Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


nachher wieder fürchterliche Stürme folgten. Ehe wir dahin kommen, mag uns der Verfasser eine sonderbare an sich selbst gemachte Erfahrung erzählen, die mir sehr ungewöhnlich zu seyn scheint.

"Um selbige Zeit, (1707) ehe ich aus Breslau wieder abreisete, (wohin er aus Leipzig, um eine Probepredigt zu thun, gegangen war) begegnete mir ein seltsamer Casus, der zwar vielen lächerlich scheinen möchte, der mich aber in solche Verwunderung gesetzt, und zu so vielem weitern Nachsinnen Gelegenheit gegeben, daß ich mich gar nicht schäme, denselben hier zu erzählen. Jch rauchte einst des Abends vor Tische, da ich aus der Kälte, so mäßig war, wiederum nach Hause und in mein Quartier kommen war, eine Pfeife Tobak. Jch hatte kaum etliche Züge gethan, so fing mich alles im Munde, Zahnfleisch, Gaumen, Zunge, in Summa, so weit sich der Rauch, den man in den Mund ziehet, erstrecket, auf eine ungewöhnliche, ja, ich möchte bald sagen, auf eine unbeschreibliche Weise an zu titilliren. Je länger ich rauchte, je mehr nahm diese angenehme und süße beissende Empfindung zu, daß ich nicht wußte, wie mir geschah, noch was ich denken sollte. Jch überlegte, was ich etwa gegessen hätte, ich forschte bei meinem Bruder nach, wer mir den Tobak gehohlt, und bei wem er wäre gehohlt worden; ich konnte aber nicht entdecken, was ich als eine Ursache solcher delicieusen Empfindung hätte ansehen mögen. Mein Lebtage hat mein Mund


nachher wieder fuͤrchterliche Stuͤrme folgten. Ehe wir dahin kommen, mag uns der Verfasser eine sonderbare an sich selbst gemachte Erfahrung erzaͤhlen, die mir sehr ungewoͤhnlich zu seyn scheint.

»Um selbige Zeit, (1707) ehe ich aus Breslau wieder abreisete, (wohin er aus Leipzig, um eine Probepredigt zu thun, gegangen war) begegnete mir ein seltsamer Casus, der zwar vielen laͤcherlich scheinen moͤchte, der mich aber in solche Verwunderung gesetzt, und zu so vielem weitern Nachsinnen Gelegenheit gegeben, daß ich mich gar nicht schaͤme, denselben hier zu erzaͤhlen. Jch rauchte einst des Abends vor Tische, da ich aus der Kaͤlte, so maͤßig war, wiederum nach Hause und in mein Quartier kommen war, eine Pfeife Tobak. Jch hatte kaum etliche Zuͤge gethan, so fing mich alles im Munde, Zahnfleisch, Gaumen, Zunge, in Summa, so weit sich der Rauch, den man in den Mund ziehet, erstrecket, auf eine ungewoͤhnliche, ja, ich moͤchte bald sagen, auf eine unbeschreibliche Weise an zu titilliren. Je laͤnger ich rauchte, je mehr nahm diese angenehme und suͤße beissende Empfindung zu, daß ich nicht wußte, wie mir geschah, noch was ich denken sollte. Jch uͤberlegte, was ich etwa gegessen haͤtte, ich forschte bei meinem Bruder nach, wer mir den Tobak gehohlt, und bei wem er waͤre gehohlt worden; ich konnte aber nicht entdecken, was ich als eine Ursache solcher delicieusen Empfindung haͤtte ansehen moͤgen. Mein Lebtage hat mein Mund

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0018" n="18"/><lb/>
nachher wieder                   fu&#x0364;rchterliche Stu&#x0364;rme folgten. Ehe wir dahin kommen, mag uns der Verfasser eine                   sonderbare an sich selbst gemachte Erfahrung erza&#x0364;hlen, die mir sehr ungewo&#x0364;hnlich                   zu seyn scheint.</p>
            <p>»Um selbige Zeit, (1707) ehe ich aus Breslau wieder abreisete, (wohin er aus                   Leipzig, um eine Probepredigt zu thun, gegangen war) begegnete mir ein seltsamer                   Casus, der zwar vielen la&#x0364;cherlich scheinen mo&#x0364;chte, der mich aber in solche                   Verwunderung gesetzt, und zu so vielem weitern Nachsinnen Gelegenheit gegeben, daß                   ich mich gar nicht scha&#x0364;me, denselben hier zu erza&#x0364;hlen. Jch rauchte einst des                   Abends vor Tische, da ich aus der Ka&#x0364;lte, so ma&#x0364;ßig war, wiederum nach Hause und in                   mein Quartier kommen war, eine Pfeife Tobak. Jch hatte kaum etliche Zu&#x0364;ge gethan,                   so fing mich alles im Munde, Zahnfleisch, Gaumen, Zunge, in Summa, so weit sich                   der Rauch, den man in den Mund ziehet, erstrecket, auf eine ungewo&#x0364;hnliche, ja, ich                   mo&#x0364;chte bald sagen, auf eine unbeschreibliche Weise an zu titilliren. Je la&#x0364;nger ich                   rauchte, je mehr nahm diese angenehme und su&#x0364;ße beissende Empfindung zu, daß ich                   nicht wußte, wie mir geschah, noch was ich denken sollte. Jch u&#x0364;berlegte, was ich                   etwa gegessen ha&#x0364;tte, ich forschte bei meinem Bruder nach, wer mir den Tobak                   gehohlt, und bei wem er wa&#x0364;re gehohlt worden; ich konnte aber nicht entdecken, was                   ich als eine Ursache solcher delicieusen Empfindung ha&#x0364;tte ansehen mo&#x0364;gen. Mein                   Lebtage hat mein Mund<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0018] nachher wieder fuͤrchterliche Stuͤrme folgten. Ehe wir dahin kommen, mag uns der Verfasser eine sonderbare an sich selbst gemachte Erfahrung erzaͤhlen, die mir sehr ungewoͤhnlich zu seyn scheint. »Um selbige Zeit, (1707) ehe ich aus Breslau wieder abreisete, (wohin er aus Leipzig, um eine Probepredigt zu thun, gegangen war) begegnete mir ein seltsamer Casus, der zwar vielen laͤcherlich scheinen moͤchte, der mich aber in solche Verwunderung gesetzt, und zu so vielem weitern Nachsinnen Gelegenheit gegeben, daß ich mich gar nicht schaͤme, denselben hier zu erzaͤhlen. Jch rauchte einst des Abends vor Tische, da ich aus der Kaͤlte, so maͤßig war, wiederum nach Hause und in mein Quartier kommen war, eine Pfeife Tobak. Jch hatte kaum etliche Zuͤge gethan, so fing mich alles im Munde, Zahnfleisch, Gaumen, Zunge, in Summa, so weit sich der Rauch, den man in den Mund ziehet, erstrecket, auf eine ungewoͤhnliche, ja, ich moͤchte bald sagen, auf eine unbeschreibliche Weise an zu titilliren. Je laͤnger ich rauchte, je mehr nahm diese angenehme und suͤße beissende Empfindung zu, daß ich nicht wußte, wie mir geschah, noch was ich denken sollte. Jch uͤberlegte, was ich etwa gegessen haͤtte, ich forschte bei meinem Bruder nach, wer mir den Tobak gehohlt, und bei wem er waͤre gehohlt worden; ich konnte aber nicht entdecken, was ich als eine Ursache solcher delicieusen Empfindung haͤtte ansehen moͤgen. Mein Lebtage hat mein Mund

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/18
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/18>, abgerufen am 16.04.2024.