Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
KAPITEL III.
Die Revolution und Gaius Gracchus.

Tiberius Gracchus war todt; indess seine beiden Werke, die
Landauftheilung wie die Revolution, überlebten ihren Urheber.
Der Senat konnte dem verkommenden agricolen Proletariat gegen-
über wohl einen Mord wagen, aber nicht diesen Mord zur Auf-
hebung des sempronischen Ackergesetzes benutzen; durch den
wahnsinnigen Ausbruch der Parteiwuth war das Gesetz selbst
weit mehr befestigt als erschüttert worden. Die reformistisch
gesinnte Partei der Aristokratie, welche die Domanialtheilung of-
fen begünstigte, an ihrer Spitze Quintus Metellus, eben um diese
Zeit (623) Censor, und Publius Scaevola, gewann in Verbindung
mit der Partei des Scipio Aemilianus, die der Reform wenigstens
nicht abgeneigt war, selbst im Senat für jetzt die Oberhand und
ausdrücklich wies ein Senatsbeschluss die Theilungscommission
an ihre Arbeiten zu beginnen. Für Tiberius Gracchus trat in die-
selbe ein der Schwiegervater seines Bruders Gaius, Publius Cras-
sus Mucianus, und nachdem dieser 624 gefallen (S. 52) und auch
Appius Claudius gestorben war, traten an ihre Stelle zwei der
thätigsten Führer der Bewegungspartei, Marcus Fulvius Flaccus
und Gaius Papirius Carbo. Schon die Namen dieser Männer
bürgen dafür, dass das Geschäft der Einziehung und Auftheilung
des occupirten Domaniallandes von ihnen mit Eifer und Nach-
druck betrieben sein wird; und in der That fehlt es auch dafür
nicht an Beweisen. Zwar neue städtische Gemeinden entstanden
durch diese Landanweisungen nicht, da die zur Vertheilung ge-
brachten Domänen durch ganz Italien zerstreut lagen; aber schon

KAPITEL III.
Die Revolution und Gaius Gracchus.

Tiberius Gracchus war todt; indeſs seine beiden Werke, die
Landauftheilung wie die Revolution, überlebten ihren Urheber.
Der Senat konnte dem verkommenden agricolen Proletariat gegen-
über wohl einen Mord wagen, aber nicht diesen Mord zur Auf-
hebung des sempronischen Ackergesetzes benutzen; durch den
wahnsinnigen Ausbruch der Parteiwuth war das Gesetz selbst
weit mehr befestigt als erschüttert worden. Die reformistisch
gesinnte Partei der Aristokratie, welche die Domanialtheilung of-
fen begünstigte, an ihrer Spitze Quintus Metellus, eben um diese
Zeit (623) Censor, und Publius Scaevola, gewann in Verbindung
mit der Partei des Scipio Aemilianus, die der Reform wenigstens
nicht abgeneigt war, selbst im Senat für jetzt die Oberhand und
ausdrücklich wies ein Senatsbeschluſs die Theilungscommission
an ihre Arbeiten zu beginnen. Für Tiberius Gracchus trat in die-
selbe ein der Schwiegervater seines Bruders Gaius, Publius Cras-
sus Mucianus, und nachdem dieser 624 gefallen (S. 52) und auch
Appius Claudius gestorben war, traten an ihre Stelle zwei der
thätigsten Führer der Bewegungspartei, Marcus Fulvius Flaccus
und Gaius Papirius Carbo. Schon die Namen dieser Männer
bürgen dafür, daſs das Geschäft der Einziehung und Auftheilung
des occupirten Domaniallandes von ihnen mit Eifer und Nach-
druck betrieben sein wird; und in der That fehlt es auch dafür
nicht an Beweisen. Zwar neue städtische Gemeinden entstanden
durch diese Landanweisungen nicht, da die zur Vertheilung ge-
brachten Domänen durch ganz Italien zerstreut lagen; aber schon

