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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Schreiben einer Dame
wollte. Aber es giebt sich doch bald, und zuletzt wird
es einem so mechanisch, wie den großen Herrn bey der
Cour. Jhnen wird dabey Jhre gute Erziehung, die in
diesem Stücke ausserordentlich viel vermag, sehr zu stat-
ten kommen, und ihre Empfindsamkeit wird dann die edel-
ste Gabe werden, die Jhnen die Natur geschenkt hat,
wenn sie zur freudigsten Thätigkeit übergeht, und jeder
Handlung das sanfte, gefällige und zärtliche eindrückt,
was jetzt nur im stillen schmachtet, oder wie eine Blume
im Keller blühet. Jhr lieber Mann wird sich auf den
Lorbeerreisern sonnen, die Sie ihm unterlegen, und Sie
zärtlich einladen das Vergnügen, was Sie ihm verschaft
haben, mit ihm zu theilen.


XIV.
Schreiben einer Dame an ihren hitzigen
Freund.

Verzeihen will ich Jhnen gern, mein lieber Freund,
und zwar von Grund meines Herzens, aber ihre
Entschuldigung, daß ihre polternde Hitze ein Naturfeh-
ler sey, den man übersehen müsse, lasse ich durchaus nicht
gelten. Denn eines Theils ist es noch gar nicht ausge-
macht, daß es eben so wohl gebrechliche Seelen als ge-
brechliche Körper gebe; und andern Theils, wenn es auch
einige Seelen geben sollte, die von Natur Krüppel wä-
ren: so glaube ich doch nicht, daß man solche Geistes-
krüppel mit eben dem christlichen Mitleiden ertragen müsse,
womit man einen von Natur schielenden Menschen zu
ertragen verbunden ist. Endlich setzt man auch den kör-
perlichen Fehlern noch wohl etwas entgegen, und schie-

net

Schreiben einer Dame
wollte. Aber es giebt ſich doch bald, und zuletzt wird
es einem ſo mechaniſch, wie den großen Herrn bey der
Cour. Jhnen wird dabey Jhre gute Erziehung, die in
dieſem Stuͤcke auſſerordentlich viel vermag, ſehr zu ſtat-
ten kommen, und ihre Empfindſamkeit wird dann die edel-
ſte Gabe werden, die Jhnen die Natur geſchenkt hat,
wenn ſie zur freudigſten Thaͤtigkeit uͤbergeht, und jeder
Handlung das ſanfte, gefaͤllige und zaͤrtliche eindruͤckt,
was jetzt nur im ſtillen ſchmachtet, oder wie eine Blume
im Keller bluͤhet. Jhr lieber Mann wird ſich auf den
Lorbeerreiſern ſonnen, die Sie ihm unterlegen, und Sie
zaͤrtlich einladen das Vergnuͤgen, was Sie ihm verſchaft
haben, mit ihm zu theilen.


XIV.
Schreiben einer Dame an ihren hitzigen
Freund.

Verzeihen will ich Jhnen gern, mein lieber Freund,
und zwar von Grund meines Herzens, aber ihre
Entſchuldigung, daß ihre polternde Hitze ein Naturfeh-
ler ſey, den man uͤberſehen muͤſſe, laſſe ich durchaus nicht
gelten. Denn eines Theils iſt es noch gar nicht ausge-
macht, daß es eben ſo wohl gebrechliche Seelen als ge-
brechliche Koͤrper gebe; und andern Theils, wenn es auch
einige Seelen geben ſollte, die von Natur Kruͤppel waͤ-
ren: ſo glaube ich doch nicht, daß man ſolche Geiſtes-
kruͤppel mit eben dem chriſtlichen Mitleiden ertragen muͤſſe,
womit man einen von Natur ſchielenden Menſchen zu
ertragen verbunden iſt. Endlich ſetzt man auch den koͤr-
perlichen Fehlern noch wohl etwas entgegen, und ſchie-

net
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[58/0070] Schreiben einer Dame wollte. Aber es giebt ſich doch bald, und zuletzt wird es einem ſo mechaniſch, wie den großen Herrn bey der Cour. Jhnen wird dabey Jhre gute Erziehung, die in dieſem Stuͤcke auſſerordentlich viel vermag, ſehr zu ſtat- ten kommen, und ihre Empfindſamkeit wird dann die edel- ſte Gabe werden, die Jhnen die Natur geſchenkt hat, wenn ſie zur freudigſten Thaͤtigkeit uͤbergeht, und jeder Handlung das ſanfte, gefaͤllige und zaͤrtliche eindruͤckt, was jetzt nur im ſtillen ſchmachtet, oder wie eine Blume im Keller bluͤhet. Jhr lieber Mann wird ſich auf den Lorbeerreiſern ſonnen, die Sie ihm unterlegen, und Sie zaͤrtlich einladen das Vergnuͤgen, was Sie ihm verſchaft haben, mit ihm zu theilen. XIV. Schreiben einer Dame an ihren hitzigen Freund. Verzeihen will ich Jhnen gern, mein lieber Freund, und zwar von Grund meines Herzens, aber ihre Entſchuldigung, daß ihre polternde Hitze ein Naturfeh- ler ſey, den man uͤberſehen muͤſſe, laſſe ich durchaus nicht gelten. Denn eines Theils iſt es noch gar nicht ausge- macht, daß es eben ſo wohl gebrechliche Seelen als ge- brechliche Koͤrper gebe; und andern Theils, wenn es auch einige Seelen geben ſollte, die von Natur Kruͤppel waͤ- ren: ſo glaube ich doch nicht, daß man ſolche Geiſtes- kruͤppel mit eben dem chriſtlichen Mitleiden ertragen muͤſſe, womit man einen von Natur ſchielenden Menſchen zu ertragen verbunden iſt. Endlich ſetzt man auch den koͤr- perlichen Fehlern noch wohl etwas entgegen, und ſchie- net

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/70>, abgerufen am 28.03.2024.