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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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Wer weiß, ob nicht auch diese Reflexion, oder
diß dunkle Bewußtsein, mit zu Reisers Ver¬
wirrung beitrug, so oft von G... gesprochen
wurde -- es däuchte ihm nur noch ein so
kleiner Schritt zwischen ihm, und dem Verbre¬
chen, zu dem er hätte verleitet werden können;
daß es ihm ging, wie einem, dem vor einem Ab¬
grunde schwindelt, von welchem er noch weit genug
entfernt ist, um nicht hereinzustürzen, der sich
aber dennoch, selbst durch seine Furcht, un¬
aufhaltsam hin gezogen fühlt, und schon in
dem Abgrunde zu versinken glaubt. --

Die leichte Möglichkeit, an G...s Verbre¬
chen Theil zu nehmen, welche Reiser bei sich
empfand, erweckte bei ihm fast ein ähnliches Ge¬
fühl, als ob er wirklich daran Theil genommen
hätte, woraus sich also seine Angst und Verwir¬
rung sehr gut erklären läßt.

Indes kam es mit G... so weit nicht, daß er ge¬
hangen wurde, sondern nachdem er einige Monathe
im Gefängniß gesessen hatte, ward sein Urtheil da¬
hin gemildert, daß er über die Grenze gebracht und
des Landes verwiesen wurde. -- Reiser hat von
seinem Schicksale nachher nichts weiter erfahren

Wer weiß, ob nicht auch dieſe Reflexion, oder
diß dunkle Bewußtſein, mit zu Reiſers Ver¬
wirrung beitrug, ſo oft von G... geſprochen
wurde — es daͤuchte ihm nur noch ein ſo
kleiner Schritt zwiſchen ihm, und dem Verbre¬
chen, zu dem er haͤtte verleitet werden koͤnnen;
daß es ihm ging, wie einem, dem vor einem Ab¬
grunde ſchwindelt, von welchem er noch weit genug
entfernt iſt, um nicht hereinzuſtuͤrzen, der ſich
aber dennoch, ſelbſt durch ſeine Furcht, un¬
aufhaltſam hin gezogen fuͤhlt, und ſchon in
dem Abgrunde zu verſinken glaubt. —

Die leichte Moͤglichkeit, an G...s Verbre¬
chen Theil zu nehmen, welche Reiſer bei ſich
empfand, erweckte bei ihm faſt ein aͤhnliches Ge¬
fuͤhl, als ob er wirklich daran Theil genommen
haͤtte, woraus ſich alſo ſeine Angſt und Verwir¬
rung ſehr gut erklaͤren laͤßt.

Indes kam es mit G... ſo weit nicht, daß er ge¬
hangen wurde, ſondern nachdem er einige Monathe
im Gefaͤngniß geſeſſen hatte, ward ſein Urtheil da¬
hin gemildert, daß er uͤber die Grenze gebracht und
des Landes verwieſen wurde. — Reiſer hat von
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[13/0023] Wer weiß, ob nicht auch dieſe Reflexion, oder diß dunkle Bewußtſein, mit zu Reiſers Ver¬ wirrung beitrug, ſo oft von G... geſprochen wurde — es daͤuchte ihm nur noch ein ſo kleiner Schritt zwiſchen ihm, und dem Verbre¬ chen, zu dem er haͤtte verleitet werden koͤnnen; daß es ihm ging, wie einem, dem vor einem Ab¬ grunde ſchwindelt, von welchem er noch weit genug entfernt iſt, um nicht hereinzuſtuͤrzen, der ſich aber dennoch, ſelbſt durch ſeine Furcht, un¬ aufhaltſam hin gezogen fuͤhlt, und ſchon in dem Abgrunde zu verſinken glaubt. — Die leichte Moͤglichkeit, an G...s Verbre¬ chen Theil zu nehmen, welche Reiſer bei ſich empfand, erweckte bei ihm faſt ein aͤhnliches Ge¬ fuͤhl, als ob er wirklich daran Theil genommen haͤtte, woraus ſich alſo ſeine Angſt und Verwir¬ rung ſehr gut erklaͤren laͤßt. Indes kam es mit G... ſo weit nicht, daß er ge¬ hangen wurde, ſondern nachdem er einige Monathe im Gefaͤngniß geſeſſen hatte, ward ſein Urtheil da¬ hin gemildert, daß er uͤber die Grenze gebracht und des Landes verwieſen wurde. — Reiſer hat von ſeinem Schickſale nachher nichts weiter erfahren

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/23>, abgerufen am 28.03.2024.