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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

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Nur fragmentarisch -- wie überhaupt diese ganze Untersuchung nichts als Fragment seyn soll -- will ich die dritte Frage mit Beobachtungen des gemeinen Lebens beantworten, da sie schon überdies durch Engels philosophische Mimick und Lichtenbergs Bemerkungen aus seiner satyrischen Menschenkenntniß ist bewiesen worden.

Jeder Mensch hat nach seinem innren Charakter auch etwas äußerlich charakteristisches, äußerlich auffallendes, kontrastirendes, unzusammenstimmendes. Goldmacher, Mystiker, Apokalyptiker lasset sie ruhig bei ihrem Kruge Bier hinterm Tische sitzen, und wer kennt sie schon da nicht an der verdrehten Form ihres Hutes, den schielenden Blicken ihres Auges, dem schiefen Sitzen ihres Kopfes und Halses? --

Wie viel charakteristisches liegt nicht allein in der Form und dem Sitzen des Huts! -- Jedes Temperament hat einen eigenen Schnitt, eine eigne Art ihn zu tragen: mit dem Sanguiniker ist er sanguinisch, mit dem Renomisten renomistisch, mit dem Geistlichen geistlich, dem Denkenden denkend, und mit dem Pflegmatischen pflegmatisch. Der Renomist läßt die Seitenspitzen desselben auf seine breiten Schultern herabhangen, und die Vorderspitze, die sich kolbicht zu den zwei Seitenmauern hinbiegt, rund und schier nach dem Himmel steigen. Der sanguinische Geniemacher kneipt die Spitzen


Nur fragmentarisch — wie uͤberhaupt diese ganze Untersuchung nichts als Fragment seyn soll — will ich die dritte Frage mit Beobachtungen des gemeinen Lebens beantworten, da sie schon uͤberdies durch Engels philosophische Mimick und Lichtenbergs Bemerkungen aus seiner satyrischen Menschenkenntniß ist bewiesen worden.

Jeder Mensch hat nach seinem innren Charakter auch etwas aͤußerlich charakteristisches, aͤußerlich auffallendes, kontrastirendes, unzusammenstimmendes. Goldmacher, Mystiker, Apokalyptiker lasset sie ruhig bei ihrem Kruge Bier hinterm Tische sitzen, und wer kennt sie schon da nicht an der verdrehten Form ihres Hutes, den schielenden Blicken ihres Auges, dem schiefen Sitzen ihres Kopfes und Halses? —

Wie viel charakteristisches liegt nicht allein in der Form und dem Sitzen des Huts! — Jedes Temperament hat einen eigenen Schnitt, eine eigne Art ihn zu tragen: mit dem Sanguiniker ist er sanguinisch, mit dem Renomisten renomistisch, mit dem Geistlichen geistlich, dem Denkenden denkend, und mit dem Pflegmatischen pflegmatisch. Der Renomist laͤßt die Seitenspitzen desselben auf seine breiten Schultern herabhangen, und die Vorderspitze, die sich kolbicht zu den zwei Seitenmauern hinbiegt, rund und schier nach dem Himmel steigen. Der sanguinische Geniemacher kneipt die Spitzen

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[41/0041] Nur fragmentarisch — wie uͤberhaupt diese ganze Untersuchung nichts als Fragment seyn soll — will ich die dritte Frage mit Beobachtungen des gemeinen Lebens beantworten, da sie schon uͤberdies durch Engels philosophische Mimick und Lichtenbergs Bemerkungen aus seiner satyrischen Menschenkenntniß ist bewiesen worden. Jeder Mensch hat nach seinem innren Charakter auch etwas aͤußerlich charakteristisches, aͤußerlich auffallendes, kontrastirendes, unzusammenstimmendes. Goldmacher, Mystiker, Apokalyptiker lasset sie ruhig bei ihrem Kruge Bier hinterm Tische sitzen, und wer kennt sie schon da nicht an der verdrehten Form ihres Hutes, den schielenden Blicken ihres Auges, dem schiefen Sitzen ihres Kopfes und Halses? — Wie viel charakteristisches liegt nicht allein in der Form und dem Sitzen des Huts! — Jedes Temperament hat einen eigenen Schnitt, eine eigne Art ihn zu tragen: mit dem Sanguiniker ist er sanguinisch, mit dem Renomisten renomistisch, mit dem Geistlichen geistlich, dem Denkenden denkend, und mit dem Pflegmatischen pflegmatisch. Der Renomist laͤßt die Seitenspitzen desselben auf seine breiten Schultern herabhangen, und die Vorderspitze, die sich kolbicht zu den zwei Seitenmauern hinbiegt, rund und schier nach dem Himmel steigen. Der sanguinische Geniemacher kneipt die Spitzen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/41>, abgerufen am 28.03.2024.