Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


einmahl; so geräth sie in den Zustand der Verwirrung, und ich kann es mir sehr gut denken, wie einige Menschen melancholisch werden konnten, weil ihr Gedächtniß mitten im Reden ihnen nicht jedesmahl die Worte, welche sie suchten, herbeischafte.

Wenn nun die menschliche Seele ohne symbolische Zeichen durchaus keine neuen Begriffe von Andern außer uns erhalten kann, wenn dazu entweder Eindrücke auf unsere Gesichtsnerven, auf unser Gefühl, oder Worte für unser Gehör unumgänglich nothwendig sind; -- so ist es nun auch unbegreiflich, wie ein außer uns befindlicher Genius, -- weder durch Geberdensprache; denn wie sollte die ein unsichtbares Wesen machen können? noch durch Worte; denn wie kann ein solcher Geist würklich reden? -- neue Begriffe und sogar Vorgefühle der Zukunft in uns erregen könnte.

Nicht durch Zeichen und Wortsprache, könnte man mir sagen; diese ist ja auch nicht das einzige Vehiculum, wodurch neue Begriffe von andern außer uns befindlichen Wesen in unsere Seele geschoben werden können. -- Können nicht außer uns daseyende Geister mit unserer Seele einen gewissen andern, uns bisher noch unbekannten Communicationsweg haben; können sie nicht eine Sprache mit uns reden, wozu sie keine Gesichts- und Gehörsnerven nöthig haben, und zeigen nicht manche schnell in uns entstandene herzerhebende, unerwartete Gedanken und Gefühle sehr wahrschein-


einmahl; so geraͤth sie in den Zustand der Verwirrung, und ich kann es mir sehr gut denken, wie einige Menschen melancholisch werden konnten, weil ihr Gedaͤchtniß mitten im Reden ihnen nicht jedesmahl die Worte, welche sie suchten, herbeischafte.

Wenn nun die menschliche Seele ohne symbolische Zeichen durchaus keine neuen Begriffe von Andern außer uns erhalten kann, wenn dazu entweder Eindruͤcke auf unsere Gesichtsnerven, auf unser Gefuͤhl, oder Worte fuͤr unser Gehoͤr unumgaͤnglich nothwendig sind; — so ist es nun auch unbegreiflich, wie ein außer uns befindlicher Genius, — weder durch Geberdensprache; denn wie sollte die ein unsichtbares Wesen machen koͤnnen? noch durch Worte; denn wie kann ein solcher Geist wuͤrklich reden? — neue Begriffe und sogar Vorgefuͤhle der Zukunft in uns erregen koͤnnte.

Nicht durch Zeichen und Wortsprache, koͤnnte man mir sagen; diese ist ja auch nicht das einzige Vehiculum, wodurch neue Begriffe von andern außer uns befindlichen Wesen in unsere Seele geschoben werden koͤnnen. — Koͤnnen nicht außer uns daseyende Geister mit unserer Seele einen gewissen andern, uns bisher noch unbekannten Communicationsweg haben; koͤnnen sie nicht eine Sprache mit uns reden, wozu sie keine Gesichts- und Gehoͤrsnerven noͤthig haben, und zeigen nicht manche schnell in uns entstandene herzerhebende, unerwartete Gedanken und Gefuͤhle sehr wahrschein-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0005" n="5"/><lb/><choice><corr>einmahl;</corr><sic>mahl;</sic></choice> so gera&#x0364;th sie in den Zustand der Verwirrung,                   und ich kann es mir sehr gut denken, wie einige Menschen melancholisch werden                   konnten, weil ihr Geda&#x0364;chtniß mitten im Reden ihnen nicht jedesmahl die Worte,                   welche sie suchten, herbeischafte.</p>
          <p>Wenn nun die menschliche Seele ohne symbolische Zeichen durchaus keine neuen                   Begriffe von Andern außer uns erhalten kann, wenn dazu entweder Eindru&#x0364;cke auf                   unsere Gesichtsnerven, auf unser Gefu&#x0364;hl, oder Worte fu&#x0364;r unser Geho&#x0364;r <hi rendition="#b">unumga&#x0364;nglich nothwendig</hi> sind; &#x2014; so ist es nun auch <hi rendition="#b">unbegreiflich,</hi> wie ein außer uns befindlicher Genius, &#x2014;                   weder durch <hi rendition="#b">Geberdensprache;</hi> denn wie sollte die ein                   unsichtbares Wesen machen ko&#x0364;nnen? noch <hi rendition="#b">durch Worte;</hi> denn                   wie kann ein solcher Geist wu&#x0364;rklich reden? &#x2014; <hi rendition="#b">neue</hi> Begriffe und sogar <hi rendition="#b">Vorgefu&#x0364;hle</hi> der Zukunft in uns erregen                   ko&#x0364;nnte.</p>
          <p>Nicht durch Zeichen und Wortsprache, ko&#x0364;nnte man mir sagen; diese ist ja auch nicht                   das <hi rendition="#b">einzige Vehiculum,</hi> wodurch neue Begriffe von andern                   außer uns befindlichen Wesen in unsere Seele geschoben werden ko&#x0364;nnen. &#x2014; Ko&#x0364;nnen                   nicht außer uns daseyende Geister mit unserer Seele einen gewissen andern, uns                   bisher noch unbekannten <hi rendition="#b">Communicationsweg</hi> haben; ko&#x0364;nnen                   sie nicht eine Sprache mit uns reden, wozu sie keine Gesichts- und Geho&#x0364;rsnerven                   no&#x0364;thig haben, und zeigen nicht manche schnell in uns entstandene herzerhebende,                   unerwartete Gedanken und Gefu&#x0364;hle sehr wahrschein-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0005] einmahl; so geraͤth sie in den Zustand der Verwirrung, und ich kann es mir sehr gut denken, wie einige Menschen melancholisch werden konnten, weil ihr Gedaͤchtniß mitten im Reden ihnen nicht jedesmahl die Worte, welche sie suchten, herbeischafte. Wenn nun die menschliche Seele ohne symbolische Zeichen durchaus keine neuen Begriffe von Andern außer uns erhalten kann, wenn dazu entweder Eindruͤcke auf unsere Gesichtsnerven, auf unser Gefuͤhl, oder Worte fuͤr unser Gehoͤr unumgaͤnglich nothwendig sind; — so ist es nun auch unbegreiflich, wie ein außer uns befindlicher Genius, — weder durch Geberdensprache; denn wie sollte die ein unsichtbares Wesen machen koͤnnen? noch durch Worte; denn wie kann ein solcher Geist wuͤrklich reden? — neue Begriffe und sogar Vorgefuͤhle der Zukunft in uns erregen koͤnnte. Nicht durch Zeichen und Wortsprache, koͤnnte man mir sagen; diese ist ja auch nicht das einzige Vehiculum, wodurch neue Begriffe von andern außer uns befindlichen Wesen in unsere Seele geschoben werden koͤnnen. — Koͤnnen nicht außer uns daseyende Geister mit unserer Seele einen gewissen andern, uns bisher noch unbekannten Communicationsweg haben; koͤnnen sie nicht eine Sprache mit uns reden, wozu sie keine Gesichts- und Gehoͤrsnerven noͤthig haben, und zeigen nicht manche schnell in uns entstandene herzerhebende, unerwartete Gedanken und Gefuͤhle sehr wahrschein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/5
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/5>, abgerufen am 28.03.2024.