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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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wenn Sie wollen. Ich konnte mich kaum fassen und nur die Frage herausbringen, wie der gefeierte Mann nach Berlin käme. Er steht vor der Thüre, sagte die Majorin dringend, und wartet nur auf Ihren Befehl. Ich lasse öffnen, und ein junger Mann von der feinsten französischen Tournure, gekleidet wie ein Bild aus dem pariser Modejournal, schreitet auf mich zu, küßt mir die Hand und redet mich an mit einem Accent, ich sage Ihnen, mit einem Accent ohne Gleichen. Aber in demselben Augenblick fängt er an laut zu lachen, und die Majorin stimmt ein. Es war ihr Sohn, der seit einigen Jahren in Paris bei unsrer Gesandtschaft gearbeitet hat und dort in Paris selbst, wegen einer ganz frappanten Aehnlichkeit, oft mit dem berühmten Delavigne verwechselt worden ist. Ein höchst interessanter junger Mann. Er hat Delavigne häufig in den Clubs der Liberalen gesprochen, mit Beranger hat er Brüderschaft getrunken -- Sie müssen ihn durchaus kennen lernen, lieber Doctor. So hat er mir zwei, drei Stunden hinweggeplaudert, und dann haben wir ihm versprechen müssen, diesen Abend bei der Majorin Thee zu trinken. Er hat Fanny so geschwätzig gemacht, wie ich sie seit Jahren nicht gesehn habe, und sie hat sich sogar dazu verstanden, denken Sie sich, französisch mit ihm zu conversiren. Aber nun, lieber Doctor, Ihre Hand und das Versprechen: Nichts nachgetragen! Sie wissen ja, wie ich für Delavigne portirt bin, und so ist es kein Wunder, daß

wenn Sie wollen. Ich konnte mich kaum fassen und nur die Frage herausbringen, wie der gefeierte Mann nach Berlin käme. Er steht vor der Thüre, sagte die Majorin dringend, und wartet nur auf Ihren Befehl. Ich lasse öffnen, und ein junger Mann von der feinsten französischen Tournure, gekleidet wie ein Bild aus dem pariser Modejournal, schreitet auf mich zu, küßt mir die Hand und redet mich an mit einem Accent, ich sage Ihnen, mit einem Accent ohne Gleichen. Aber in demselben Augenblick fängt er an laut zu lachen, und die Majorin stimmt ein. Es war ihr Sohn, der seit einigen Jahren in Paris bei unsrer Gesandtschaft gearbeitet hat und dort in Paris selbst, wegen einer ganz frappanten Aehnlichkeit, oft mit dem berühmten Delavigne verwechselt worden ist. Ein höchst interessanter junger Mann. Er hat Delavigne häufig in den Clubs der Liberalen gesprochen, mit Béranger hat er Brüderschaft getrunken — Sie müssen ihn durchaus kennen lernen, lieber Doctor. So hat er mir zwei, drei Stunden hinweggeplaudert, und dann haben wir ihm versprechen müssen, diesen Abend bei der Majorin Thee zu trinken. Er hat Fanny so geschwätzig gemacht, wie ich sie seit Jahren nicht gesehn habe, und sie hat sich sogar dazu verstanden, denken Sie sich, französisch mit ihm zu conversiren. Aber nun, lieber Doctor, Ihre Hand und das Versprechen: Nichts nachgetragen! Sie wissen ja, wie ich für Delavigne portirt bin, und so ist es kein Wunder, daß

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/22>, abgerufen am 29.03.2024.