Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite


noch niemalen etwas weiter bemerkt, welches mir besonders merkwürdig vorkommt, weil alle bisherige Erscheinungen noch so zu sagen dießseits des Grabes sind; jenseit des Grabes aber auch hier die Stille und Dunkelheit herrscht, welche zu ergründen und aufzuklären das Menschengeschlecht vielleicht niemalen fähig seyn wird.

Man könnte nun glauben, diese Frau sei eine Betrügerin oder wenigstens eine Schwärmerin; sie ist aber keins von beiden! Ein jeder, der sich bemühen wird, sie kennen zu lernen, wird bei dem ersten Anblick davon überzeugt seyn. Sie macht sich gar kein Verdienst aus diesen Erscheinungen, beklagt vielmehr ihr Schicksal, daß sie dergleichen Beängstigungen ausgesetzt sei, und bittet Gott beständig, sie und jedermann damit zu verschonen; öfters hat sie Erscheinungen und sagt sie nicht, um die Personen, die es betrift, nicht zu erschrecken. Jhr Mann und ihre Kinder werden es aber sogleich gewahr, wenn sie eine Erscheinung gehabt hat, sie sagen ihr: es ist wieder etwas vorgegangen, sie gestehet es gleich, sagt allenfalls ihrem Mann dieses oder jenes gesehen zu haben, und dabei bleibt es, weil die übrigen sich fürchten, eine schreckenvolle Neuigkeit zu vernehmen. Diese beiden Eheleute sind übrigens rechtschaffene und brave Personen, die ihre Hanthirung mit Fleiß abwarten, ihr reichliches Auskommen haben, und gar den Begriff nicht haben, Sachen zu erdichten,


noch niemalen etwas weiter bemerkt, welches mir besonders merkwuͤrdig vorkommt, weil alle bisherige Erscheinungen noch so zu sagen dießseits des Grabes sind; jenseit des Grabes aber auch hier die Stille und Dunkelheit herrscht, welche zu ergruͤnden und aufzuklaͤren das Menschengeschlecht vielleicht niemalen faͤhig seyn wird.

Man koͤnnte nun glauben, diese Frau sei eine Betruͤgerin oder wenigstens eine Schwaͤrmerin; sie ist aber keins von beiden! Ein jeder, der sich bemuͤhen wird, sie kennen zu lernen, wird bei dem ersten Anblick davon uͤberzeugt seyn. Sie macht sich gar kein Verdienst aus diesen Erscheinungen, beklagt vielmehr ihr Schicksal, daß sie dergleichen Beaͤngstigungen ausgesetzt sei, und bittet Gott bestaͤndig, sie und jedermann damit zu verschonen; oͤfters hat sie Erscheinungen und sagt sie nicht, um die Personen, die es betrift, nicht zu erschrecken. Jhr Mann und ihre Kinder werden es aber sogleich gewahr, wenn sie eine Erscheinung gehabt hat, sie sagen ihr: es ist wieder etwas vorgegangen, sie gestehet es gleich, sagt allenfalls ihrem Mann dieses oder jenes gesehen zu haben, und dabei bleibt es, weil die uͤbrigen sich fuͤrchten, eine schreckenvolle Neuigkeit zu vernehmen. Diese beiden Eheleute sind uͤbrigens rechtschaffene und brave Personen, die ihre Hanthirung mit Fleiß abwarten, ihr reichliches Auskommen haben, und gar den Begriff nicht haben, Sachen zu erdichten,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0085" n="85"/><lb/>
noch niemalen etwas weiter bemerkt, welches                   mir besonders merkwu&#x0364;rdig vorkommt, weil alle bisherige Erscheinungen noch so zu                   sagen dießseits des Grabes sind; jenseit des Grabes aber auch hier die Stille und                   Dunkelheit herrscht, welche zu ergru&#x0364;nden und aufzukla&#x0364;ren das Menschengeschlecht                   vielleicht niemalen fa&#x0364;hig seyn wird. </p>
            <p>Man ko&#x0364;nnte nun glauben, diese Frau sei eine Betru&#x0364;gerin oder wenigstens eine                   Schwa&#x0364;rmerin; sie ist aber keins von beiden! Ein jeder, der sich bemu&#x0364;hen wird, sie                   kennen zu lernen, wird bei dem ersten Anblick davon u&#x0364;berzeugt seyn. Sie macht sich                   gar kein Verdienst aus diesen Erscheinungen, beklagt vielmehr ihr Schicksal, daß                   sie dergleichen Bea&#x0364;ngstigungen ausgesetzt sei, und bittet Gott besta&#x0364;ndig, sie und                   jedermann damit zu verschonen; o&#x0364;fters hat sie Erscheinungen und sagt sie nicht, um                   die Personen, die es betrift, nicht zu erschrecken. Jhr Mann und ihre Kinder                   werden es aber sogleich gewahr, wenn sie eine Erscheinung gehabt hat, sie sagen                   ihr: es ist wieder etwas vorgegangen, sie gestehet es gleich, sagt allenfalls                   ihrem Mann dieses oder jenes gesehen zu haben, und dabei bleibt es, weil die                   u&#x0364;brigen sich fu&#x0364;rchten, eine schreckenvolle Neuigkeit zu vernehmen. Diese beiden                   Eheleute sind u&#x0364;brigens rechtschaffene und brave Personen, die ihre Hanthirung mit                   Fleiß abwarten, ihr reichliches Auskommen haben, und gar den Begriff nicht haben,                   Sachen zu erdichten,<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0085] noch niemalen etwas weiter bemerkt, welches mir besonders merkwuͤrdig vorkommt, weil alle bisherige Erscheinungen noch so zu sagen dießseits des Grabes sind; jenseit des Grabes aber auch hier die Stille und Dunkelheit herrscht, welche zu ergruͤnden und aufzuklaͤren das Menschengeschlecht vielleicht niemalen faͤhig seyn wird. Man koͤnnte nun glauben, diese Frau sei eine Betruͤgerin oder wenigstens eine Schwaͤrmerin; sie ist aber keins von beiden! Ein jeder, der sich bemuͤhen wird, sie kennen zu lernen, wird bei dem ersten Anblick davon uͤberzeugt seyn. Sie macht sich gar kein Verdienst aus diesen Erscheinungen, beklagt vielmehr ihr Schicksal, daß sie dergleichen Beaͤngstigungen ausgesetzt sei, und bittet Gott bestaͤndig, sie und jedermann damit zu verschonen; oͤfters hat sie Erscheinungen und sagt sie nicht, um die Personen, die es betrift, nicht zu erschrecken. Jhr Mann und ihre Kinder werden es aber sogleich gewahr, wenn sie eine Erscheinung gehabt hat, sie sagen ihr: es ist wieder etwas vorgegangen, sie gestehet es gleich, sagt allenfalls ihrem Mann dieses oder jenes gesehen zu haben, und dabei bleibt es, weil die uͤbrigen sich fuͤrchten, eine schreckenvolle Neuigkeit zu vernehmen. Diese beiden Eheleute sind uͤbrigens rechtschaffene und brave Personen, die ihre Hanthirung mit Fleiß abwarten, ihr reichliches Auskommen haben, und gar den Begriff nicht haben, Sachen zu erdichten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/85
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 4, St. 2. Berlin, 1786, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0402_1786/85>, abgerufen am 27.04.2024.