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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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reth stube, in welche ich war gerufen worden, geöfnet wurde, so sahe ich einen starken Qualm aus derselben herauskommen: und indem ich selbst hineintrat, sahe ich eine Anzahl von vielen Kranken auf beiden Seiten der Stube, neben einander liegen, wodurch freilich ein gewisser Schauer bei mir veranlaßt wurde, den ich aber sogleich unterdrückte, und wie ich glaubte, zugleich alle Furcht besiegte. Es war dieses an einer Mittwoche geschehen: an welchem mein Wirth bei einem andern guten Freunde zum Abendessen zu seyn pflegte. Jch hatte es versprechen müssen, wenn ich aus dem Lazareth nach Hause gekommen seyn würde, und er schon fortgegangen seyn sollte, ihm gewiß dahin zu folgen. Das geschieht, ich finde daselbst noch mehrere gute Freunde, die sämtlich eine Veränderung an mir zu bemerken glauben, und mich alle fragen, ob ich mich nicht wohl befinde, wie sie aus meinem Ansehen bald schliessen sollten. Jch empfand keine Ueblichkeit, keinen Schmerz, und beklagte es im Scherz, daß ich zu wenig verzärtelt worden sey, um mich für krank auszugeben und selbst zu halten, wenn gute Freunde solche Besorgniß für mich äusserten. Den darauf folgenden Donnerstag empfinde ich schon viele Trägheit, und insonderheit Kopfschmerz, und die äusserste Armuth an Gedanken, da ich die schon angefangene Ausarbeitung der Predigt fortsetzen wollte, die ich den künftigen Sonntag halten sollte. Den Freitag nimmt die Ueblich-


reth stube, in welche ich war gerufen worden, geoͤfnet wurde, so sahe ich einen starken Qualm aus derselben herauskommen: und indem ich selbst hineintrat, sahe ich eine Anzahl von vielen Kranken auf beiden Seiten der Stube, neben einander liegen, wodurch freilich ein gewisser Schauer bei mir veranlaßt wurde, den ich aber sogleich unterdruͤckte, und wie ich glaubte, zugleich alle Furcht besiegte. Es war dieses an einer Mittwoche geschehen: an welchem mein Wirth bei einem andern guten Freunde zum Abendessen zu seyn pflegte. Jch hatte es versprechen muͤssen, wenn ich aus dem Lazareth nach Hause gekommen seyn wuͤrde, und er schon fortgegangen seyn sollte, ihm gewiß dahin zu folgen. Das geschieht, ich finde daselbst noch mehrere gute Freunde, die saͤmtlich eine Veraͤnderung an mir zu bemerken glauben, und mich alle fragen, ob ich mich nicht wohl befinde, wie sie aus meinem Ansehen bald schliessen sollten. Jch empfand keine Ueblichkeit, keinen Schmerz, und beklagte es im Scherz, daß ich zu wenig verzaͤrtelt worden sey, um mich fuͤr krank auszugeben und selbst zu halten, wenn gute Freunde solche Besorgniß fuͤr mich aͤusserten. Den darauf folgenden Donnerstag empfinde ich schon viele Traͤgheit, und insonderheit Kopfschmerz, und die aͤusserste Armuth an Gedanken, da ich die schon angefangene Ausarbeitung der Predigt fortsetzen wollte, die ich den kuͤnftigen Sonntag halten sollte. Den Freitag nimmt die Ueblich-

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[22/0022] reth stube, in welche ich war gerufen worden, geoͤfnet wurde, so sahe ich einen starken Qualm aus derselben herauskommen: und indem ich selbst hineintrat, sahe ich eine Anzahl von vielen Kranken auf beiden Seiten der Stube, neben einander liegen, wodurch freilich ein gewisser Schauer bei mir veranlaßt wurde, den ich aber sogleich unterdruͤckte, und wie ich glaubte, zugleich alle Furcht besiegte. Es war dieses an einer Mittwoche geschehen: an welchem mein Wirth bei einem andern guten Freunde zum Abendessen zu seyn pflegte. Jch hatte es versprechen muͤssen, wenn ich aus dem Lazareth nach Hause gekommen seyn wuͤrde, und er schon fortgegangen seyn sollte, ihm gewiß dahin zu folgen. Das geschieht, ich finde daselbst noch mehrere gute Freunde, die saͤmtlich eine Veraͤnderung an mir zu bemerken glauben, und mich alle fragen, ob ich mich nicht wohl befinde, wie sie aus meinem Ansehen bald schliessen sollten. Jch empfand keine Ueblichkeit, keinen Schmerz, und beklagte es im Scherz, daß ich zu wenig verzaͤrtelt worden sey, um mich fuͤr krank auszugeben und selbst zu halten, wenn gute Freunde solche Besorgniß fuͤr mich aͤusserten. Den darauf folgenden Donnerstag empfinde ich schon viele Traͤgheit, und insonderheit Kopfschmerz, und die aͤusserste Armuth an Gedanken, da ich die schon angefangene Ausarbeitung der Predigt fortsetzen wollte, die ich den kuͤnftigen Sonntag halten sollte. Den Freitag nimmt die Ueblich-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/22>, abgerufen am 28.03.2024.