͤſe Leute ſchon an der Eve im Paradieſe in ihrem Betragen gegen die Schlange be- merkt haben wollen, unter die namenloſen Arten von Thorheiten, deren es viele im menſchlichen Leben giebet, ohne daß ſie noch ein Moraliſt mit einem eigentlichen Na- men bezeichnet hat. Wenn man nun dieſes Wort nach ſeinem Urſprunge ins Deutſche uͤberſetzen wollte: ſo wuͤrde man dazu einen ganz eigentlichen Ausdruck waͤhlen, und etwa Haͤhnern ſagen muͤſſen; ſo wie man von dem Moſelweine ſagt, er moſelt, oder vom Knaſter, er knaſtert. Allein dieſes Wort hat nicht die Mine, daß es ſein Gluͤck machen werde; ich will alſo eins den Weſtfaͤlingern abborgen, das uns die Sache wohl auszudrucken ſcheint. Dieſe ſprechen: es iſt ein faͤngres Maͤdgen, das Maͤdgen hat faͤngere Augen, oder auch wohl, das Maͤdgen hat ein Paar Faͤnger im Kopfe die ſich gewaſchen haben. Wie waͤre es alſo, wenn wir eine Coquette eine Faͤngerin, und die Coquetterie Faͤngerey nenneten. Der wahre Begrif einer Coquette iſt doch dieſer, daß ſie immer auf den Fang ausgeht. Ob im Ernſt oder Scherz das muß zweydeutig bleiben. XXIX.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/120>, abgerufen am 25.04.2024.