heit muß wenigstens einmal im Jahre ausgähren, damit sie das Faß nicht sprenge.
Eben dieser Grundsatz herrschte in andern Theilen bey unsern Vorfahren. Bey gewissen seltnen feyerlichen Gelegenheiten zeigten sie sich in verschwenderischer Pracht, wenn sie täglich in einem schlichten Wamse giengen. Wenn sie mit einander haderten: so schonten sie so wenig ihrer Lunge als ihrer Fäuste; und wenn sie sich freueten: so wollten sie bersten vor lachen. Damit schonten sie ihre Feyerkleider, und entwehrten sich des schwindsüchtigen Grams, und der Gefahr von einer plötzlichen Freude zu sterben. Wir hingegen opfern der Mode durch tägliche kleine Ausgaben unser bestes Vermögen auf, verfolgen unsre Feinde mit der artigsten Manier, und schwindeln bey allen plötzlichen Zufällen.
Jedoch Scherz bey Seite, wenn ich Policeycommis- sarius wäre, die Leute sollten mir zu gewissen Zeiten mehr Freuden haben, damit sie zu andern fleißiger und ordent- licher würden. Jch weiß wie dem Handwerksmanne der Sonntags Braten schmeckt, wenn er sich die ganze Wo- che mit einem Gemüse beholfen hat; und wie zufrieden er mit seinem Gemüse ist, wenn er an den Sonntagsbra- ten gedenkt. Nach diesem wahren Grundsatze, würde ich jedem Dorfe wo nicht alle Monate, doch wenigstens alle Vierteljahr ein Fest erlauben, um den täglichen Ge- nuß, welcher zuletzt auch oft den Besten zur Uebermaaße verführt, und um so viel gefährlicher ist, je unbemerkter er im Finstern schleicht, und mit der lieben Gewohnheit, der andern Natur, über Weg geht, so vielmehr einzu- schränken. Eine Policey, die ihre Aufmerksamkeit dahin wendete, würde wahrscheinlich glücklicher seyn als dieje- nige, welche wie die neuere alle Arten von Zechereyen und Gelagen verbietet, und damit den durch keine Gesetze
zu
Mösers patr. Phantas.IV.Th. C
fuͤr die Landleute.
heit muß wenigſtens einmal im Jahre ausgaͤhren, damit ſie das Faß nicht ſprenge.
Eben dieſer Grundſatz herrſchte in andern Theilen bey unſern Vorfahren. Bey gewiſſen ſeltnen feyerlichen Gelegenheiten zeigten ſie ſich in verſchwenderiſcher Pracht, wenn ſie taͤglich in einem ſchlichten Wamſe giengen. Wenn ſie mit einander haderten: ſo ſchonten ſie ſo wenig ihrer Lunge als ihrer Faͤuſte; und wenn ſie ſich freueten: ſo wollten ſie berſten vor lachen. Damit ſchonten ſie ihre Feyerkleider, und entwehrten ſich des ſchwindſuͤchtigen Grams, und der Gefahr von einer ploͤtzlichen Freude zu ſterben. Wir hingegen opfern der Mode durch taͤgliche kleine Ausgaben unſer beſtes Vermoͤgen auf, verfolgen unſre Feinde mit der artigſten Manier, und ſchwindeln bey allen ploͤtzlichen Zufaͤllen.
Jedoch Scherz bey Seite, wenn ich Policeycommiſ- ſarius waͤre, die Leute ſollten mir zu gewiſſen Zeiten mehr Freuden haben, damit ſie zu andern fleißiger und ordent- licher wuͤrden. Jch weiß wie dem Handwerksmanne der Sonntags Braten ſchmeckt, wenn er ſich die ganze Wo- che mit einem Gemuͤſe beholfen hat; und wie zufrieden er mit ſeinem Gemuͤſe iſt, wenn er an den Sonntagsbra- ten gedenkt. Nach dieſem wahren Grundſatze, wuͤrde ich jedem Dorfe wo nicht alle Monate, doch wenigſtens alle Vierteljahr ein Feſt erlauben, um den taͤglichen Ge- nuß, welcher zuletzt auch oft den Beſten zur Uebermaaße verfuͤhrt, und um ſo viel gefaͤhrlicher iſt, je unbemerkter er im Finſtern ſchleicht, und mit der lieben Gewohnheit, der andern Natur, uͤber Weg geht, ſo vielmehr einzu- ſchraͤnken. Eine Policey, die ihre Aufmerkſamkeit dahin wendete, wuͤrde wahrſcheinlich gluͤcklicher ſeyn als dieje- nige, welche wie die neuere alle Arten von Zechereyen und Gelagen verbietet, und damit den durch keine Geſetze
zu
Moͤſers patr. Phantaſ.IV.Th. C
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0045"n="33"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">fuͤr die Landleute.</hi></fw><lb/>
heit muß wenigſtens einmal im Jahre ausgaͤhren, damit<lb/>ſie das Faß nicht ſprenge.</p><lb/><p>Eben dieſer Grundſatz herrſchte in andern Theilen<lb/>
bey unſern Vorfahren. Bey gewiſſen ſeltnen feyerlichen<lb/>
