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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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Und in seiner Rede an der Königin Geburtstage
war folgende Stelle, die ich vorher nicht mit
ausgezogen habe, eigentlich diejenige, wobei
er am meisten und am wahrsten empfunden
hatte --

-- -- Sie lächelt -- und die Frölichen
jauchzen --
Und die Traurigen trocknen vom nassen Auge
die Zähre,

Heitern den trüben Blick auf zur Freud' und
lächeln, und segnen

Auch dem Tag' entgegen, der ihnen Charlotten
zum Trost gab. --

Auch er rechnete sich in Gedanken mit unter
diese Zahl der Traurigen, die den trüben Blick
zur Freude aufheitern. -- Und er fand weit mehr
Süßigkeit darin, sich unter der Zahl der Trau¬
rigen, als unter der Zahl der Frölichen zu den¬
ken. -- Dieß war wiederum the Joy of grief
(die Wonne der Thränen) wohin von Kindheit
an sein Herz hing. --

So brachte er nun den Winter ziemlich glück¬
lich zu -- aber da nun einmal seine Phantasie so

Und in ſeiner Rede an der Koͤnigin Geburtstage
war folgende Stelle, die ich vorher nicht mit
ausgezogen habe, eigentlich diejenige, wobei
er am meiſten und am wahrſten empfunden
hatte —

— — Sie laͤchelt — und die Froͤlichen
jauchzen —
Und die Traurigen trocknen vom naſſen Auge
die Zaͤhre,

Heitern den truͤben Blick auf zur Freud' und
laͤcheln, und ſegnen

Auch dem Tag' entgegen, der ihnen Charlotten
zum Troſt gab. —

Auch er rechnete ſich in Gedanken mit unter
dieſe Zahl der Traurigen, die den truͤben Blick
zur Freude aufheitern. — Und er fand weit mehr
Suͤßigkeit darin, ſich unter der Zahl der Trau¬
rigen, als unter der Zahl der Froͤlichen zu den¬
ken. — Dieß war wiederum the Joy of grief
(die Wonne der Thraͤnen) wohin von Kindheit
an ſein Herz hing. —

So brachte er nun den Winter ziemlich gluͤck¬
lich zu — aber da nun einmal ſeine Phantaſie ſo

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[157/0167] Und in ſeiner Rede an der Koͤnigin Geburtstage war folgende Stelle, die ich vorher nicht mit ausgezogen habe, eigentlich diejenige, wobei er am meiſten und am wahrſten empfunden hatte — — — Sie laͤchelt — und die Froͤlichen jauchzen — Und die Traurigen trocknen vom naſſen Auge die Zaͤhre, Heitern den truͤben Blick auf zur Freud' und laͤcheln, und ſegnen Auch dem Tag' entgegen, der ihnen Charlotten zum Troſt gab. — Auch er rechnete ſich in Gedanken mit unter dieſe Zahl der Traurigen, die den truͤben Blick zur Freude aufheitern. — Und er fand weit mehr Suͤßigkeit darin, ſich unter der Zahl der Trau¬ rigen, als unter der Zahl der Froͤlichen zu den¬ ken. — Dieß war wiederum the Joy of grief (die Wonne der Thraͤnen) wohin von Kindheit an ſein Herz hing. — So brachte er nun den Winter ziemlich gluͤck¬ lich zu — aber da nun einmal ſeine Phantaſie ſo

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/167>, abgerufen am 29.03.2024.