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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.

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er von evangelischen Eltern gezeuget sei. Aus seiner Eltern Hause hatte er sich entfernet, wie er so groß gewesen, daß er Klafterholz schlagen können, und zwar wäre er seiner Aussage nach deswegen von seinen Eltern weggegangen, weil er närrisch gewesen. Die Ursache seiner entstandenen Narrheit gründet er auf harte Bedrohungen seines Vaters, weil er einstmahlen etwas am Wagen zerbrochen und daß ihm der Wind in Kopf gefahren. Man hatte ihn wegen seiner närrischen Zufälle zu dem Geistlichen nach Gleiwitz gebracht, der ihn durch geistliche Hülfsmittel heilen sollte, aber dieses war ohne Wirkung gewesen. Flaccus nährte sich bald hier bald dort vom Holzschlagen. 1756 stand er zu Kolberg in Militärdiensten, da er aber einmahl Prügel erhielt, dersertirte er des Nachts, gieng nach Schlesien und erwarb sich wieder sein Brod mit Holzschlagen. Sein letzter Aufenthalt war im Kochtzitzer Walde, wo er nebst andern seit der Erndte Kohlen brannte; seine Mitarbeiter aber flohen seinen Umgang, um seine ungereimte Reden nicht mit anzuhören; er arbeitete emsig, redete öfters vernünftig, unvermuthet aber verfiel er in dumme und unvernünftige Reden. Z.B. Es ist alles Koht, wir arbeiten auf Koht. Er gieng in keine Kirche und arbeitete am Sonn- und Festtage, wenn er nicht mit Gewalt davon abgehalten wurde. Er lästerte öfters Gott, hieß alle Menschen Hunde; wenn er seine Mitarbeiter beten sahe, wurde er


er von evangelischen Eltern gezeuget sei. Aus seiner Eltern Hause hatte er sich entfernet, wie er so groß gewesen, daß er Klafterholz schlagen koͤnnen, und zwar waͤre er seiner Aussage nach deswegen von seinen Eltern weggegangen, weil er naͤrrisch gewesen. Die Ursache seiner entstandenen Narrheit gruͤndet er auf harte Bedrohungen seines Vaters, weil er einstmahlen etwas am Wagen zerbrochen und daß ihm der Wind in Kopf gefahren. Man hatte ihn wegen seiner naͤrrischen Zufaͤlle zu dem Geistlichen nach Gleiwitz gebracht, der ihn durch geistliche Huͤlfsmittel heilen sollte, aber dieses war ohne Wirkung gewesen. Flaccus naͤhrte sich bald hier bald dort vom Holzschlagen. 1756 stand er zu Kolberg in Militaͤrdiensten, da er aber einmahl Pruͤgel erhielt, dersertirte er des Nachts, gieng nach Schlesien und erwarb sich wieder sein Brod mit Holzschlagen. Sein letzter Aufenthalt war im Kochtzitzer Walde, wo er nebst andern seit der Erndte Kohlen brannte; seine Mitarbeiter aber flohen seinen Umgang, um seine ungereimte Reden nicht mit anzuhoͤren; er arbeitete emsig, redete oͤfters vernuͤnftig, unvermuthet aber verfiel er in dumme und unvernuͤnftige Reden. Z.B. Es ist alles Koht, wir arbeiten auf Koht. Er gieng in keine Kirche und arbeitete am Sonn- und Festtage, wenn er nicht mit Gewalt davon abgehalten wurde. Er laͤsterte oͤfters Gott, hieß alle Menschen Hunde; wenn er seine Mitarbeiter beten sahe, wurde er

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[33/0033] er von evangelischen Eltern gezeuget sei. Aus seiner Eltern Hause hatte er sich entfernet, wie er so groß gewesen, daß er Klafterholz schlagen koͤnnen, und zwar waͤre er seiner Aussage nach deswegen von seinen Eltern weggegangen, weil er naͤrrisch gewesen. Die Ursache seiner entstandenen Narrheit gruͤndet er auf harte Bedrohungen seines Vaters, weil er einstmahlen etwas am Wagen zerbrochen und daß ihm der Wind in Kopf gefahren. Man hatte ihn wegen seiner naͤrrischen Zufaͤlle zu dem Geistlichen nach Gleiwitz gebracht, der ihn durch geistliche Huͤlfsmittel heilen sollte, aber dieses war ohne Wirkung gewesen. Flaccus naͤhrte sich bald hier bald dort vom Holzschlagen. 1756 stand er zu Kolberg in Militaͤrdiensten, da er aber einmahl Pruͤgel erhielt, dersertirte er des Nachts, gieng nach Schlesien und erwarb sich wieder sein Brod mit Holzschlagen. Sein letzter Aufenthalt war im Kochtzitzer Walde, wo er nebst andern seit der Erndte Kohlen brannte; seine Mitarbeiter aber flohen seinen Umgang, um seine ungereimte Reden nicht mit anzuhoͤren; er arbeitete emsig, redete oͤfters vernuͤnftig, unvermuthet aber verfiel er in dumme und unvernuͤnftige Reden. Z.B. Es ist alles Koht, wir arbeiten auf Koht. Er gieng in keine Kirche und arbeitete am Sonn- und Festtage, wenn er nicht mit Gewalt davon abgehalten wurde. Er laͤsterte oͤfters Gott, hieß alle Menschen Hunde; wenn er seine Mitarbeiter beten sahe, wurde er

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/33>, abgerufen am 28.03.2024.