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Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783.

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flexionen und wichtige Fakta wachsen, die sich wech-
selseitig einander zu Hülfe kommen.

Alles ängstliche Hinarbeiten aber auf ein festes
System muß dabei gänzlich vermieden werden, und
fürs erste muß alles nur ohngefährer Entwurf
seyn, worinn immer noch manche Linie wieder ver-
wischt werden kann, wenn auch sogar das Ganze
darüber eine völlig andre Gestalt gewinnen sollte.

Zu einem solchen Entwurfe habe ich es ge-
wagt, folgende Grundlinien auf gut Glück zu ziehen,
und werde mit der größten Gleichgültigkeit eine nach
der andern wieder auslöschen, sobald sich Fakta ein-
finden, welche dagegen streiten. Mit ununter-
brochner Aufmerksamkeit will ich über die Unpar-
theilichkeit meiner Gedanken wachen, und gelingt
mir dieser Vorsatz, so hoffe ich, daß er mich der-
einst zur Wahrheit führen wird.

Wenigstens können folgende Winke dazu nutzen,
daß sie zu mehrern Arten von Beobachtungen Ver-
anlassung geben, wodurch sich vielleicht ganz etwas
anders ergiebt, als worauf man zuerst bei seinen
Untersuchungen ausging: denn wer ein schlechtes
Stückchen Silber sucht, kann wohl statt dessen ei-
nen Edelgestein finden.




1) Man-

flexionen und wichtige Fakta wachsen, die sich wech-
selseitig einander zu Huͤlfe kommen.

Alles aͤngstliche Hinarbeiten aber auf ein festes
System muß dabei gaͤnzlich vermieden werden, und
fuͤrs erste muß alles nur ohngefaͤhrer Entwurf
seyn, worinn immer noch manche Linie wieder ver-
wischt werden kann, wenn auch sogar das Ganze
daruͤber eine voͤllig andre Gestalt gewinnen sollte.

Zu einem solchen Entwurfe habe ich es ge-
wagt, folgende Grundlinien auf gut Gluͤck zu ziehen,
und werde mit der groͤßten Gleichguͤltigkeit eine nach
der andern wieder ausloͤschen, sobald sich Fakta ein-
finden, welche dagegen streiten. Mit ununter-
brochner Aufmerksamkeit will ich uͤber die Unpar-
theilichkeit meiner Gedanken wachen, und gelingt
mir dieser Vorsatz, so hoffe ich, daß er mich der-
einst zur Wahrheit fuͤhren wird.

Wenigstens koͤnnen folgende Winke dazu nutzen,
daß sie zu mehrern Arten von Beobachtungen Ver-
anlassung geben, wodurch sich vielleicht ganz etwas
anders ergiebt, als worauf man zuerst bei seinen
Untersuchungen ausging: denn wer ein schlechtes
Stuͤckchen Silber sucht, kann wohl statt dessen ei-
nen Edelgestein finden.




1) Man-
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[32/0036] flexionen und wichtige Fakta wachsen, die sich wech- selseitig einander zu Huͤlfe kommen. Alles aͤngstliche Hinarbeiten aber auf ein festes System muß dabei gaͤnzlich vermieden werden, und fuͤrs erste muß alles nur ohngefaͤhrer Entwurf seyn, worinn immer noch manche Linie wieder ver- wischt werden kann, wenn auch sogar das Ganze daruͤber eine voͤllig andre Gestalt gewinnen sollte. Zu einem solchen Entwurfe habe ich es ge- wagt, folgende Grundlinien auf gut Gluͤck zu ziehen, und werde mit der groͤßten Gleichguͤltigkeit eine nach der andern wieder ausloͤschen, sobald sich Fakta ein- finden, welche dagegen streiten. Mit ununter- brochner Aufmerksamkeit will ich uͤber die Unpar- theilichkeit meiner Gedanken wachen, und gelingt mir dieser Vorsatz, so hoffe ich, daß er mich der- einst zur Wahrheit fuͤhren wird. Wenigstens koͤnnen folgende Winke dazu nutzen, daß sie zu mehrern Arten von Beobachtungen Ver- anlassung geben, wodurch sich vielleicht ganz etwas anders ergiebt, als worauf man zuerst bei seinen Untersuchungen ausging: denn wer ein schlechtes Stuͤckchen Silber sucht, kann wohl statt dessen ei- nen Edelgestein finden. 1) Man-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 1, St. 1. Berlin, 1783, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01_1783/36>, abgerufen am 24.04.2024.