Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
mit einer Mauer umziehen. Man wird durch diese Versuche der
Seeherrschaft sich zu versichern an den persischen Grosskönig
erinnert, der das Meer mit Ruthen peitschen liess, um es sich
unterthänig zu machen. Wohl hatte die Nation guten Grund
ihren Bankerott der Restaurationsregierung zur Last zu legen.
Immer schon war mit der Wiederherstellung der Oligarchie ein
ähnliches Missregiment gekommen, nach dem Sturz der Gracchen
wie nach dem des Marius und Saturninus; aber so gewaltsam
und zugleich doch auch so schlaff, so verdorben und verderblich
war dasselbe nie zuvor aufgetreten. Wenn eine Regierung so wie
diese nicht regieren kann, hört sie auf legitim zu sein und es hat
wer die Macht, auch das Recht sie zu stürzen. Zwar ist es leider
wahr, dass eine unfähige und verbrecherische Regierung lange
Zeit das Wohl und die Ehre des Landes mit Füssen zu treten
vermag, bevor die Männer sich finden, welche die furchtbaren
Waffen, die sie selber gegen sich geschmiedet, regieren und aus
der sittlichen Empörung der Tüchtigen und dem Nothstande der
Vielen die in solchem Fall legitime Revolution heraufbeschwören
können und wollen. Aber wenn das Spiel mit dem Glücke der
Völker ein lustiges sein mag und wohl lange Zeit hindurch unge-
stört gespielt werden kann, so ist es doch auch ein tückisches,
das zu seiner Zeit die Spieler verschlingt; und Niemand schilt
dann die Axt, wenn sie dem Baum, der solche Früchte trägt, sich
an die Wurzel legt. Für die römische Oligarchie war diese Zeit
jetzt gekommen. Der pontisch-armenische Krieg und die Pira-
tenangelegenheit wurden die nächsten Ursachen zum Umsturz
der sullanischen Verfassung und zur Einsetzung einer revolutio-
nären Militärdictatur.




6*

DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
mit einer Mauer umziehen. Man wird durch diese Versuche der
Seeherrschaft sich zu versichern an den persischen Groſskönig
erinnert, der das Meer mit Ruthen peitschen lieſs, um es sich
unterthänig zu machen. Wohl hatte die Nation guten Grund
ihren Bankerott der Restaurationsregierung zur Last zu legen.
Immer schon war mit der Wiederherstellung der Oligarchie ein
ähnliches Miſsregiment gekommen, nach dem Sturz der Gracchen
wie nach dem des Marius und Saturninus; aber so gewaltsam
und zugleich doch auch so schlaff, so verdorben und verderblich
war dasselbe nie zuvor aufgetreten. Wenn eine Regierung so wie
diese nicht regieren kann, hört sie auf legitim zu sein und es hat
wer die Macht, auch das Recht sie zu stürzen. Zwar ist es leider
wahr, daſs eine unfähige und verbrecherische Regierung lange
Zeit das Wohl und die Ehre des Landes mit Füſsen zu treten
vermag, bevor die Männer sich finden, welche die furchtbaren
Waffen, die sie selber gegen sich geschmiedet, regieren und aus
der sittlichen Empörung der Tüchtigen und dem Nothstande der
Vielen die in solchem Fall legitime Revolution heraufbeschwören
können und wollen. Aber wenn das Spiel mit dem Glücke der
Völker ein lustiges sein mag und wohl lange Zeit hindurch unge-
stört gespielt werden kann, so ist es doch auch ein tückisches,
das zu seiner Zeit die Spieler verschlingt; und Niemand schilt
dann die Axt, wenn sie dem Baum, der solche Früchte trägt, sich
an die Wurzel legt. Für die römische Oligarchie war diese Zeit
jetzt gekommen. Der pontisch-armenische Krieg und die Pira-
tenangelegenheit wurden die nächsten Ursachen zum Umsturz
der sullanischen Verfassung und zur Einsetzung einer revolutio-
nären Militärdictatur.