Gelegenheiten zeigten ſie ſich in verſchwenderiſcher Pracht,<lb/>
wenn ſie taͤglich in einem ſchlichten Wamſe giengen.<lb/>
Wenn ſie mit einander haderten: ſo ſchonten ſie ſo wenig<lb/>
ihrer Lunge als ihrer Faͤuſte; und wenn ſie ſich freueten:<lb/>ſo wollten ſie berſten vor lachen. Damit ſchonten ſie ihre<lb/>
Feyerkleider, und entwehrten ſich des ſchwindſuͤchtigen<lb/>
Grams, und der Gefahr von einer ploͤtzlichen Freude zu<lb/>ſterben. Wir hingegen opfern der Mode durch taͤgliche<lb/>
kleine Ausgaben unſer beſtes Vermoͤgen auf, verfolgen<lb/>
unſre Feinde mit der artigſten Manier, und ſchwindeln<lb/>
bey allen ploͤtzlichen Zufaͤllen.</p><lb/><p>Jedoch Scherz bey Seite, wenn ich Policeycommiſ-<lb/>ſarius waͤre, die Leute ſollten mir zu gewiſſen Zeiten mehr<lb/>
Freuden haben, damit ſie zu andern fleißiger und ordent-<lb/>
licher wuͤrden. Jch weiß wie dem Handwerksmanne der<lb/>
Sonntags Braten ſchmeckt, wenn er ſich die ganze Wo-<lb/>
che mit einem Gemuͤſe beholfen hat; und wie zufrieden<lb/>
er mit ſeinem Gemuͤſe iſt, wenn er an den Sonntagsbra-<lb/>
ten gedenkt. Nach dieſem wahren Grundſatze, wuͤrde<lb/>
ich jedem Dorfe wo nicht alle Monate, doch wenigſtens<lb/>
alle Vierteljahr ein Feſt erlauben, um den taͤglichen Ge-<lb/>
nuß, welcher zuletzt auch oft den Beſten zur Uebermaaße<lb/>
verfuͤhrt, und um ſo viel gefaͤhrlicher iſt, je unbemerkter<lb/>
er im Finſtern ſchleicht, und mit der lieben Gewohnheit,<lb/>
der andern Natur, uͤber Weg geht, ſo vielmehr einzu-<lb/>ſchraͤnken. Eine Policey, die ihre Aufmerkſamkeit dahin<lb/>
wendete, wuͤrde wahrſcheinlich gluͤcklicher ſeyn als dieje-<lb/>
nige, welche wie die neuere alle Arten von Zechereyen<lb/>
und Gelagen verbietet, und damit den durch keine Geſetze<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Moͤſers patr. Phantaſ.</hi><hirendition="#aq">IV.</hi><hirendition="#fr">Th.</hi> C</fw><fwplace="bottom"type="catch">zu</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[33/0045]
fuͤr die Landleute.
heit muß wenigſtens einmal im Jahre ausgaͤhren, damit
ſie das Faß nicht ſprenge.
Eben dieſer Grundſatz herrſchte in andern Theilen
bey unſern Vorfahren. Bey gewiſſen ſeltnen feyerlichen
Gelegenheiten zeigten ſie ſich in verſchwenderiſcher Pracht,
wenn ſie taͤglich in einem ſchlichten Wamſe giengen.
Wenn ſie mit einander haderten: ſo ſchonten ſie ſo wenig
ihrer Lunge als ihrer Faͤuſte; und wenn ſie ſich freueten:
ſo wollten ſie berſten vor lachen. Damit ſchonten ſie ihre
Feyerkleider, und entwehrten ſich des ſchwindſuͤchtigen
Grams, und der Gefahr von einer ploͤtzlichen Freude zu
ſterben. Wir hingegen opfern der Mode durch taͤgliche
kleine Ausgaben unſer beſtes Vermoͤgen auf, verfolgen
unſre Feinde mit der artigſten Manier, und ſchwindeln
bey allen ploͤtzlichen Zufaͤllen.
Jedoch Scherz bey Seite, wenn ich Policeycommiſ-
ſarius waͤre, die Leute ſollten mir zu gewiſſen Zeiten mehr
Freuden haben, damit ſie zu andern fleißiger und ordent-
licher wuͤrden. Jch weiß wie dem Handwerksmanne der
Sonntags Braten ſchmeckt, wenn er ſich die ganze Wo-
che mit einem Gemuͤſe beholfen hat; und wie zufrieden
er mit ſeinem Gemuͤſe iſt, wenn er an den Sonntagsbra-
ten gedenkt. Nach dieſem wahren Grundſatze, wuͤrde
ich jedem Dorfe wo nicht alle Monate, doch wenigſtens
alle Vierteljahr ein Feſt erlauben, um den taͤglichen Ge-
nuß, welcher zuletzt auch oft den Beſten zur Uebermaaße
verfuͤhrt, und um ſo viel gefaͤhrlicher iſt, je unbemerkter
er im Finſtern ſchleicht, und mit der lieben Gewohnheit,
der andern Natur, uͤber Weg geht, ſo vielmehr einzu-
ſchraͤnken. Eine Policey, die ihre Aufmerkſamkeit dahin
wendete, wuͤrde wahrſcheinlich gluͤcklicher ſeyn als dieje-
nige, welche wie die neuere alle Arten von Zechereyen
und Gelagen verbietet, und damit den durch keine Geſetze
zu
Moͤſers patr. Phantaſ. IV. Th. C
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/45>, abgerufen am 10.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.