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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Ein Denkmal der deutschen Freyheitsliebe.
ben zu glauben, er sey mehr aus einer hohen als rohen
Denkungsart geflossen.

Der König sagt, es sey schimpflich und unanständig
die Edlen seines Reichs Schiedsrichtern zu unterwerfen,
und unstreitig verstand er den Fall, wider ihren Willen;
denn so bald sie es selbst darauf ankommen ließen, und
sich dergleichen erwählten, konnte es unmöglich unanstän-
dig seyn. Schiedsrichter die nicht erwählt sind, und den
Partheyen wider ihren Willen aufgedrungen werden, ha-
ben in Ermangelung eines ausdrücklichen Gesetzes, nichts
als ihr eignes Recht und Gutdünken zu befolgen, und
dieses kann für andre nie verbindlich werden. Kaum er-
laubt man es einem ordentlichen Richter den Partheyen
in geringen und zweifelhaften Sachen einen Vergleich nach
seinem Recht- und Gutdünken aufzulegen, und sie damit
zur Ruhe zu weisen.

Aber wird man sagen, warum machte der König
nicht so gleich mit seinen Reichsständen ein Gesetz, daß
die Enkel in des Vaters Stelle treten sollten? Hierauf
antworte ich, das konnte er nicht. Denn erstlich hatte
jeder Gow und jeder Hof (curia), man mag sich einen
Oberhof von Lehns- und Dienstmännern, oder einen Unter-
hof von gemeinen Hofesgenossen darunter denken, in der-
gleichen Fällen seine eigne Autonomie; und warum soll-
ten die Edlen des Reichs dieser ihrer Autonomie mehr
beraubt werden als jene? Läßt man doch jeden Vater das
Recht unter seinen Kindern zu verordnen, und versagt es
einem Städtgen nicht die Gemeinschaft der Güter durch
eine Willkühr einzuführen oder auszuschließen? Zwertens
konnte der König zwar ebenfalls mit den Reichsstanden,
in so weit diese ihm mit Lehns- oder Dienstpflicht verwandt
waren, ein Hofrecht weisen lassen. Aber was gieng die-
ses die Edlen des Reichs an, die ihm mit keiner Lehns-

und

Ein Denkmal der deutſchen Freyheitsliebe.
ben zu glauben, er ſey mehr aus einer hohen als rohen
Denkungsart gefloſſen.

Der Koͤnig ſagt, es ſey ſchimpflich und unanſtaͤndig
die Edlen ſeines Reichs Schiedsrichtern zu unterwerfen,
und unſtreitig verſtand er den Fall, wider ihren Willen;
denn ſo bald ſie es ſelbſt darauf ankommen ließen, und
ſich dergleichen erwaͤhlten, konnte es unmoͤglich unanſtaͤn-
dig ſeyn. Schiedsrichter die nicht erwaͤhlt ſind, und den
Partheyen wider ihren Willen aufgedrungen werden, ha-
ben in Ermangelung eines ausdruͤcklichen Geſetzes, nichts
als ihr eignes Recht und Gutduͤnken zu befolgen, und
dieſes kann fuͤr andre nie verbindlich werden. Kaum er-
laubt man es einem ordentlichen Richter den Partheyen
in geringen und zweifelhaften Sachen einen Vergleich nach
ſeinem Recht- und Gutduͤnken aufzulegen, und ſie damit
zur Ruhe zu weiſen.

Aber wird man ſagen, warum machte der Koͤnig
nicht ſo gleich mit ſeinen Reichsſtaͤnden ein Geſetz, daß
die Enkel in des Vaters Stelle treten ſollten? Hierauf
antworte ich, das konnte er nicht. Denn erſtlich hatte
jeder Gow und jeder Hof (curia), man mag ſich einen
Oberhof von Lehns- und Dienſtmaͤnnern, oder einen Unter-
hof von gemeinen Hofesgenoſſen darunter denken, in der-
gleichen Faͤllen ſeine eigne Autonomie; und warum ſoll-
ten die Edlen des Reichs dieſer ihrer Autonomie mehr
beraubt werden als jene? Laͤßt man doch jeden Vater das
Recht unter ſeinen Kindern zu verordnen, und verſagt es
einem Staͤdtgen nicht die Gemeinſchaft der Guͤter durch
eine Willkuͤhr einzufuͤhren oder auszuſchließen? Zwertens
konnte der Koͤnig zwar ebenfalls mit den Reichsſtanden,
in ſo weit dieſe ihm mit Lehns- oder Dienſtpflicht verwandt
waren, ein Hofrecht weiſen laſſen. Aber was gieng die-
ſes die Edlen des Reichs an, die ihm mit keiner Lehns-

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[159/0171] Ein Denkmal der deutſchen Freyheitsliebe. ben zu glauben, er ſey mehr aus einer hohen als rohen Denkungsart gefloſſen. Der Koͤnig ſagt, es ſey ſchimpflich und unanſtaͤndig die Edlen ſeines Reichs Schiedsrichtern zu unterwerfen, und unſtreitig verſtand er den Fall, wider ihren Willen; denn ſo bald ſie es ſelbſt darauf ankommen ließen, und ſich dergleichen erwaͤhlten, konnte es unmoͤglich unanſtaͤn- dig ſeyn. Schiedsrichter die nicht erwaͤhlt ſind, und den Partheyen wider ihren Willen aufgedrungen werden, ha- ben in Ermangelung eines ausdruͤcklichen Geſetzes, nichts als ihr eignes Recht und Gutduͤnken zu befolgen, und dieſes kann fuͤr andre nie verbindlich werden. Kaum er- laubt man es einem ordentlichen Richter den Partheyen in geringen und zweifelhaften Sachen einen Vergleich nach ſeinem Recht- und Gutduͤnken aufzulegen, und ſie damit zur Ruhe zu weiſen. Aber wird man ſagen, warum machte der Koͤnig nicht ſo gleich mit ſeinen Reichsſtaͤnden ein Geſetz, daß die Enkel in des Vaters Stelle treten ſollten? Hierauf antworte ich, das konnte er nicht. Denn erſtlich hatte jeder Gow und jeder Hof (curia), man mag ſich einen Oberhof von Lehns- und Dienſtmaͤnnern, oder einen Unter- hof von gemeinen Hofesgenoſſen darunter denken, in der- gleichen Faͤllen ſeine eigne Autonomie; und warum ſoll- ten die Edlen des Reichs dieſer ihrer Autonomie mehr beraubt werden als jene? Laͤßt man doch jeden Vater das Recht unter ſeinen Kindern zu verordnen, und verſagt es einem Staͤdtgen nicht die Gemeinſchaft der Guͤter durch eine Willkuͤhr einzufuͤhren oder auszuſchließen? Zwertens konnte der Koͤnig zwar ebenfalls mit den Reichsſtanden, in ſo weit dieſe ihm mit Lehns- oder Dienſtpflicht verwandt waren, ein Hofrecht weiſen laſſen. Aber was gieng die- ſes die Edlen des Reichs an, die ihm mit keiner Lehns- und

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/171>, abgerufen am 28.03.2024.