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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784.

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hintereinander herbeten, allenfalls: in Gottesnahmen und dergleichen Formeln sagen, aber zu den Seinigen konnte er so wenig, als zu Besuchern, auch nur ein paar Worte nach einander vernehmlich und in vernünftigem Zusammenhange reden, geschweige irgend eine, ihm sonst geläufige, Vorstellung seiner Seele ganz und deutlich vortragen.

Er fühlte dieses Unvermögen, weinte oder wurde unwillig darüber, und gab seinen Unwillen durch die Worte, Christus Jesus Gottes Sohn, oder durch andre Ausdrücke zu erkennen. Heute den 7ten März ist sein Zustand noch der nämliche, wobei er seine übrigen Glieder, wie sonsten, brauchen, sich in der Stube bewegen, mit Appetit essen und gut schlafen kann.



IV. Auszug aus einem Briefe des fürstlich K-ischen Wundarzts J. an den Herrn Pastor R.

Jch muß Jhnen sagen, daß wir einige Hofnung hatten, Jhre Tante*) wieder herzustellen, aber

*) Die Rede ist von einem Frauenzimmer in K., die ohngefähr 25 Jahr alt war, mittlerer Statur, sehr schön, hager. Sie aß viel, war bis in ihr 23stes Jahr ganz gesund; von einer Schwärmerin erzogen, die eine berühmte Pfuscherinn in der Arzneikunst war. Dazu wollte sie dieselbe auch vorbereiten. Allein im 23sten Jahre wurde sie verheurathet an einen Mann, der derbes und gesundes Fleisch hatte, alle Schwärmerei verlachte und sie für Quaquelei hielt. Er hielt also seine Frau für eine Närrin, die affektiren wollte, und achtete auf ihr Pimpeln, wie er es nannte, wenig.


hintereinander herbeten, allenfalls: in Gottesnahmen und dergleichen Formeln sagen, aber zu den Seinigen konnte er so wenig, als zu Besuchern, auch nur ein paar Worte nach einander vernehmlich und in vernuͤnftigem Zusammenhange reden, geschweige irgend eine, ihm sonst gelaͤufige, Vorstellung seiner Seele ganz und deutlich vortragen.

Er fuͤhlte dieses Unvermoͤgen, weinte oder wurde unwillig daruͤber, und gab seinen Unwillen durch die Worte, Christus Jesus Gottes Sohn, oder durch andre Ausdruͤcke zu erkennen. Heute den 7ten Maͤrz ist sein Zustand noch der naͤmliche, wobei er seine uͤbrigen Glieder, wie sonsten, brauchen, sich in der Stube bewegen, mit Appetit essen und gut schlafen kann.



IV. Auszug aus einem Briefe des fuͤrstlich K-ischen Wundarzts J. an den Herrn Pastor R.

Jch muß Jhnen sagen, daß wir einige Hofnung hatten, Jhre Tante*) wieder herzustellen, aber

*) Die Rede ist von einem Frauenzimmer in K., die ohngefaͤhr 25 Jahr alt war, mittlerer Statur, sehr schoͤn, hager. Sie aß viel, war bis in ihr 23stes Jahr ganz gesund; von einer Schwaͤrmerin erzogen, die eine beruͤhmte Pfuscherinn in der Arzneikunst war. Dazu wollte sie dieselbe auch vorbereiten. Allein im 23sten Jahre wurde sie verheurathet an einen Mann, der derbes und gesundes Fleisch hatte, alle Schwaͤrmerei verlachte und sie fuͤr Quaquelei hielt. Er hielt also seine Frau fuͤr eine Naͤrrin, die affektiren wollte, und achtete auf ihr Pimpeln, wie er es nannte, wenig.
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[31/0031] hintereinander herbeten, allenfalls: in Gottesnahmen und dergleichen Formeln sagen, aber zu den Seinigen konnte er so wenig, als zu Besuchern, auch nur ein paar Worte nach einander vernehmlich und in vernuͤnftigem Zusammenhange reden, geschweige irgend eine, ihm sonst gelaͤufige, Vorstellung seiner Seele ganz und deutlich vortragen. Er fuͤhlte dieses Unvermoͤgen, weinte oder wurde unwillig daruͤber, und gab seinen Unwillen durch die Worte, Christus Jesus Gottes Sohn, oder durch andre Ausdruͤcke zu erkennen. Heute den 7ten Maͤrz ist sein Zustand noch der naͤmliche, wobei er seine uͤbrigen Glieder, wie sonsten, brauchen, sich in der Stube bewegen, mit Appetit essen und gut schlafen kann. IV. Auszug aus einem Briefe des fuͤrstlich K-ischen Wundarzts J. an den Herrn Pastor R. Jch muß Jhnen sagen, daß wir einige Hofnung hatten, Jhre Tante*) wieder herzustellen, aber *) Die Rede ist von einem Frauenzimmer in K., die ohngefaͤhr 25 Jahr alt war, mittlerer Statur, sehr schoͤn, hager. Sie aß viel, war bis in ihr 23stes Jahr ganz gesund; von einer Schwaͤrmerin erzogen, die eine beruͤhmte Pfuscherinn in der Arzneikunst war. Dazu wollte sie dieselbe auch vorbereiten. Allein im 23sten Jahre wurde sie verheurathet an einen Mann, der derbes und gesundes Fleisch hatte, alle Schwaͤrmerei verlachte und sie fuͤr Quaquelei hielt. Er hielt also seine Frau fuͤr eine Naͤrrin, die affektiren wollte, und achtete auf ihr Pimpeln, wie er es nannte, wenig.

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Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 2, St. 3. Berlin, 1784, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0203_1784/31>, abgerufen am 19.04.2024.