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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Ueber die Erziehung des Adels
und mächtig bleiben soll. Der Adel sollte sich gar nicht
in den Stand der Gelehrten begeben; und die Staaten
wurden besser regiert, wie ungelehrte Landräthe stimmten,
und ein gelehrter Canzler die Ausfertigungen darnach
besorgte, als jetzt wo alles gelehrt ist.

Unsre Vorfahren, die immer ohne viel zu speculi-
ren mit dem Faden der Erfahrung über Weg giengen,
und Uebung und Arbeit in jeder Kunst für ein sicherers
Mittel hielten, ihre Kinder vom Bösen abzuhalten, und
aus ihnen brauchbare Männer zu machen, als alle Re-
geln und Wissenschaften, ob sie es gleich auch beyläufig
hieran nicht ermangeln ließen, suchten ihre Söhne, je
nachdem sie an ihnen Lust oder Fähigkeit bemerkten, bey
Hofe, bey der Jagd, bey der Forst oder beym Stalle
anzubringen. Der Fürst, der sie zuerst als Pagen auf-
nahm, hatte an seinem Hofmarschall, Oberjägermeister,
Forstmeister und Stallmeister, zunftgerechte Meister, und
man sprach damals von Höfen, wie man jetzt von Aka-
demien spricht. Jeder Edelmann wußte, wo ein gerech-
ter Hof gehalten wurde, und jeder Fürst bestrebte sich
den besten zu haben. Man sahe den Hof als die wahre
Schule des Adels an, und ein Churprinz von Sachsen
ward Page bey seinem Oheime, dem Erzbischofe zu
Magdeburg, um Regierung zu lernen.

Jnsbesondre aber leisteten die Kriegesschulen unserer
Vorfahren, da ein Vater seinen Sohn einem guten Mei-
ster oder Ritter auf sechs oder sieben Jahre in die Lehre
gab, und nicht eher zurücknahm, als bis er die Gesel-
len- oder Knapen-Jahre erreicht hatte, und auf die Wan-
derschaft ziehen konnte, alles was man nach der damali-
gen Kriegesverfassung nöthig hatte; und der Geist dieser
Einrichtung zeichnet sich unendlich weit vor der Heutigen
aus, nach welcher der Knabe in einem Regimente auf-

dienen

Ueber die Erziehung des Adels
und maͤchtig bleiben ſoll. Der Adel ſollte ſich gar nicht
in den Stand der Gelehrten begeben; und die Staaten
wurden beſſer regiert, wie ungelehrte Landraͤthe ſtimmten,
und ein gelehrter Canzler die Ausfertigungen darnach
beſorgte, als jetzt wo alles gelehrt iſt.

Unſre Vorfahren, die immer ohne viel zu ſpeculi-
ren mit dem Faden der Erfahrung uͤber Weg giengen,
und Uebung und Arbeit in jeder Kunſt fuͤr ein ſicherers
Mittel hielten, ihre Kinder vom Boͤſen abzuhalten, und
aus ihnen brauchbare Maͤnner zu machen, als alle Re-
geln und Wiſſenſchaften, ob ſie es gleich auch beylaͤufig
hieran nicht ermangeln ließen, ſuchten ihre Soͤhne, je
nachdem ſie an ihnen Luſt oder Faͤhigkeit bemerkten, bey
Hofe, bey der Jagd, bey der Forſt oder beym Stalle
anzubringen. Der Fuͤrſt, der ſie zuerſt als Pagen auf-
nahm, hatte an ſeinem Hofmarſchall, Oberjaͤgermeiſter,
Forſtmeiſter und Stallmeiſter, zunftgerechte Meiſter, und
man ſprach damals von Hoͤfen, wie man jetzt von Aka-
demien ſpricht. Jeder Edelmann wußte, wo ein gerech-
ter Hof gehalten wurde, und jeder Fuͤrſt beſtrebte ſich
den beſten zu haben. Man ſahe den Hof als die wahre
Schule des Adels an, und ein Churprinz von Sachſen
ward Page bey ſeinem Oheime, dem Erzbiſchofe zu
Magdeburg, um Regierung zu lernen.

Jnsbeſondre aber leiſteten die Kriegesſchulen unſerer
Vorfahren, da ein Vater ſeinen Sohn einem guten Mei-
ſter oder Ritter auf ſechs oder ſieben Jahre in die Lehre
gab, und nicht eher zuruͤcknahm, als bis er die Geſel-
len- oder Knapen-Jahre erreicht hatte, und auf die Wan-
derſchaft ziehen konnte, alles was man nach der damali-
gen Kriegesverfaſſung noͤthig hatte; und der Geiſt dieſer
Einrichtung zeichnet ſich unendlich weit vor der Heutigen
aus, nach welcher der Knabe in einem Regimente auf-

dienen
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[20/0032] Ueber die Erziehung des Adels und maͤchtig bleiben ſoll. Der Adel ſollte ſich gar nicht in den Stand der Gelehrten begeben; und die Staaten wurden beſſer regiert, wie ungelehrte Landraͤthe ſtimmten, und ein gelehrter Canzler die Ausfertigungen darnach beſorgte, als jetzt wo alles gelehrt iſt. Unſre Vorfahren, die immer ohne viel zu ſpeculi- ren mit dem Faden der Erfahrung uͤber Weg giengen, und Uebung und Arbeit in jeder Kunſt fuͤr ein ſicherers Mittel hielten, ihre Kinder vom Boͤſen abzuhalten, und aus ihnen brauchbare Maͤnner zu machen, als alle Re- geln und Wiſſenſchaften, ob ſie es gleich auch beylaͤufig hieran nicht ermangeln ließen, ſuchten ihre Soͤhne, je nachdem ſie an ihnen Luſt oder Faͤhigkeit bemerkten, bey Hofe, bey der Jagd, bey der Forſt oder beym Stalle anzubringen. Der Fuͤrſt, der ſie zuerſt als Pagen auf- nahm, hatte an ſeinem Hofmarſchall, Oberjaͤgermeiſter, Forſtmeiſter und Stallmeiſter, zunftgerechte Meiſter, und man ſprach damals von Hoͤfen, wie man jetzt von Aka- demien ſpricht. Jeder Edelmann wußte, wo ein gerech- ter Hof gehalten wurde, und jeder Fuͤrſt beſtrebte ſich den beſten zu haben. Man ſahe den Hof als die wahre Schule des Adels an, und ein Churprinz von Sachſen ward Page bey ſeinem Oheime, dem Erzbiſchofe zu Magdeburg, um Regierung zu lernen. Jnsbeſondre aber leiſteten die Kriegesſchulen unſerer Vorfahren, da ein Vater ſeinen Sohn einem guten Mei- ſter oder Ritter auf ſechs oder ſieben Jahre in die Lehre gab, und nicht eher zuruͤcknahm, als bis er die Geſel- len- oder Knapen-Jahre erreicht hatte, und auf die Wan- derſchaft ziehen konnte, alles was man nach der damali- gen Kriegesverfaſſung noͤthig hatte; und der Geiſt dieſer Einrichtung zeichnet ſich unendlich weit vor der Heutigen aus, nach welcher der Knabe in einem Regimente auf- dienen

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/32>, abgerufen am 29.03.2024.