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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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bittliche Göttinnen, den Frevel und das Unrecht
zu strafen.

In ähnlicher Gestalt, wie die erste Figur,
nach einem antiken geschnittenen Steine aus der
Stoschischen Sammlung, auf der hier beigefüg-
ten Kupfertafel, mit dem Dolch und fliegendem
Haar, scheint man sich zuweilen dasjenige gedacht
zu haben, was man das feindseelige Schicksal,
oder das schwarze Verhängniß nannte, und
womit man den erhabenen Begriff der Nothwen-
digkeit
noch nicht verknüpfte, in welchem sich al-
les in Harmonie auflößt, und das Schreckenvolle
verschwindet.

Lachesis, diejenige von den Parzen, welche
den Faden spinnt, und irgendwo die schöne Toch-
ter der Nothwendigkeit
genannt wird, ist hier,
ebenfalls nach einem geschnittenen Steine aus der
Stoschischen Sammlung, in jugendlicher Schön-
heit abgebildet, sitzend und spinnend, einen Ro-
cken vor, den andern hinter sich, und zu ihren
Füßen eine komische und eine tragische
Maske.

Da man selten Abbildungen von den Parzen
findet, so hat dieß Denkmal aus dem Alterthum
einen desto größern Werth; und das Bedeutende
in dieser Darstellung macht dasselbe doppelt anzie-
hend. Die tragische und komische Maske zu den
Füßen der Parze ist eine der glücklichsten Anspie-

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bittliche Goͤttinnen, den Frevel und das Unrecht
zu ſtrafen.

In aͤhnlicher Geſtalt, wie die erſte Figur,
nach einem antiken geſchnittenen Steine aus der
Stoſchiſchen Sammlung, auf der hier beigefuͤg-
ten Kupfertafel, mit dem Dolch und fliegendem
Haar, ſcheint man ſich zuweilen dasjenige gedacht
zu haben, was man das feindſeelige Schickſal,
oder das ſchwarze Verhaͤngniß nannte, und
womit man den erhabenen Begriff der Nothwen-
digkeit
noch nicht verknuͤpfte, in welchem ſich al-
les in Harmonie aufloͤßt, und das Schreckenvolle
verſchwindet.

Lacheſis, diejenige von den Parzen, welche
den Faden ſpinnt, und irgendwo die ſchoͤne Toch-
ter der Nothwendigkeit
genannt wird, iſt hier,
ebenfalls nach einem geſchnittenen Steine aus der
Stoſchiſchen Sammlung, in jugendlicher Schoͤn-
heit abgebildet, ſitzend und ſpinnend, einen Ro-
cken vor, den andern hinter ſich, und zu ihren
Fuͤßen eine komiſche und eine tragiſche
Maske.

Da man ſelten Abbildungen von den Parzen
findet, ſo hat dieß Denkmal aus dem Alterthum
einen deſto groͤßern Werth; und das Bedeutende
in dieſer Darſtellung macht daſſelbe doppelt anzie-
hend. Die tragiſche und komiſche Maske zu den
Fuͤßen der Parze iſt eine der gluͤcklichſten Anſpie-

D 2
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[51/0077] bittliche Goͤttinnen, den Frevel und das Unrecht zu ſtrafen. In aͤhnlicher Geſtalt, wie die erſte Figur, nach einem antiken geſchnittenen Steine aus der Stoſchiſchen Sammlung, auf der hier beigefuͤg- ten Kupfertafel, mit dem Dolch und fliegendem Haar, ſcheint man ſich zuweilen dasjenige gedacht zu haben, was man das feindſeelige Schickſal, oder das ſchwarze Verhaͤngniß nannte, und womit man den erhabenen Begriff der Nothwen- digkeit noch nicht verknuͤpfte, in welchem ſich al- les in Harmonie aufloͤßt, und das Schreckenvolle verſchwindet. Lacheſis, diejenige von den Parzen, welche den Faden ſpinnt, und irgendwo die ſchoͤne Toch- ter der Nothwendigkeit genannt wird, iſt hier, ebenfalls nach einem geſchnittenen Steine aus der Stoſchiſchen Sammlung, in jugendlicher Schoͤn- heit abgebildet, ſitzend und ſpinnend, einen Ro- cken vor, den andern hinter ſich, und zu ihren Fuͤßen eine komiſche und eine tragiſche Maske. Da man ſelten Abbildungen von den Parzen findet, ſo hat dieß Denkmal aus dem Alterthum einen deſto groͤßern Werth; und das Bedeutende in dieſer Darſtellung macht daſſelbe doppelt anzie- hend. Die tragiſche und komiſche Maske zu den Fuͤßen der Parze iſt eine der gluͤcklichſten Anſpie- D 2

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/77>, abgerufen am 29.04.2024.