Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


schönsten Einsamkeit selber nur schwärmen, wiewohl dieses, um seinen aufgebrachten Bewegungen einsam freyen Lauf zu lassen, und sich derselben und ihrer Unruhe nur zu entladen, zuweilen nöthig und dienlich seyn mag, damit man sich endlich ruhig in einen festen Punkt setzen möge. Allein nun, welch ein Sammlungspunkt soll dann in der Seele seyn, wohin alle Kräfte zu richten sind, alle Richtung zusammen gezogen werden muß, um gute Stärkung von Grund aus zu sammeln, die in der Arbeit und Zerstreuung aushalten möge, um ein rechtschaffen erwünschtes Ziel zu erhalten, und wenigstens davon nicht zu weit abzukommen unter tausend Reizen und Anstößen? Erstlich muß nun ein jeder selbst, weil die Natur- und Gewohnheitsanlagen unendlich verschieden sind, in seiner eignen Seele beobachten, was eigentlich am meisten, am besten, am stärksten ihn zum höchsten Gut reizen, und seine Kräfte insgesamt am meisten darzu ziehen, sammeln, und halten könne; und diesem eigentlichen Mittel, das ihm besonders nun am besten zu dem Zwecke dienen kann, muß er aus allen Kräften nachgehen, so lange ihm solches so zweckmäßig kräftig dienet, und wenn dies Mittel auch an sich eine Kleinigkeit wäre, als z.B. ein Bild oder ein Musikspiel, wobei er seine Gedanken und Neigungen am rührendsten zum Guten sammeln, seinen Geist am ehesten zum Himmel und zum Höchsten über alles erheben, oder sein Herz in tiefste Demuth vor Gott versenken könnte.


schoͤnsten Einsamkeit selber nur schwaͤrmen, wiewohl dieses, um seinen aufgebrachten Bewegungen einsam freyen Lauf zu lassen, und sich derselben und ihrer Unruhe nur zu entladen, zuweilen noͤthig und dienlich seyn mag, damit man sich endlich ruhig in einen festen Punkt setzen moͤge. Allein nun, welch ein Sammlungspunkt soll dann in der Seele seyn, wohin alle Kraͤfte zu richten sind, alle Richtung zusammen gezogen werden muß, um gute Staͤrkung von Grund aus zu sammeln, die in der Arbeit und Zerstreuung aushalten moͤge, um ein rechtschaffen erwuͤnschtes Ziel zu erhalten, und wenigstens davon nicht zu weit abzukommen unter tausend Reizen und Anstoͤßen? Erstlich muß nun ein jeder selbst, weil die Natur- und Gewohnheitsanlagen unendlich verschieden sind, in seiner eignen Seele beobachten, was eigentlich am meisten, am besten, am staͤrksten ihn zum hoͤchsten Gut reizen, und seine Kraͤfte insgesamt am meisten darzu ziehen, sammeln, und halten koͤnne; und diesem eigentlichen Mittel, das ihm besonders nun am besten zu dem Zwecke dienen kann, muß er aus allen Kraͤften nachgehen, so lange ihm solches so zweckmaͤßig kraͤftig dienet, und wenn dies Mittel auch an sich eine Kleinigkeit waͤre, als z.B. ein Bild oder ein Musikspiel, wobei er seine Gedanken und Neigungen am ruͤhrendsten zum Guten sammeln, seinen Geist am ehesten zum Himmel und zum Hoͤchsten uͤber alles erheben, oder sein Herz in tiefste Demuth vor Gott versenken koͤnnte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0021" n="19"/><lb/>
scho&#x0364;nsten Einsamkeit selber nur schwa&#x0364;rmen,                         wiewohl dieses, um seinen aufgebrachten Bewegungen einsam freyen Lauf zu                         lassen, und sich derselben und ihrer Unruhe nur zu entladen, zuweilen no&#x0364;thig                         und dienlich seyn mag, damit man sich endlich ruhig in einen festen Punkt                         setzen mo&#x0364;ge. Allein nun, welch ein Sammlungspunkt soll dann in der Seele                         seyn, wohin alle Kra&#x0364;fte zu richten sind, alle Richtung zusammen gezogen                         werden muß, um gute Sta&#x0364;rkung von Grund aus zu sammeln, die in der Arbeit und                         Zerstreuung aushalten mo&#x0364;ge, um ein rechtschaffen erwu&#x0364;nschtes Ziel zu                         erhalten, und wenigstens davon nicht zu weit abzukommen unter tausend Reizen                         und Ansto&#x0364;ßen? Erstlich muß nun ein jeder selbst, weil die Natur- und                         Gewohnheitsanlagen unendlich verschieden sind, in seiner eignen Seele                         beobachten, was eigentlich am meisten, am besten, am sta&#x0364;rksten ihn zum                         ho&#x0364;chsten Gut reizen, und seine Kra&#x0364;fte insgesamt am meisten darzu ziehen,                         sammeln, und halten ko&#x0364;nne; und diesem eigentlichen Mittel, das ihm besonders                         nun am besten zu dem Zwecke dienen kann, muß er aus allen Kra&#x0364;ften nachgehen,                         so lange ihm solches so zweckma&#x0364;ßig kra&#x0364;ftig dienet, und wenn dies Mittel auch                         an sich eine Kleinigkeit wa&#x0364;re, als z.B. ein Bild oder ein Musikspiel, wobei                         er seine Gedanken und Neigungen am ru&#x0364;hrendsten zum Guten sammeln, seinen                         Geist am ehesten zum Himmel und zum Ho&#x0364;chsten u&#x0364;ber alles erheben, oder sein                         Herz in tiefste Demuth vor Gott versenken ko&#x0364;nnte.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0021] schoͤnsten Einsamkeit selber nur schwaͤrmen, wiewohl dieses, um seinen aufgebrachten Bewegungen einsam freyen Lauf zu lassen, und sich derselben und ihrer Unruhe nur zu entladen, zuweilen noͤthig und dienlich seyn mag, damit man sich endlich ruhig in einen festen Punkt setzen moͤge. Allein nun, welch ein Sammlungspunkt soll dann in der Seele seyn, wohin alle Kraͤfte zu richten sind, alle Richtung zusammen gezogen werden muß, um gute Staͤrkung von Grund aus zu sammeln, die in der Arbeit und Zerstreuung aushalten moͤge, um ein rechtschaffen erwuͤnschtes Ziel zu erhalten, und wenigstens davon nicht zu weit abzukommen unter tausend Reizen und Anstoͤßen? Erstlich muß nun ein jeder selbst, weil die Natur- und Gewohnheitsanlagen unendlich verschieden sind, in seiner eignen Seele beobachten, was eigentlich am meisten, am besten, am staͤrksten ihn zum hoͤchsten Gut reizen, und seine Kraͤfte insgesamt am meisten darzu ziehen, sammeln, und halten koͤnne; und diesem eigentlichen Mittel, das ihm besonders nun am besten zu dem Zwecke dienen kann, muß er aus allen Kraͤften nachgehen, so lange ihm solches so zweckmaͤßig kraͤftig dienet, und wenn dies Mittel auch an sich eine Kleinigkeit waͤre, als z.B. ein Bild oder ein Musikspiel, wobei er seine Gedanken und Neigungen am ruͤhrendsten zum Guten sammeln, seinen Geist am ehesten zum Himmel und zum Hoͤchsten uͤber alles erheben, oder sein Herz in tiefste Demuth vor Gott versenken koͤnnte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/21
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/21>, abgerufen am 08.10.2024.