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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785.

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giments schon gegenwärtig. Er sieht mich mit zurückgehaltener Erstaunung an. Jch bat ihn, kurz vorher ehe ich auf die Kanzel ging, genau nach der Uhr zu sehen, und sobald ich eine halbe Stunde würde geprediget haben, mir ein Zeichen zu geben. Die Officiere und insonderheit die beiden Obersten saßen sehr nahe bei der Kanzel; meine Stimme, die schwach und zitternd war, meine Gesichtsfarbe, meine ganze Stellung war ihnen zu auffallend, als daß sie nicht auf einen hohen Grad der Krankheit hätten schliessen sollen, die davon die Ursach sey. Endlich höre ich das verabredete Zeichen, des andern Feldpredigers, ich schließe meine Predigt und gehe nun halb ohnmächtig von der Kanzel. Zu Mittage bin ich bei meinem Wirth zu Tische, ohne freilich etwas zu geniessen. Jch bin kaum wieder auf meiner Stube, so muß ich mich ins Bette legen. Um 4 Uhr Nachmittags sahe ich Flecken auf meinen Händen, und in der Fieberhize vermuthe ich daß es die Kräze sey: Mein Wirth hatte indeß Anstalt gemacht, daß eine ordentliche Cur mit mir vorgenommen werden möchte. Er hatte den Arzt bestellt, und der findet mich schon im grösten Delirio. Jn 4 Wochen weiß ich nun nicht, was alles mit mir vorgenommen worden ist, oder was ich geredet oder gethan habe. Man hat mir verschiedenes davon erzählt, z.E. ich ließ den Auditeur des Regiments zu mir bitten, und ersuchte ihn, an meinen Vater zu schreiben, und


giments schon gegenwaͤrtig. Er sieht mich mit zuruͤckgehaltener Erstaunung an. Jch bat ihn, kurz vorher ehe ich auf die Kanzel ging, genau nach der Uhr zu sehen, und sobald ich eine halbe Stunde wuͤrde geprediget haben, mir ein Zeichen zu geben. Die Officiere und insonderheit die beiden Obersten saßen sehr nahe bei der Kanzel; meine Stimme, die schwach und zitternd war, meine Gesichtsfarbe, meine ganze Stellung war ihnen zu auffallend, als daß sie nicht auf einen hohen Grad der Krankheit haͤtten schliessen sollen, die davon die Ursach sey. Endlich hoͤre ich das verabredete Zeichen, des andern Feldpredigers, ich schließe meine Predigt und gehe nun halb ohnmaͤchtig von der Kanzel. Zu Mittage bin ich bei meinem Wirth zu Tische, ohne freilich etwas zu geniessen. Jch bin kaum wieder auf meiner Stube, so muß ich mich ins Bette legen. Um 4 Uhr Nachmittags sahe ich Flecken auf meinen Haͤnden, und in der Fieberhize vermuthe ich daß es die Kraͤze sey: Mein Wirth hatte indeß Anstalt gemacht, daß eine ordentliche Cur mit mir vorgenommen werden moͤchte. Er hatte den Arzt bestellt, und der findet mich schon im groͤsten Delirio. Jn 4 Wochen weiß ich nun nicht, was alles mit mir vorgenommen worden ist, oder was ich geredet oder gethan habe. Man hat mir verschiedenes davon erzaͤhlt, z.E. ich ließ den Auditeur des Regiments zu mir bitten, und ersuchte ihn, an meinen Vater zu schreiben, und

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[25/0025] giments schon gegenwaͤrtig. Er sieht mich mit zuruͤckgehaltener Erstaunung an. Jch bat ihn, kurz vorher ehe ich auf die Kanzel ging, genau nach der Uhr zu sehen, und sobald ich eine halbe Stunde wuͤrde geprediget haben, mir ein Zeichen zu geben. Die Officiere und insonderheit die beiden Obersten saßen sehr nahe bei der Kanzel; meine Stimme, die schwach und zitternd war, meine Gesichtsfarbe, meine ganze Stellung war ihnen zu auffallend, als daß sie nicht auf einen hohen Grad der Krankheit haͤtten schliessen sollen, die davon die Ursach sey. Endlich hoͤre ich das verabredete Zeichen, des andern Feldpredigers, ich schließe meine Predigt und gehe nun halb ohnmaͤchtig von der Kanzel. Zu Mittage bin ich bei meinem Wirth zu Tische, ohne freilich etwas zu geniessen. Jch bin kaum wieder auf meiner Stube, so muß ich mich ins Bette legen. Um 4 Uhr Nachmittags sahe ich Flecken auf meinen Haͤnden, und in der Fieberhize vermuthe ich daß es die Kraͤze sey: Mein Wirth hatte indeß Anstalt gemacht, daß eine ordentliche Cur mit mir vorgenommen werden moͤchte. Er hatte den Arzt bestellt, und der findet mich schon im groͤsten Delirio. Jn 4 Wochen weiß ich nun nicht, was alles mit mir vorgenommen worden ist, oder was ich geredet oder gethan habe. Man hat mir verschiedenes davon erzaͤhlt, z.E. ich ließ den Auditeur des Regiments zu mir bitten, und ersuchte ihn, an meinen Vater zu schreiben, und

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 2. Berlin, 1785, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0303_1785/25>, abgerufen am 25.04.2024.