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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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KAPITEL I.


Marcus Lepidus und Quintus Sertorius.

Die Oligarchie, die, als Sulla im J. 676 starb, unumschränkt
den römischen Staat beherrschte, war durch Gewalt gegründet
worden; sie bedurfte der Gewalt, um sich zu behaupten. Ihr ent-
gegen stand nicht etwa eine einfache Partei mit klar ausgespro-
chenen Zwecken und unter bestimmt anerkannten Führern, son-
dern eine Masse der mannigfaltigsten Elemente, die wohl im All-
gemeinen unter dem Namen der Popularpartei sich zusammen-
fassten, aber doch in der That aus den verschiedenartigsten
Gründen und in der verschiedenartigsten Absicht gegen die sul-
lanische Ordnung des Gemeinwesens Opposition machten. Da
waren die Männer des positiven Rechts, die Politik weder mach-
ten noch verstanden, denen aber Sullas willkürliches Schalten mit
dem Leben und Eigenthum der Bürger ein Gräuel war. Noch bei
Lebzeiten Sullas, während jede andere Opposition schwieg, lehn-
ten die strengen Juristen gegen den Regenten sich auf und wurden
zum Beispiel die cornelischen Gesetze, welche verschiedenen ita-
lischen Bürgerschaften das römische Bürgerrecht aberkannten,
in gerichtlichen Entscheidungen als nichtig behandelt, ebenso
das Bürgerrecht von den Gerichten erachtet als nicht aufgeho-
ben durch die Kriegsgefangenschaft und den Verkauf in die Scla-
verei während der Revolution. Da waren ferner die Ueberreste
der alten liberalen Senatsminorität, welche in früheren Zeiten
auf Concessionen an die Reformpartei und an die Italiker ge-
drungen hatte und jetzt in ähnlicher Weise geneigt war die starr
oligarchische Verfassung Sullas durch Zugeständnisse an die Po-

1*
KAPITEL I.


Marcus Lepidus und Quintus Sertorius.

Die Oligarchie, die, als Sulla im J. 676 starb, unumschränkt
den römischen Staat beherrschte, war durch Gewalt gegründet
worden; sie bedurfte der Gewalt, um sich zu behaupten. Ihr ent-
gegen stand nicht etwa eine einfache Partei mit klar ausgespro-
chenen Zwecken und unter bestimmt anerkannten Führern, son-
dern eine Masse der mannigfaltigsten Elemente, die wohl im All-
gemeinen unter dem Namen der Popularpartei sich zusammen-
faſsten, aber doch in der That aus den verschiedenartigsten
Gründen und in der verschiedenartigsten Absicht gegen die sul-
lanische Ordnung des Gemeinwesens Opposition machten. Da
waren die Männer des positiven Rechts, die Politik weder mach-
ten noch verstanden, denen aber Sullas willkürliches Schalten mit
dem Leben und Eigenthum der Bürger ein Gräuel war. Noch bei
Lebzeiten Sullas, während jede andere Opposition schwieg, lehn-
ten die strengen Juristen gegen den Regenten sich auf und wurden
zum Beispiel die cornelischen Gesetze, welche verschiedenen ita-
lischen Bürgerschaften das römische Bürgerrecht aberkannten,
in gerichtlichen Entscheidungen als nichtig behandelt, ebenso
das Bürgerrecht von den Gerichten erachtet als nicht aufgeho-
ben durch die Kriegsgefangenschaft und den Verkauf in die Scla-
verei während der Revolution. Da waren ferner die Ueberreste
der alten liberalen Senatsminorität, welche in früheren Zeiten
auf Concessionen an die Reformpartei und an die Italiker ge-
drungen hatte und jetzt in ähnlicher Weise geneigt war die starr
oligarchische Verfassung Sullas durch Zugeständnisse an die Po-

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[[3]/0013] KAPITEL I. Marcus Lepidus und Quintus Sertorius. Die Oligarchie, die, als Sulla im J. 676 starb, unumschränkt den römischen Staat beherrschte, war durch Gewalt gegründet worden; sie bedurfte der Gewalt, um sich zu behaupten. Ihr ent- gegen stand nicht etwa eine einfache Partei mit klar ausgespro- chenen Zwecken und unter bestimmt anerkannten Führern, son- dern eine Masse der mannigfaltigsten Elemente, die wohl im All- gemeinen unter dem Namen der Popularpartei sich zusammen- faſsten, aber doch in der That aus den verschiedenartigsten Gründen und in der verschiedenartigsten Absicht gegen die sul- lanische Ordnung des Gemeinwesens Opposition machten. Da waren die Männer des positiven Rechts, die Politik weder mach- ten noch verstanden, denen aber Sullas willkürliches Schalten mit dem Leben und Eigenthum der Bürger ein Gräuel war. Noch bei Lebzeiten Sullas, während jede andere Opposition schwieg, lehn- ten die strengen Juristen gegen den Regenten sich auf und wurden zum Beispiel die cornelischen Gesetze, welche verschiedenen ita- lischen Bürgerschaften das römische Bürgerrecht aberkannten, in gerichtlichen Entscheidungen als nichtig behandelt, ebenso das Bürgerrecht von den Gerichten erachtet als nicht aufgeho- ben durch die Kriegsgefangenschaft und den Verkauf in die Scla- verei während der Revolution. Da waren ferner die Ueberreste der alten liberalen Senatsminorität, welche in früheren Zeiten auf Concessionen an die Reformpartei und an die Italiker ge- drungen hatte und jetzt in ähnlicher Weise geneigt war die starr oligarchische Verfassung Sullas durch Zugeständnisse an die Po- 1*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/13>, abgerufen am 29.03.2024.