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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

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Medium beschaffen ist, durch welches es Einwirkungen bekommt und austheilt, nicht für seine Thätigkeit, Art, Stärke, Geschwindigkeit derselben gleich bestimmend, ob das Fluidum mehr oder weniger geistig, mehr oder weniger träge, mehr mit diesen als jenen Bestandtheilen getränkt ist. Ohne daher selbst Abstufungen des menschlichen Geistes anzunehmen, ist dieses allein vermögend, alle die tausend individuellen Modifikazionen des empfindenden, moralischen und intellektuellen Menschen hervorzubringen, deren letzte sich an die Einheit anschließt, und deren höchste in dem kürzesten Zeitraum die mannichfaltigsten Momente der idealischen Schönheit durchgehet. Je nachdem der geistige Aether des Nerven die sinnlichen Darstellungen der Schönheit in sich zu fassen, und nachzubilden im Stande ist: je nachdem entstehen die verschiedenen Erscheinungen des intellektuelempfindenden Menschen. Aetherische Geistigkeit und stille leichte Ruhe derselben werden daher die physischen Erfordernisse zum höchsten Gefühl und Genuß des Schönen. Jene bewürkt die Empfänglichkeit für Zeitvorstellungen und das Hinschweben auf den Zeitformen der Ausdehnung: diese aber die treue Nachbildung der Aufeinanderfolge der Zeittheilchen, welche die Schönheit bildet. Mit glücklicher Bildung empfänglicher Sinnenwerkzeuge verdankt der Tonkünstler, Mahler, Bildhauer -- jeder seine eigene Darstellungsart bloß diesen verschiedenen möglichen Graden der


Medium beschaffen ist, durch welches es Einwirkungen bekommt und austheilt, nicht fuͤr seine Thaͤtigkeit, Art, Staͤrke, Geschwindigkeit derselben gleich bestimmend, ob das Fluidum mehr oder weniger geistig, mehr oder weniger traͤge, mehr mit diesen als jenen Bestandtheilen getraͤnkt ist. Ohne daher selbst Abstufungen des menschlichen Geistes anzunehmen, ist dieses allein vermoͤgend, alle die tausend individuellen Modifikazionen des empfindenden, moralischen und intellektuellen Menschen hervorzubringen, deren letzte sich an die Einheit anschließt, und deren hoͤchste in dem kuͤrzesten Zeitraum die mannichfaltigsten Momente der idealischen Schoͤnheit durchgehet. Je nachdem der geistige Aether des Nerven die sinnlichen Darstellungen der Schoͤnheit in sich zu fassen, und nachzubilden im Stande ist: je nachdem entstehen die verschiedenen Erscheinungen des intellektuelempfindenden Menschen. Aetherische Geistigkeit und stille leichte Ruhe derselben werden daher die physischen Erfordernisse zum hoͤchsten Gefuͤhl und Genuß des Schoͤnen. Jene bewuͤrkt die Empfaͤnglichkeit fuͤr Zeitvorstellungen und das Hinschweben auf den Zeitformen der Ausdehnung: diese aber die treue Nachbildung der Aufeinanderfolge der Zeittheilchen, welche die Schoͤnheit bildet. Mit gluͤcklicher Bildung empfaͤnglicher Sinnenwerkzeuge verdankt der Tonkuͤnstler, Mahler, Bildhauer — jeder seine eigene Darstellungsart bloß diesen verschiedenen moͤglichen Graden der

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[39/0039] Medium beschaffen ist, durch welches es Einwirkungen bekommt und austheilt, nicht fuͤr seine Thaͤtigkeit, Art, Staͤrke, Geschwindigkeit derselben gleich bestimmend, ob das Fluidum mehr oder weniger geistig, mehr oder weniger traͤge, mehr mit diesen als jenen Bestandtheilen getraͤnkt ist. Ohne daher selbst Abstufungen des menschlichen Geistes anzunehmen, ist dieses allein vermoͤgend, alle die tausend individuellen Modifikazionen des empfindenden, moralischen und intellektuellen Menschen hervorzubringen, deren letzte sich an die Einheit anschließt, und deren hoͤchste in dem kuͤrzesten Zeitraum die mannichfaltigsten Momente der idealischen Schoͤnheit durchgehet. Je nachdem der geistige Aether des Nerven die sinnlichen Darstellungen der Schoͤnheit in sich zu fassen, und nachzubilden im Stande ist: je nachdem entstehen die verschiedenen Erscheinungen des intellektuelempfindenden Menschen. Aetherische Geistigkeit und stille leichte Ruhe derselben werden daher die physischen Erfordernisse zum hoͤchsten Gefuͤhl und Genuß des Schoͤnen. Jene bewuͤrkt die Empfaͤnglichkeit fuͤr Zeitvorstellungen und das Hinschweben auf den Zeitformen der Ausdehnung: diese aber die treue Nachbildung der Aufeinanderfolge der Zeittheilchen, welche die Schoͤnheit bildet. Mit gluͤcklicher Bildung empfaͤnglicher Sinnenwerkzeuge verdankt der Tonkuͤnstler, Mahler, Bildhauer — jeder seine eigene Darstellungsart bloß diesen verschiedenen moͤglichen Graden der

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/39>, abgerufen am 25.04.2024.