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Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844.

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im Erzengel Michael gefeiert, welcher die zum Satan verfratzte Natur unter seine Füße geworfen hat.

So trat mit dem Christenthume der Zwiespalt zwischen dem sinnlichen und dem geistigen Menschen in die Welt und mit ihm die Sünde in das Bewußtsein der Menschheit. Thomas a Kempis in der Nachfolge Christi ist am innigsten auf diese Frage im christlichen Sinne eingegangen. Dieser Kampf stellte sich im Mittelalter äußerlich dar in dem weltlichen Kaiser und dem geistlichen Papste.

Mit geheimer und öffentlicher Abneigung hatte das spirituelle Christenthum in seinen ersten Jahrhunderten die sinnlichste Kunst, die plastische, in ihre Dienste genommen. Die Kunst verrichtete auch bei dem altchristlichen Dogma dasselbe Werk, welches sie in der Naturreligion vollendet hatte. Sie brachte es allmählig zur sinnlichen Erscheinung und überwand es, wie Alles überwunden ist, was aus dem Himmel auf die Erde und in die rollende Geschichte hineintritt. Es verbanden sich in der Mitte des zweiten christlichen Jahrtausends mit der Kunst ihre alten Lehrerinnen, die griechische Poesie und Philosophie, welche in ihren ewig neuen Evangelien, Homer und Plato, bei der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanli nach Florenz zu den Mediceern geflüchtet wurden, um von hier aus von Neuem die Menschheit zu erwärmen und zu begeistern.

Florenz war im Mittelalter eine aus Burgen zusammengerückte

im Erzengel Michael gefeiert, welcher die zum Satan verfratzte Natur unter seine Füße geworfen hat.

So trat mit dem Christenthume der Zwiespalt zwischen dem sinnlichen und dem geistigen Menschen in die Welt und mit ihm die Sünde in das Bewußtsein der Menschheit. Thomas a Kempis in der Nachfolge Christi ist am innigsten auf diese Frage im christlichen Sinne eingegangen. Dieser Kampf stellte sich im Mittelalter äußerlich dar in dem weltlichen Kaiser und dem geistlichen Papste.

Mit geheimer und öffentlicher Abneigung hatte das spirituelle Christenthum in seinen ersten Jahrhunderten die sinnlichste Kunst, die plastische, in ihre Dienste genommen. Die Kunst verrichtete auch bei dem altchristlichen Dogma dasselbe Werk, welches sie in der Naturreligion vollendet hatte. Sie brachte es allmählig zur sinnlichen Erscheinung und überwand es, wie Alles überwunden ist, was aus dem Himmel auf die Erde und in die rollende Geschichte hineintritt. Es verbanden sich in der Mitte des zweiten christlichen Jahrtausends mit der Kunst ihre alten Lehrerinnen, die griechische Poesie und Philosophie, welche in ihren ewig neuen Evangelien, Homer und Plato, bei der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanli nach Florenz zu den Mediceern geflüchtet wurden, um von hier aus von Neuem die Menschheit zu erwärmen und zu begeistern.

Florenz war im Mittelalter eine aus Burgen zusammengerückte

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[3/0013] im Erzengel Michael gefeiert, welcher die zum Satan verfratzte Natur unter seine Füße geworfen hat. So trat mit dem Christenthume der Zwiespalt zwischen dem sinnlichen und dem geistigen Menschen in die Welt und mit ihm die Sünde in das Bewußtsein der Menschheit. Thomas a Kempis in der Nachfolge Christi ist am innigsten auf diese Frage im christlichen Sinne eingegangen. Dieser Kampf stellte sich im Mittelalter äußerlich dar in dem weltlichen Kaiser und dem geistlichen Papste. Mit geheimer und öffentlicher Abneigung hatte das spirituelle Christenthum in seinen ersten Jahrhunderten die sinnlichste Kunst, die plastische, in ihre Dienste genommen. Die Kunst verrichtete auch bei dem altchristlichen Dogma dasselbe Werk, welches sie in der Naturreligion vollendet hatte. Sie brachte es allmählig zur sinnlichen Erscheinung und überwand es, wie Alles überwunden ist, was aus dem Himmel auf die Erde und in die rollende Geschichte hineintritt. Es verbanden sich in der Mitte des zweiten christlichen Jahrtausends mit der Kunst ihre alten Lehrerinnen, die griechische Poesie und Philosophie, welche in ihren ewig neuen Evangelien, Homer und Plato, bei der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanli nach Florenz zu den Mediceern geflüchtet wurden, um von hier aus von Neuem die Menschheit zu erwärmen und zu begeistern. Florenz war im Mittelalter eine aus Burgen zusammengerückte

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Zitationshilfe: Mosen, Julius: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Dresden, 1844, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mosen_galerie_1844/13>, abgerufen am 25.04.2024.