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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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tes betrachte, und, wenn ich die mannigfaltigen Kunst-
werke sehe, welche unsre Putzmacherinnen daraus hervor-
bringen, die Güte des Schöpfers bewundre, der auch
der Spreu eine kleine Freude bereitet hat, und ehe sie
der Wind verwehet, wo nicht andern doch sich selbst zu
gute kommen läßt. Mit dieser Ursache habe ich noch eine
andre verknüpft, um mich nicht mit denen, welche die
liebe gute menschliche Gesellschaft für das höchste Unglück
unsrer Erden halten, zu überwerfen. Wenn ich nämlich
sehe, daß die Handwerker sich in ihren einförmigen Stel-
lungen lahm und blaß arbeiten, die Gelehrten überspan-
net oder Hypochondrisch werden, die Hofleute sich zu
Tode walzen, die Fürsten ihre beste Zeit verspielen, und
überhaupt die geselligen Menschen in den Städten sich
durch die großen Opfer, welche sie den Künsten, den
Wissenschaften und den Moden bringen, täglich mehr und
mehr verfeinern, verschnitzeln und verzärteln, oder wohl
gar verhämmern und verpuffen: so stelle ich mir vor,
die allgütige Vorsehung habe diese Mittel, als die sanf-
test abführenden gewählt, um ihr großes Werk von allen
verdorbenen Säften zu reinigen, und es sey ein Eingriff
in ihre Rechte, wenn ich diesen Mitteln zum Verderben,
Einhalt thun, oder sie wohl gar zwingen wollte, dazu
Erdbeben und Ueberschwemmungen zu gebrauchen, und
die Schuldigen mit den Unschuldigen zu verderben. Jch
verehre in ihren Abführungsmitteln die weise Sorgfalt,
nach welcher diese blos auf das Uebel würken, und die
edlern Theile verschonen, und tröste mich denn damit,
daß das Geschlecht was in den Siechenhäusern der Städte
zusammen seuchet, wenn es ja wieder ersetzet werden muß,
darum nicht untergehn, sondern von dem Abfall auf den
Höfen der edlen und gemeinen Lansten immer noch hin-
reichend vermehret werden könne ....

Jedoch
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der neueſten Moden enthalten.
tes betrachte, und, wenn ich die mannigfaltigen Kunſt-
werke ſehe, welche unſre Putzmacherinnen daraus hervor-
bringen, die Guͤte des Schoͤpfers bewundre, der auch
der Spreu eine kleine Freude bereitet hat, und ehe ſie
der Wind verwehet, wo nicht andern doch ſich ſelbſt zu
gute kommen laͤßt. Mit dieſer Urſache habe ich noch eine
andre verknuͤpft, um mich nicht mit denen, welche die
liebe gute menſchliche Geſellſchaft fuͤr das hoͤchſte Ungluͤck
unſrer Erden halten, zu uͤberwerfen. Wenn ich naͤmlich
ſehe, daß die Handwerker ſich in ihren einfoͤrmigen Stel-
lungen lahm und blaß arbeiten, die Gelehrten uͤberſpan-
net oder Hypochondriſch werden, die Hofleute ſich zu
Tode walzen, die Fuͤrſten ihre beſte Zeit verſpielen, und
uͤberhaupt die geſelligen Menſchen in den Staͤdten ſich
durch die großen Opfer, welche ſie den Kuͤnſten, den
Wiſſenſchaften und den Moden bringen, taͤglich mehr und
mehr verfeinern, verſchnitzeln und verzaͤrteln, oder wohl
gar verhaͤmmern und verpuffen: ſo ſtelle ich mir vor,
die allguͤtige Vorſehung habe dieſe Mittel, als die ſanf-
teſt abfuͤhrenden gewaͤhlt, um ihr großes Werk von allen
verdorbenen Saͤften zu reinigen, und es ſey ein Eingriff
in ihre Rechte, wenn ich dieſen Mitteln zum Verderben,
Einhalt thun, oder ſie wohl gar zwingen wollte, dazu
Erdbeben und Ueberſchwemmungen zu gebrauchen, und
die Schuldigen mit den Unſchuldigen zu verderben. Jch
verehre in ihren Abfuͤhrungsmitteln die weiſe Sorgfalt,
nach welcher dieſe blos auf das Uebel wuͤrken, und die
edlern Theile verſchonen, und troͤſte mich denn damit,
daß das Geſchlecht was in den Siechenhaͤuſern der Staͤdte
zuſammen ſeuchet, wenn es ja wieder erſetzet werden muß,
darum nicht untergehn, ſondern von dem Abfall auf den
Hoͤfen der edlen und gemeinen Lanſten immer noch hin-
reichend vermehret werden koͤnne ....

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[41/0053] der neueſten Moden enthalten. tes betrachte, und, wenn ich die mannigfaltigen Kunſt- werke ſehe, welche unſre Putzmacherinnen daraus hervor- bringen, die Guͤte des Schoͤpfers bewundre, der auch der Spreu eine kleine Freude bereitet hat, und ehe ſie der Wind verwehet, wo nicht andern doch ſich ſelbſt zu gute kommen laͤßt. Mit dieſer Urſache habe ich noch eine andre verknuͤpft, um mich nicht mit denen, welche die liebe gute menſchliche Geſellſchaft fuͤr das hoͤchſte Ungluͤck unſrer Erden halten, zu uͤberwerfen. Wenn ich naͤmlich ſehe, daß die Handwerker ſich in ihren einfoͤrmigen Stel- lungen lahm und blaß arbeiten, die Gelehrten uͤberſpan- net oder Hypochondriſch werden, die Hofleute ſich zu Tode walzen, die Fuͤrſten ihre beſte Zeit verſpielen, und uͤberhaupt die geſelligen Menſchen in den Staͤdten ſich durch die großen Opfer, welche ſie den Kuͤnſten, den Wiſſenſchaften und den Moden bringen, taͤglich mehr und mehr verfeinern, verſchnitzeln und verzaͤrteln, oder wohl gar verhaͤmmern und verpuffen: ſo ſtelle ich mir vor, die allguͤtige Vorſehung habe dieſe Mittel, als die ſanf- teſt abfuͤhrenden gewaͤhlt, um ihr großes Werk von allen verdorbenen Saͤften zu reinigen, und es ſey ein Eingriff in ihre Rechte, wenn ich dieſen Mitteln zum Verderben, Einhalt thun, oder ſie wohl gar zwingen wollte, dazu Erdbeben und Ueberſchwemmungen zu gebrauchen, und die Schuldigen mit den Unſchuldigen zu verderben. Jch verehre in ihren Abfuͤhrungsmitteln die weiſe Sorgfalt, nach welcher dieſe blos auf das Uebel wuͤrken, und die edlern Theile verſchonen, und troͤſte mich denn damit, daß das Geſchlecht was in den Siechenhaͤuſern der Staͤdte zuſammen ſeuchet, wenn es ja wieder erſetzet werden muß, darum nicht untergehn, ſondern von dem Abfall auf den Hoͤfen der edlen und gemeinen Lanſten immer noch hin- reichend vermehret werden koͤnne .... Jedoch C 5

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/53>, abgerufen am 19.04.2024.