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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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gestritten, und mit ihrem Erzeuger und den übri-
gen Titanen in den Tartarus geschleudert sind.

Bei diesen Titanen im Tartarus und bei der
furchtbaren Styx, dem unterirdischen Quell, dessen
Wasser im nächtlichen Dunkel vom hoch sich wöl-
benden Felsen träufelt, und den Fluß bildet, über
welchen keine Rückkehr statt findet, schwören die
Götter den schrecklichen unverletzlichen Schwur,
von dessen Banden keine Macht im Himmel und
auf Erden befreien kann.

Die hohen Götter können nur bei dem Tiefen
schwören, wo Nacht und Finsterniß herrscht, wo aber
auch zugleich die Grundfeste der Dinge ist, auf
der die Erhaltung des Daseyns aller Wesen beruht.

Denn da, wo sich die schwarze Styx ergießt,
ist der finstre Tartarus mit eherner Mauer um-
schlossen, und von dreifacher Nacht umgeben.
Hier ist es, wo die Titanen im dunkeln Kerker
sitzen. Hier sind aber auch zugleich nach der alten
Dichtung die Grundsäulen der Erde, des Meeres
und des gestirnten Himmels.

Hier an den entfernten Ufern des Oceans ist
auch die unaufhörlich mit schwarzen Wolken bedeckte
Wohnung der Nacht; und Atlas der Sohn des
Japet steht davor, mit unermüdetem Haupt und
Händen die Last des Himmels tragend. Da, wo
Tag und Nacht einander sich stets begegnen, und
niemals beisammen wohnen.

E

geſtritten, und mit ihrem Erzeuger und den uͤbri-
gen Titanen in den Tartarus geſchleudert ſind.

Bei dieſen Titanen im Tartarus und bei der
furchtbaren Styx, dem unterirdiſchen Quell, deſſen
Waſſer im naͤchtlichen Dunkel vom hoch ſich woͤl-
benden Felſen traͤufelt, und den Fluß bildet, uͤber
welchen keine Ruͤckkehr ſtatt findet, ſchwoͤren die
Goͤtter den ſchrecklichen unverletzlichen Schwur,
von deſſen Banden keine Macht im Himmel und
auf Erden befreien kann.

Die hohen Goͤtter koͤnnen nur bei dem Tiefen
ſchwoͤren, wo Nacht und Finſterniß herrſcht, wo aber
auch zugleich die Grundfeſte der Dinge iſt, auf
der die Erhaltung des Daſeyns aller Weſen beruht.

Denn da, wo ſich die ſchwarze Styx ergießt,
iſt der finſtre Tartarus mit eherner Mauer um-
ſchloſſen, und von dreifacher Nacht umgeben.
Hier iſt es, wo die Titanen im dunkeln Kerker
ſitzen. Hier ſind aber auch zugleich nach der alten
Dichtung die Grundſaͤulen der Erde, des Meeres
und des geſtirnten Himmels.

Hier an den entfernten Ufern des Oceans iſt
auch die unaufhoͤrlich mit ſchwarzen Wolken bedeckte
Wohnung der Nacht; und Atlas der Sohn des
Japet ſteht davor, mit unermuͤdetem Haupt und
Haͤnden die Laſt des Himmels tragend. Da, wo
Tag und Nacht einander ſich ſtets begegnen, und
niemals beiſammen wohnen.

E
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[65/0091] geſtritten, und mit ihrem Erzeuger und den uͤbri- gen Titanen in den Tartarus geſchleudert ſind. Bei dieſen Titanen im Tartarus und bei der furchtbaren Styx, dem unterirdiſchen Quell, deſſen Waſſer im naͤchtlichen Dunkel vom hoch ſich woͤl- benden Felſen traͤufelt, und den Fluß bildet, uͤber welchen keine Ruͤckkehr ſtatt findet, ſchwoͤren die Goͤtter den ſchrecklichen unverletzlichen Schwur, von deſſen Banden keine Macht im Himmel und auf Erden befreien kann. Die hohen Goͤtter koͤnnen nur bei dem Tiefen ſchwoͤren, wo Nacht und Finſterniß herrſcht, wo aber auch zugleich die Grundfeſte der Dinge iſt, auf der die Erhaltung des Daſeyns aller Weſen beruht. Denn da, wo ſich die ſchwarze Styx ergießt, iſt der finſtre Tartarus mit eherner Mauer um- ſchloſſen, und von dreifacher Nacht umgeben. Hier iſt es, wo die Titanen im dunkeln Kerker ſitzen. Hier ſind aber auch zugleich nach der alten Dichtung die Grundſaͤulen der Erde, des Meeres und des geſtirnten Himmels. Hier an den entfernten Ufern des Oceans iſt auch die unaufhoͤrlich mit ſchwarzen Wolken bedeckte Wohnung der Nacht; und Atlas der Sohn des Japet ſteht davor, mit unermuͤdetem Haupt und Haͤnden die Laſt des Himmels tragend. Da, wo Tag und Nacht einander ſich ſtets begegnen, und niemals beiſammen wohnen. E

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/91>, abgerufen am 28.04.2024.