Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


Liebe, -- den höchsten Grad der Schwärmerei zum Grunde hatte. Sie versprachen sich nehmlich zu heirathen, sobald er vom Reiter zum Wachtmeister avancirt wäre; damit aber dies Versprechen desto fester und unumstößlicher seyn möchte, wurde der fürchterliche Vertrag zwischen Beiden gemacht: daß der den andern ermorden sollte, welcher zuerst seinen Eid der Treue brechen würde.

So standen die Sachen, als wider Vermuthen der Verliebten ein Advocat aus M-- bei dem alten Pfarrer N-- um die Hand seiner Tochter anhielt, und sie zu sehen wünschte. Da der Pfarrer N-- das gute Auskommen des Advocaten, und ihn überdies noch als einen rechtschaffenen Mann kannte; so trug er weiter gar kein Bedenken, jenem einen Besuch in seinem Hause zu verwilligen, und seiner Tochter selbst den Antrag zu thun, daß sie mit dem und dem Manne ihr Glück machen könne. Lorchen war wie vom Donner gerührt. Ein Thränenguß erfolgte auf ihr starres Erstaunen, -- sie fiel ihrem Vater in die Arme, und bath ihn um Gottes willen, sie mit einer Heirath zu verschonen, wogegen ihr Herz spräche. Der Freier kam, und Lorchen gerieth nun vollends in Verzweiflung, als sie ihn sahe. Sie weinte, ihres Eidschwures eingedenkt und von der Liebe gegen ihren heimlichen Bräutigam gefoltert, Tag und Nacht, und bestürmte die guten Eltern mit den fürchterlichsten Klagen, denen sie ihr Geheimniß nicht zu entdecken wagte.



Liebe, — den hoͤchsten Grad der Schwaͤrmerei zum Grunde hatte. Sie versprachen sich nehmlich zu heirathen, sobald er vom Reiter zum Wachtmeister avancirt waͤre; damit aber dies Versprechen desto fester und unumstoͤßlicher seyn moͤchte, wurde der fuͤrchterliche Vertrag zwischen Beiden gemacht: daß der den andern ermorden sollte, welcher zuerst seinen Eid der Treue brechen wuͤrde.

So standen die Sachen, als wider Vermuthen der Verliebten ein Advocat aus M— bei dem alten Pfarrer N— um die Hand seiner Tochter anhielt, und sie zu sehen wuͤnschte. Da der Pfarrer N— das gute Auskommen des Advocaten, und ihn uͤberdies noch als einen rechtschaffenen Mann kannte; so trug er weiter gar kein Bedenken, jenem einen Besuch in seinem Hause zu verwilligen, und seiner Tochter selbst den Antrag zu thun, daß sie mit dem und dem Manne ihr Gluͤck machen koͤnne. Lorchen war wie vom Donner geruͤhrt. Ein Thraͤnenguß erfolgte auf ihr starres Erstaunen, — sie fiel ihrem Vater in die Arme, und bath ihn um Gottes willen, sie mit einer Heirath zu verschonen, wogegen ihr Herz spraͤche. Der Freier kam, und Lorchen gerieth nun vollends in Verzweiflung, als sie ihn sahe. Sie weinte, ihres Eidschwures eingedenkt und von der Liebe gegen ihren heimlichen Braͤutigam gefoltert, Tag und Nacht, und bestuͤrmte die guten Eltern mit den fuͤrchterlichsten Klagen, denen sie ihr Geheimniß nicht zu entdecken wagte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0050" n="50"/><lb/>
Liebe, &#x2014; den ho&#x0364;chsten Grad                   der Schwa&#x0364;rmerei zum Grunde hatte. Sie versprachen sich nehmlich zu heirathen,                   sobald er vom Reiter zum Wachtmeister avancirt wa&#x0364;re; damit aber dies Versprechen                   desto fester und unumsto&#x0364;ßlicher seyn mo&#x0364;chte, wurde der fu&#x0364;rchterliche Vertrag                   zwischen Beiden gemacht: <hi rendition="#b">daß der den andern ermorden sollte,                      welcher zuerst seinen Eid der Treue brechen wu&#x0364;rde.</hi></p>
            <p>So standen die Sachen, als wider Vermuthen der Verliebten ein Advocat aus M&#x2014; bei                   dem alten Pfarrer N&#x2014; um die Hand seiner Tochter anhielt, und sie zu sehen                   wu&#x0364;nschte. Da der Pfarrer N&#x2014; das gute Auskommen des Advocaten, und ihn u&#x0364;berdies                   noch als einen rechtschaffenen Mann kannte; so trug er weiter gar kein Bedenken,                   jenem einen Besuch in seinem Hause zu verwilligen, und seiner Tochter selbst den                   Antrag zu thun, daß sie mit dem und dem Manne ihr Glu&#x0364;ck machen ko&#x0364;nne. Lorchen war                   wie vom Donner geru&#x0364;hrt. Ein Thra&#x0364;nenguß erfolgte auf ihr starres Erstaunen, &#x2014; sie                   fiel ihrem Vater in die Arme, und bath ihn um Gottes willen, sie mit einer Heirath                   zu verschonen, wogegen ihr Herz spra&#x0364;che. Der Freier kam, und Lorchen gerieth nun                   vollends in Verzweiflung, als sie ihn sahe. Sie weinte, ihres Eidschwures                   eingedenkt und von der Liebe gegen ihren heimlichen Bra&#x0364;utigam gefoltert, Tag und                   Nacht, und bestu&#x0364;rmte die guten Eltern mit den fu&#x0364;rchterlichsten Klagen, denen sie                   ihr Geheimniß nicht zu entdecken wagte.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0050] Liebe, — den hoͤchsten Grad der Schwaͤrmerei zum Grunde hatte. Sie versprachen sich nehmlich zu heirathen, sobald er vom Reiter zum Wachtmeister avancirt waͤre; damit aber dies Versprechen desto fester und unumstoͤßlicher seyn moͤchte, wurde der fuͤrchterliche Vertrag zwischen Beiden gemacht: daß der den andern ermorden sollte, welcher zuerst seinen Eid der Treue brechen wuͤrde. So standen die Sachen, als wider Vermuthen der Verliebten ein Advocat aus M— bei dem alten Pfarrer N— um die Hand seiner Tochter anhielt, und sie zu sehen wuͤnschte. Da der Pfarrer N— das gute Auskommen des Advocaten, und ihn uͤberdies noch als einen rechtschaffenen Mann kannte; so trug er weiter gar kein Bedenken, jenem einen Besuch in seinem Hause zu verwilligen, und seiner Tochter selbst den Antrag zu thun, daß sie mit dem und dem Manne ihr Gluͤck machen koͤnne. Lorchen war wie vom Donner geruͤhrt. Ein Thraͤnenguß erfolgte auf ihr starres Erstaunen, — sie fiel ihrem Vater in die Arme, und bath ihn um Gottes willen, sie mit einer Heirath zu verschonen, wogegen ihr Herz spraͤche. Der Freier kam, und Lorchen gerieth nun vollends in Verzweiflung, als sie ihn sahe. Sie weinte, ihres Eidschwures eingedenkt und von der Liebe gegen ihren heimlichen Braͤutigam gefoltert, Tag und Nacht, und bestuͤrmte die guten Eltern mit den fuͤrchterlichsten Klagen, denen sie ihr Geheimniß nicht zu entdecken wagte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/50
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 2. Berlin, 1787, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0502_1787/50>, abgerufen am 29.03.2024.