6*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0093" n="83"/><fw place="top" type="header">DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.</fw><lb/>
mit einer Mauer umziehen. Man wird durch diese Versuche der<lb/>
Seeherrschaft sich zu versichern an den persischen Gro&#x017F;skönig<lb/>
erinnert, der das Meer mit Ruthen peitschen lie&#x017F;s, um es sich<lb/>
unterthänig zu machen. Wohl hatte die Nation guten Grund<lb/>
ihren Bankerott der Restaurationsregierung zur Last zu legen.<lb/>
Immer schon war mit der Wiederherstellung der Oligarchie ein<lb/>
ähnliches Mi&#x017F;sregiment gekommen, nach dem Sturz der Gracchen<lb/>
wie nach dem des Marius und Saturninus; aber so gewaltsam<lb/>
und zugleich doch auch so schlaff, so verdorben und verderblich<lb/>
war dasselbe nie zuvor aufgetreten. Wenn eine Regierung so wie<lb/>
diese nicht regieren kann, hört sie auf legitim zu sein und es hat<lb/>
wer die Macht, auch das Recht sie zu stürzen. Zwar ist es leider<lb/>
wahr, da&#x017F;s eine unfähige und verbrecherische Regierung lange<lb/>
Zeit das Wohl und die Ehre des Landes mit Fü&#x017F;sen zu treten<lb/>
vermag, bevor die Männer sich finden, welche die furchtbaren<lb/>
Waffen, die sie selber gegen sich geschmiedet, regieren und aus<lb/>
der sittlichen Empörung der Tüchtigen und dem Nothstande der<lb/>
Vielen die in solchem Fall legitime Revolution heraufbeschwören<lb/>
können und wollen. Aber wenn das Spiel mit dem Glücke der<lb/>
Völker ein lustiges sein mag und wohl lange Zeit hindurch unge-<lb/>
stört gespielt werden kann, so ist es doch auch ein tückisches,<lb/>
das zu seiner Zeit die Spieler verschlingt; und Niemand schilt<lb/>
dann die Axt, wenn sie dem Baum, der solche Früchte trägt, sich<lb/>
an die Wurzel legt. Für die römische Oligarchie war diese Zeit<lb/>
jetzt gekommen. Der pontisch-armenische Krieg und die Pira-<lb/>
tenangelegenheit wurden die nächsten Ursachen zum Umsturz<lb/>
der sullanischen Verfassung und zur Einsetzung einer revolutio-<lb/>
nären Militärdictatur.</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <fw place="bottom" type="sig">6*</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0093] DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. mit einer Mauer umziehen. Man wird durch diese Versuche der Seeherrschaft sich zu versichern an den persischen Groſskönig erinnert, der das Meer mit Ruthen peitschen lieſs, um es sich unterthänig zu machen. Wohl hatte die Nation guten Grund ihren Bankerott der Restaurationsregierung zur Last zu legen. Immer schon war mit der Wiederherstellung der Oligarchie ein ähnliches Miſsregiment gekommen, nach dem Sturz der Gracchen wie nach dem des Marius und Saturninus; aber so gewaltsam und zugleich doch auch so schlaff, so verdorben und verderblich war dasselbe nie zuvor aufgetreten. Wenn eine Regierung so wie diese nicht regieren kann, hört sie auf legitim zu sein und es hat wer die Macht, auch das Recht sie zu stürzen. Zwar ist es leider wahr, daſs eine unfähige und verbrecherische Regierung lange Zeit das Wohl und die Ehre des Landes mit Füſsen zu treten vermag, bevor die Männer sich finden, welche die furchtbaren Waffen, die sie selber gegen sich geschmiedet, regieren und aus der sittlichen Empörung der Tüchtigen und dem Nothstande der Vielen die in solchem Fall legitime Revolution heraufbeschwören können und wollen. Aber wenn das Spiel mit dem Glücke der Völker ein lustiges sein mag und wohl lange Zeit hindurch unge- stört gespielt werden kann, so ist es doch auch ein tückisches, das zu seiner Zeit die Spieler verschlingt; und Niemand schilt dann die Axt, wenn sie dem Baum, der solche Früchte trägt, sich an die Wurzel legt. Für die römische Oligarchie war diese Zeit jetzt gekommen. Der pontisch-armenische Krieg und die Pira- tenangelegenheit wurden die nächsten Ursachen zum Umsturz der sullanischen Verfassung und zur Einsetzung einer revolutio- nären Militärdictatur. 6*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/93
Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/93>, abgerufen am 29.03.2024.