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0101" n="[91]"/>
        <div n="2">
          <head>KAPITEL III.<lb/><hi rendition="#g">Die Revolution und Gaius Gracchus</hi>.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">T</hi>iberius Gracchus war todt; inde&#x017F;s seine beiden Werke, die<lb/>
Landauftheilung wie die Revolution, überlebten ihren Urheber.<lb/>
Der Senat konnte dem verkommenden agricolen Proletariat gegen-<lb/>
über wohl einen Mord wagen, aber nicht diesen Mord zur Auf-<lb/>
hebung des sempronischen Ackergesetzes benutzen; durch den<lb/>
wahnsinnigen Ausbruch der Parteiwuth war das Gesetz selbst<lb/>
weit mehr befestigt als erschüttert worden. Die reformistisch<lb/>
gesinnte Partei der Aristokratie, welche die Domanialtheilung of-<lb/>
fen begünstigte, an ihrer Spitze Quintus Metellus, eben um diese<lb/>
Zeit (623) Censor, und Publius Scaevola, gewann in Verbindung<lb/>
mit der Partei des Scipio Aemilianus, die der Reform wenigstens<lb/>
nicht abgeneigt war, selbst im Senat für jetzt die Oberhand und<lb/>
ausdrücklich wies ein Senatsbeschlu&#x017F;s die Theilungscommission<lb/>
an ihre Arbeiten zu beginnen. Für Tiberius Gracchus trat in die-<lb/>
selbe ein der Schwiegervater seines Bruders Gaius, Publius Cras-<lb/>
sus Mucianus, und nachdem dieser 624 gefallen (S. 52) und auch<lb/>
Appius Claudius gestorben war, traten an ihre Stelle zwei der<lb/>
thätigsten Führer der Bewegungspartei, Marcus Fulvius Flaccus<lb/>
und Gaius Papirius Carbo. Schon die Namen dieser Männer<lb/>
bürgen dafür, da&#x017F;s das Geschäft der Einziehung und Auftheilung<lb/>
des occupirten Domaniallandes von ihnen mit Eifer und Nach-<lb/>
druck betrieben sein wird; und in der That fehlt es auch dafür<lb/>
nicht an Beweisen. Zwar neue städtische Gemeinden entstanden<lb/>
durch diese Landanweisungen nicht, da die zur Vertheilung ge-<lb/>
brachten Domänen durch ganz Italien zerstreut lagen; aber schon<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[91]/0101] KAPITEL III. Die Revolution und Gaius Gracchus. Tiberius Gracchus war todt; indeſs seine beiden Werke, die Landauftheilung wie die Revolution, überlebten ihren Urheber. Der Senat konnte dem verkommenden agricolen Proletariat gegen- über wohl einen Mord wagen, aber nicht diesen Mord zur Auf- hebung des sempronischen Ackergesetzes benutzen; durch den wahnsinnigen Ausbruch der Parteiwuth war das Gesetz selbst weit mehr befestigt als erschüttert worden. Die reformistisch gesinnte Partei der Aristokratie, welche die Domanialtheilung of- fen begünstigte, an ihrer Spitze Quintus Metellus, eben um diese Zeit (623) Censor, und Publius Scaevola, gewann in Verbindung mit der Partei des Scipio Aemilianus, die der Reform wenigstens nicht abgeneigt war, selbst im Senat für jetzt die Oberhand und ausdrücklich wies ein Senatsbeschluſs die Theilungscommission an ihre Arbeiten zu beginnen. Für Tiberius Gracchus trat in die- selbe ein der Schwiegervater seines Bruders Gaius, Publius Cras- sus Mucianus, und nachdem dieser 624 gefallen (S. 52) und auch Appius Claudius gestorben war, traten an ihre Stelle zwei der thätigsten Führer der Bewegungspartei, Marcus Fulvius Flaccus und Gaius Papirius Carbo. Schon die Namen dieser Männer bürgen dafür, daſs das Geschäft der Einziehung und Auftheilung des occupirten Domaniallandes von ihnen mit Eifer und Nach- druck betrieben sein wird; und in der That fehlt es auch dafür nicht an Beweisen. Zwar neue städtische Gemeinden entstanden durch diese Landanweisungen nicht, da die zur Vertheilung ge- brachten Domänen durch ganz Italien zerstreut lagen; aber schon

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/101
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. [91]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/101>, abgerufen am 23.04.2024.