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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
ter Jugendzeit der nüchterne Römer denselben durchaus. Wie
allen denen, die in der Jugend der volle Glanz der Frauenliebe
umstrahlt hat, blieb ein Schimmer davon unvergänglich auf ihm
ruhen: noch in späteren Jahren begegneten ihm Liebesabenteuer
und Erfolge bei Frauen und blieb ihm eine gewisse Stutzerhaf-
tigkeit im äusseren Auftreten oder richtiger ein erfreuliches Be-
wusstsein der eigenen männlich schönen Erscheinung. Sorgfäl-
tig deckte er mit dem Lorbeerkranz, mit dem er in späteren Jah-
ren öffentlich erschien, die schmerzlich empfundene Glatze und
hätte ohne Zweifel manchen seiner Siege darum gegeben, wenn
er damit die jugendlichen Locken hätte zurückkaufen können.
Aber wie gern er auch noch als Monarch mit den Frauen ver-
kehrte, so hat er doch nur mit ihnen gespielt und ihnen keinerlei
Einfluss über sich eingeräumt; selbst sein vielbesprochenes Ver-
hältniss zu der Königin Kleopatra war nur angesponnen um einen
schwachen Punkt in seiner politischen Stellung zu maskiren (S.
406). Caesar war durchaus Realist und Verstandesmensch; und
was er angriff und that, war von der genialen Nüchternheit durch-
drungen und getragen, die seine innerste Eigenthümlichkeit be-
zeichnet. Ihr verdankte er das Vermögen unbeirrt durch Erin-
nern oder Erwarten energisch im Augenblick zu leben; ihr die
Fähigkeit, in jedem Augenblick mit concentrirter Kraft zu han-
deln und auch dem kleinsten und beiläufigsten Beginnen seine
volle Genialität zuzuwenden; ihr die Vielseitigkeit, mit der er er-
fasste und beherrschte, was der Verstand begreifen und der Wille
zwingen kann; ihr die sichere Leichtigkeit, mit der er seine Pe-
rioden fügte wie seine Feldzugspläne entwarf; ihr die ,wunder-
bare Heiterkeit', die in guten und bösen Tagen ihm treu blieb;
ihr die vollendete Selbstständigkeit, die keinem Liebling und kei-
ner Maitresse, ja nicht einmal dem Freunde Gewalt über sich ge-
stattete. Aus dieser Verstandesklarheit rührt es aber auch her,
dass Caesar sich über die Macht des Schicksals und das Können
des Menschen niemals Illusionen machte; für ihn war der holde
Schleier gehoben, der dem Menschen die Unzulänglichkeit seines
Wirkens verdeckte. Wie klug er auch plante und alle Möglich-
keiten bedachte, das Gefühl wich doch nie aus seiner Brust, dass
in allen Dingen das Glück, das heisst der Zufall das gute Beste
thun müsse; und damit mag es denn auch zusammenhängen,
dass er so oft dem Schicksal Paroli geboten und namentlich mit
verwegener Gleichgültigkeit seine Person wieder und wieder auf
das Spiel gesetzt hat. Wie ja wohl überwiegend verständige
Menschen in das reine Hasardspiel sich flüchten, so war auch in

FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
ter Jugendzeit der nüchterne Römer denselben durchaus. Wie
allen denen, die in der Jugend der volle Glanz der Frauenliebe
umstrahlt hat, blieb ein Schimmer davon unvergänglich auf ihm
ruhen: noch in späteren Jahren begegneten ihm Liebesabenteuer
und Erfolge bei Frauen und blieb ihm eine gewisse Stutzerhaf-
tigkeit im äuſseren Auftreten oder richtiger ein erfreuliches Be-
wuſstsein der eigenen männlich schönen Erscheinung. Sorgfäl-
tig deckte er mit dem Lorbeerkranz, mit dem er in späteren Jah-
ren öffentlich erschien, die schmerzlich empfundene Glatze und
hätte ohne Zweifel manchen seiner Siege darum gegeben, wenn
er damit die jugendlichen Locken hätte zurückkaufen können.
Aber wie gern er auch noch als Monarch mit den Frauen ver-
kehrte, so hat er doch nur mit ihnen gespielt und ihnen keinerlei
Einfluſs über sich eingeräumt; selbst sein vielbesprochenes Ver-
hältniſs zu der Königin Kleopatra war nur angesponnen um einen
schwachen Punkt in seiner politischen Stellung zu maskiren (S.
406). Caesar war durchaus Realist und Verstandesmensch; und
was er angriff und that, war von der genialen Nüchternheit durch-
drungen und getragen, die seine innerste Eigenthümlichkeit be-
zeichnet. Ihr verdankte er das Vermögen unbeirrt durch Erin-
nern oder Erwarten energisch im Augenblick zu leben; ihr die
Fähigkeit, in jedem Augenblick mit concentrirter Kraft zu han-
deln und auch dem kleinsten und beiläufigsten Beginnen seine
volle Genialität zuzuwenden; ihr die Vielseitigkeit, mit der er er-
faſste und beherrschte, was der Verstand begreifen und der Wille
zwingen kann; ihr die sichere Leichtigkeit, mit der er seine Pe-
rioden fügte wie seine Feldzugspläne entwarf; ihr die ‚wunder-
bare Heiterkeit‘, die in guten und bösen Tagen ihm treu blieb;
ihr die vollendete Selbstständigkeit, die keinem Liebling und kei-
ner Maitresse, ja nicht einmal dem Freunde Gewalt über sich ge-
stattete. Aus dieser Verstandesklarheit rührt es aber auch her,
daſs Caesar sich über die Macht des Schicksals und das Können
des Menschen niemals Illusionen machte; für ihn war der holde
Schleier gehoben, der dem Menschen die Unzulänglichkeit seines
Wirkens verdeckte. Wie klug er auch plante und alle Möglich-
keiten bedachte, das Gefühl wich doch nie aus seiner Brust, daſs
in allen Dingen das Glück, das heiſst der Zufall das gute Beste
thun müsse; und damit mag es denn auch zusammenhängen,
daſs er so oft dem Schicksal Paroli geboten und namentlich mit
verwegener Gleichgültigkeit seine Person wieder und wieder auf
das Spiel gesetzt hat. Wie ja wohl überwiegend verständige
Menschen in das reine Hasardspiel sich flüchten, so war auch in

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[430/0440] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. ter Jugendzeit der nüchterne Römer denselben durchaus. Wie allen denen, die in der Jugend der volle Glanz der Frauenliebe umstrahlt hat, blieb ein Schimmer davon unvergänglich auf ihm ruhen: noch in späteren Jahren begegneten ihm Liebesabenteuer und Erfolge bei Frauen und blieb ihm eine gewisse Stutzerhaf- tigkeit im äuſseren Auftreten oder richtiger ein erfreuliches Be- wuſstsein der eigenen männlich schönen Erscheinung. Sorgfäl- tig deckte er mit dem Lorbeerkranz, mit dem er in späteren Jah- ren öffentlich erschien, die schmerzlich empfundene Glatze und hätte ohne Zweifel manchen seiner Siege darum gegeben, wenn er damit die jugendlichen Locken hätte zurückkaufen können. Aber wie gern er auch noch als Monarch mit den Frauen ver- kehrte, so hat er doch nur mit ihnen gespielt und ihnen keinerlei Einfluſs über sich eingeräumt; selbst sein vielbesprochenes Ver- hältniſs zu der Königin Kleopatra war nur angesponnen um einen schwachen Punkt in seiner politischen Stellung zu maskiren (S. 406). Caesar war durchaus Realist und Verstandesmensch; und was er angriff und that, war von der genialen Nüchternheit durch- drungen und getragen, die seine innerste Eigenthümlichkeit be- zeichnet. Ihr verdankte er das Vermögen unbeirrt durch Erin- nern oder Erwarten energisch im Augenblick zu leben; ihr die Fähigkeit, in jedem Augenblick mit concentrirter Kraft zu han- deln und auch dem kleinsten und beiläufigsten Beginnen seine volle Genialität zuzuwenden; ihr die Vielseitigkeit, mit der er er- faſste und beherrschte, was der Verstand begreifen und der Wille zwingen kann; ihr die sichere Leichtigkeit, mit der er seine Pe- rioden fügte wie seine Feldzugspläne entwarf; ihr die ‚wunder- bare Heiterkeit‘, die in guten und bösen Tagen ihm treu blieb; ihr die vollendete Selbstständigkeit, die keinem Liebling und kei- ner Maitresse, ja nicht einmal dem Freunde Gewalt über sich ge- stattete. Aus dieser Verstandesklarheit rührt es aber auch her, daſs Caesar sich über die Macht des Schicksals und das Können des Menschen niemals Illusionen machte; für ihn war der holde Schleier gehoben, der dem Menschen die Unzulänglichkeit seines Wirkens verdeckte. Wie klug er auch plante und alle Möglich- keiten bedachte, das Gefühl wich doch nie aus seiner Brust, daſs in allen Dingen das Glück, das heiſst der Zufall das gute Beste thun müsse; und damit mag es denn auch zusammenhängen, daſs er so oft dem Schicksal Paroli geboten und namentlich mit verwegener Gleichgültigkeit seine Person wieder und wieder auf das Spiel gesetzt hat. Wie ja wohl überwiegend verständige Menschen in das reine Hasardspiel sich flüchten, so war auch in

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/440>, abgerufen am 29.03.2024.