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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788.

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und die Denkkraft ihn verläßt, und für sich absolute existirt; sollte sie denn nicht eine andre Art von Existenz sich noch vorstellen können, als die im Raume?

Damas.

Es kömmt darauf an, ob die Seele, wenn sie vom Körper getrennt ist, überhaupt noch neue Vorstellungen bekommen kann, außer denen, die sie schon hat?

Theokles.

Warum nicht? Kann sie Vorstellungen bekommen durch das Medium des Körpers; wie viel mehr muß sie dieselben bekommen, wenn dieses Medium nicht mehr zwischen ihr und den Gegenständen ist, die sie sich vorstellt? Jn jenem Falle erhielt sie dieselben mittelbar; in diesem unmittelbar; in jenem sind die Vorstellungen beschränkt, in diesem unbeschränkt. Und vielleicht gehörte die Jdee, daß Existenz nur im Raume möglich sey, zu den beschränkten. Ganz anders wird diese Jdee werden, wenn die Vorstellung des Universums von der Seele unmittelbar empfangen, nicht erst, vermöge der Sinne, gebildet wird.

Damas.

Sie nehmen also an, daß nach dem Tode, wenn die Denkkraft nicht mehr durch die Sinne eingeschlossen wird, sie von dem Universum eine unbeschränkte


und die Denkkraft ihn verlaͤßt, und fuͤr sich absolute existirt; sollte sie denn nicht eine andre Art von Existenz sich noch vorstellen koͤnnen, als die im Raume?

Damas.

Es koͤmmt darauf an, ob die Seele, wenn sie vom Koͤrper getrennt ist, uͤberhaupt noch neue Vorstellungen bekommen kann, außer denen, die sie schon hat?

Theokles.

Warum nicht? Kann sie Vorstellungen bekommen durch das Medium des Koͤrpers; wie viel mehr muß sie dieselben bekommen, wenn dieses Medium nicht mehr zwischen ihr und den Gegenstaͤnden ist, die sie sich vorstellt? Jn jenem Falle erhielt sie dieselben mittelbar; in diesem unmittelbar; in jenem sind die Vorstellungen beschraͤnkt, in diesem unbeschraͤnkt. Und vielleicht gehoͤrte die Jdee, daß Existenz nur im Raume moͤglich sey, zu den beschraͤnkten. Ganz anders wird diese Jdee werden, wenn die Vorstellung des Universums von der Seele unmittelbar empfangen, nicht erst, vermoͤge der Sinne, gebildet wird.

Damas.

Sie nehmen also an, daß nach dem Tode, wenn die Denkkraft nicht mehr durch die Sinne eingeschlossen wird, sie von dem Universum eine unbeschraͤnkte

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[44/0044] und die Denkkraft ihn verlaͤßt, und fuͤr sich absolute existirt; sollte sie denn nicht eine andre Art von Existenz sich noch vorstellen koͤnnen, als die im Raume? Damas. Es koͤmmt darauf an, ob die Seele, wenn sie vom Koͤrper getrennt ist, uͤberhaupt noch neue Vorstellungen bekommen kann, außer denen, die sie schon hat? Theokles. Warum nicht? Kann sie Vorstellungen bekommen durch das Medium des Koͤrpers; wie viel mehr muß sie dieselben bekommen, wenn dieses Medium nicht mehr zwischen ihr und den Gegenstaͤnden ist, die sie sich vorstellt? Jn jenem Falle erhielt sie dieselben mittelbar; in diesem unmittelbar; in jenem sind die Vorstellungen beschraͤnkt, in diesem unbeschraͤnkt. Und vielleicht gehoͤrte die Jdee, daß Existenz nur im Raume moͤglich sey, zu den beschraͤnkten. Ganz anders wird diese Jdee werden, wenn die Vorstellung des Universums von der Seele unmittelbar empfangen, nicht erst, vermoͤge der Sinne, gebildet wird. Damas. Sie nehmen also an, daß nach dem Tode, wenn die Denkkraft nicht mehr durch die Sinne eingeschlossen wird, sie von dem Universum eine unbeschraͤnkte

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 6, St. 2. Berlin, 1788, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0602_1788/44>, abgerufen am 28.03.2024.