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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

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III. 16-20.

Ein Mann, der eine Profession gelernt hatte, und auf seinen Reisen, wider Willen, in Soldatenstand gerathen war, wurde, aus Widerwillen gegen den Dienst liederlich. Als er nun einst als Deserteur bestraft zu werden, mit Recht zu fürchten glaubte, entschloß er sich aus Lebensüberdruß, Hungers zu sterben. Zu diesem Ende versteckte er sich auf den obersten Boden von eines Tabackspinners Haus, wo er vierzehn Tage nachher ganz vom Hunger entkräftet gefunden wurde. Darauf wurde er in das Lazareth geschickt. Hier hörte er, daß er allem Vermuthen nach Zeitlebens auf die Festung kommen möchte. Um also dieser lebenslangen Strafe zu entgehen, da er ohnedem schon des Lebens überdrüssig war, faßte er den Entschluß, durch einen Mord, seine Strafe zum Tode zu graviren; welchen Entschluß er auch an seinem Kameraden (da ihm die Zeit zu lang war, auf die Wiederkunft seiner ihm gehässigen Wärterin, an der er diese Rache hatte ausüben wollen, zu warten) ausführte. Jm Verhöre gestand er alles, und bereuete sehr, daß er das Leben einer unschuldigen Person zum Opfer seines Lebensüberdrusses gemacht hatte.




III. 16-20.

Ein Mann, der eine Profession gelernt hatte, und auf seinen Reisen, wider Willen, in Soldatenstand gerathen war, wurde, aus Widerwillen gegen den Dienst liederlich. Als er nun einst als Deserteur bestraft zu werden, mit Recht zu fuͤrchten glaubte, entschloß er sich aus Lebensuͤberdruß, Hungers zu sterben. Zu diesem Ende versteckte er sich auf den obersten Boden von eines Tabackspinners Haus, wo er vierzehn Tage nachher ganz vom Hunger entkraͤftet gefunden wurde. Darauf wurde er in das Lazareth geschickt. Hier hoͤrte er, daß er allem Vermuthen nach Zeitlebens auf die Festung kommen moͤchte. Um also dieser lebenslangen Strafe zu entgehen, da er ohnedem schon des Lebens uͤberdruͤssig war, faßte er den Entschluß, durch einen Mord, seine Strafe zum Tode zu graviren; welchen Entschluß er auch an seinem Kameraden (da ihm die Zeit zu lang war, auf die Wiederkunft seiner ihm gehaͤssigen Waͤrterin, an der er diese Rache hatte ausuͤben wollen, zu warten) ausfuͤhrte. Jm Verhoͤre gestand er alles, und bereuete sehr, daß er das Leben einer unschuldigen Person zum Opfer seines Lebensuͤberdrusses gemacht hatte.



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[6/0006] III. 16-20. Ein Mann, der eine Profession gelernt hatte, und auf seinen Reisen, wider Willen, in Soldatenstand gerathen war, wurde, aus Widerwillen gegen den Dienst liederlich. Als er nun einst als Deserteur bestraft zu werden, mit Recht zu fuͤrchten glaubte, entschloß er sich aus Lebensuͤberdruß, Hungers zu sterben. Zu diesem Ende versteckte er sich auf den obersten Boden von eines Tabackspinners Haus, wo er vierzehn Tage nachher ganz vom Hunger entkraͤftet gefunden wurde. Darauf wurde er in das Lazareth geschickt. Hier hoͤrte er, daß er allem Vermuthen nach Zeitlebens auf die Festung kommen moͤchte. Um also dieser lebenslangen Strafe zu entgehen, da er ohnedem schon des Lebens uͤberdruͤssig war, faßte er den Entschluß, durch einen Mord, seine Strafe zum Tode zu graviren; welchen Entschluß er auch an seinem Kameraden (da ihm die Zeit zu lang war, auf die Wiederkunft seiner ihm gehaͤssigen Waͤrterin, an der er diese Rache hatte ausuͤben wollen, zu warten) ausfuͤhrte. Jm Verhoͤre gestand er alles, und bereuete sehr, daß er das Leben einer unschuldigen Person zum Opfer seines Lebensuͤberdrusses gemacht hatte.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/6>, abgerufen am 18.04.2024.