Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


same Pflegmatische, der eben so wenig Stärke in seinem Kopfe als in seinem Körper hat, läßt seine langen Hände an den Hüften herunterbaumeln. Der gichtische Hektiker schwenkt sie in tausend Zuckungen um seinen Kopf herum. Der handfeste Renomist drängt seine Hand und Finger in einem Knoten zusammen, um so seine Stärke in einem Punkte konzentrisch zu fühlen.

Wie der Kopf, so der Fuß: -- und -- bei denen dieser mehr vermag, als jener -- der Fuß wie der Kopf. Kein Mensch gehet mit dem andern gleich, so wie keiner dem andern ganz gleich ist. Der Pflegmatiker nimmt sich gerne, wie er sagt, bei seinem Spatziergange Zeit: der Sanguiniker um sich Motion zu machen, läuft bei Spatzierengehen Bothschaften: der Boeotiker aber geht seinen angefangenen Schritt fort; das heißt, einen derben taktmäßig langsam sich erhebenden und niederfallenden Hufschlag. Beobachter setze dich auf öffentliche Wege, Alleen, Gärten, wo deine Welt vorbeispatzieret, -- so mancher gottesfürchtige Handwerker, und schwere Gelehrte, so mancher springende Windbeutel, und schwerfällige Handelsmann; so manche naseweise Ehefrau, so manche auf ihre Unschuld, auf ihre noch unberührte Jungferschaft haltende Jungfer mit steifem Rocke, und fest versiegelten Halstuch; -- und so manches arme in dem Hinsehnen ihrer Empfindung und dem


same Pflegmatische, der eben so wenig Staͤrke in seinem Kopfe als in seinem Koͤrper hat, laͤßt seine langen Haͤnde an den Huͤften herunterbaumeln. Der gichtische Hektiker schwenkt sie in tausend Zuckungen um seinen Kopf herum. Der handfeste Renomist draͤngt seine Hand und Finger in einem Knoten zusammen, um so seine Staͤrke in einem Punkte konzentrisch zu fuͤhlen.

Wie der Kopf, so der Fuß: — und — bei denen dieser mehr vermag, als jener — der Fuß wie der Kopf. Kein Mensch gehet mit dem andern gleich, so wie keiner dem andern ganz gleich ist. Der Pflegmatiker nimmt sich gerne, wie er sagt, bei seinem Spatziergange Zeit: der Sanguiniker um sich Motion zu machen, laͤuft bei Spatzierengehen Bothschaften: der Boeotiker aber geht seinen angefangenen Schritt fort; das heißt, einen derben taktmaͤßig langsam sich erhebenden und niederfallenden Hufschlag. Beobachter setze dich auf oͤffentliche Wege, Alleen, Gaͤrten, wo deine Welt vorbeispatzieret, — so mancher gottesfuͤrchtige Handwerker, und schwere Gelehrte, so mancher springende Windbeutel, und schwerfaͤllige Handelsmann; so manche naseweise Ehefrau, so manche auf ihre Unschuld, auf ihre noch unberuͤhrte Jungferschaft haltende Jungfer mit steifem Rocke, und fest versiegelten Halstuch; — und so manches arme in dem Hinsehnen ihrer Empfindung und dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0043" n="43"/><lb/>
same Pflegmatische, der eben so wenig Sta&#x0364;rke in seinem                         Kopfe als in seinem Ko&#x0364;rper hat, la&#x0364;ßt seine langen Ha&#x0364;nde an den Hu&#x0364;ften                         herunterbaumeln. Der gichtische Hektiker schwenkt sie in tausend Zuckungen                         um seinen Kopf herum. Der handfeste Renomist dra&#x0364;ngt seine Hand und Finger in                         einem Knoten zusammen, um so seine Sta&#x0364;rke in einem Punkte konzentrisch zu                         fu&#x0364;hlen. </p>
            <p>Wie der Kopf, so der Fuß: &#x2014; und &#x2014; bei denen dieser mehr vermag, als jener &#x2014;                         der Fuß wie der Kopf. Kein Mensch gehet mit dem andern gleich, so wie keiner                         dem andern ganz gleich ist. Der Pflegmatiker nimmt sich gerne, wie er sagt,                         bei seinem Spatziergange Zeit: der Sanguiniker um sich Motion zu machen,                         la&#x0364;uft bei Spatzierengehen Bothschaften: der Boeotiker aber geht seinen                         angefangenen Schritt fort; das heißt, einen derben taktma&#x0364;ßig langsam sich                         erhebenden und niederfallenden Hufschlag. Beobachter setze dich auf                         o&#x0364;ffentliche Wege, Alleen, Ga&#x0364;rten, wo deine Welt vorbeispatzieret, &#x2014; so                         mancher gottesfu&#x0364;rchtige Handwerker, und schwere Gelehrte, so mancher                         springende Windbeutel, und schwerfa&#x0364;llige Handelsmann; so manche naseweise                         Ehefrau, so manche auf ihre Unschuld, auf ihre noch unberu&#x0364;hrte Jungferschaft                         haltende Jungfer mit steifem Rocke, und fest versiegelten Halstuch; &#x2014; und so                         manches arme in dem Hinsehnen ihrer Empfindung und dem<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0043] same Pflegmatische, der eben so wenig Staͤrke in seinem Kopfe als in seinem Koͤrper hat, laͤßt seine langen Haͤnde an den Huͤften herunterbaumeln. Der gichtische Hektiker schwenkt sie in tausend Zuckungen um seinen Kopf herum. Der handfeste Renomist draͤngt seine Hand und Finger in einem Knoten zusammen, um so seine Staͤrke in einem Punkte konzentrisch zu fuͤhlen. Wie der Kopf, so der Fuß: — und — bei denen dieser mehr vermag, als jener — der Fuß wie der Kopf. Kein Mensch gehet mit dem andern gleich, so wie keiner dem andern ganz gleich ist. Der Pflegmatiker nimmt sich gerne, wie er sagt, bei seinem Spatziergange Zeit: der Sanguiniker um sich Motion zu machen, laͤuft bei Spatzierengehen Bothschaften: der Boeotiker aber geht seinen angefangenen Schritt fort; das heißt, einen derben taktmaͤßig langsam sich erhebenden und niederfallenden Hufschlag. Beobachter setze dich auf oͤffentliche Wege, Alleen, Gaͤrten, wo deine Welt vorbeispatzieret, — so mancher gottesfuͤrchtige Handwerker, und schwere Gelehrte, so mancher springende Windbeutel, und schwerfaͤllige Handelsmann; so manche naseweise Ehefrau, so manche auf ihre Unschuld, auf ihre noch unberuͤhrte Jungferschaft haltende Jungfer mit steifem Rocke, und fest versiegelten Halstuch; — und so manches arme in dem Hinsehnen ihrer Empfindung und dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/43
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/43>, abgerufen am 19.04.2024.