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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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auch der falsche Delavigne einen Theil meiner Bewunderung des echten in Anspruch genommen hat.

Arthur, fast von jedem Worte dieser Erzählung an den empfindlichsten Stellen seiner Eigenliebe verletzt, vermochte noch immer nicht einen Ton zu finden, welcher das ausspräche, was sein Inneres empörte. Endlich brachte er nicht ohne Beklommenheit die Frage heraus: Kann ich nicht die Ehre haben, Fräulein Fanny auf einen Augenblick zu sprechen?

Meine Tochter wird noch mit der Toilette beschäftigt sein, erwiderte die Dame ziemlich gleichgültig. Lisette, geh doch einmal hinein zu dem Fräulein, der Herr Doctor wünschen sie zu sprechen.

Bestellen Sie, die Glosse wolle ihre Aufwartung machen, rief Arthur dem Kammermädchen nach. Die Geheimeräthin, vor dem Spiegel stehend, überhörte diesen Nachtrag zu ihrem Befehl, und das steigerte wieder des Doctors Entrüstung. Das Kammermädchen kam zurück und meldete: die Madame Klosse möge morgen wiederkommen, wenn sie nicht schon heute Nacht abreise. Die Dame, ohne den Grund des komischen Mißverständnisses zu begreifen, fing an aus vollem Halse zu lachen, und der gemißhandelte Dichter, unfähig, seine innere Wuth länger zurückzuhalten, eilte so stürmisch aus dem Zimmer hinaus, daß er sein trotziges "Leben Sie wohl!" kaum noch auf dem Vorsaale aussprechen konnte. Eben so stürzte er die Treppe hinunter, zog den Drücker des Hausthores in die

auch der falsche Delavigne einen Theil meiner Bewunderung des echten in Anspruch genommen hat.

Arthur, fast von jedem Worte dieser Erzählung an den empfindlichsten Stellen seiner Eigenliebe verletzt, vermochte noch immer nicht einen Ton zu finden, welcher das ausspräche, was sein Inneres empörte. Endlich brachte er nicht ohne Beklommenheit die Frage heraus: Kann ich nicht die Ehre haben, Fräulein Fanny auf einen Augenblick zu sprechen?

Meine Tochter wird noch mit der Toilette beschäftigt sein, erwiderte die Dame ziemlich gleichgültig. Lisette, geh doch einmal hinein zu dem Fräulein, der Herr Doctor wünschen sie zu sprechen.

Bestellen Sie, die Glosse wolle ihre Aufwartung machen, rief Arthur dem Kammermädchen nach. Die Geheimeräthin, vor dem Spiegel stehend, überhörte diesen Nachtrag zu ihrem Befehl, und das steigerte wieder des Doctors Entrüstung. Das Kammermädchen kam zurück und meldete: die Madame Klosse möge morgen wiederkommen, wenn sie nicht schon heute Nacht abreise. Die Dame, ohne den Grund des komischen Mißverständnisses zu begreifen, fing an aus vollem Halse zu lachen, und der gemißhandelte Dichter, unfähig, seine innere Wuth länger zurückzuhalten, eilte so stürmisch aus dem Zimmer hinaus, daß er sein trotziges „Leben Sie wohl!“ kaum noch auf dem Vorsaale aussprechen konnte. Eben so stürzte er die Treppe hinunter, zog den Drücker des Hausthores in die

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[0023] auch der falsche Delavigne einen Theil meiner Bewunderung des echten in Anspruch genommen hat. Arthur, fast von jedem Worte dieser Erzählung an den empfindlichsten Stellen seiner Eigenliebe verletzt, vermochte noch immer nicht einen Ton zu finden, welcher das ausspräche, was sein Inneres empörte. Endlich brachte er nicht ohne Beklommenheit die Frage heraus: Kann ich nicht die Ehre haben, Fräulein Fanny auf einen Augenblick zu sprechen? Meine Tochter wird noch mit der Toilette beschäftigt sein, erwiderte die Dame ziemlich gleichgültig. Lisette, geh doch einmal hinein zu dem Fräulein, der Herr Doctor wünschen sie zu sprechen. Bestellen Sie, die Glosse wolle ihre Aufwartung machen, rief Arthur dem Kammermädchen nach. Die Geheimeräthin, vor dem Spiegel stehend, überhörte diesen Nachtrag zu ihrem Befehl, und das steigerte wieder des Doctors Entrüstung. Das Kammermädchen kam zurück und meldete: die Madame Klosse möge morgen wiederkommen, wenn sie nicht schon heute Nacht abreise. Die Dame, ohne den Grund des komischen Mißverständnisses zu begreifen, fing an aus vollem Halse zu lachen, und der gemißhandelte Dichter, unfähig, seine innere Wuth länger zurückzuhalten, eilte so stürmisch aus dem Zimmer hinaus, daß er sein trotziges „Leben Sie wohl!“ kaum noch auf dem Vorsaale aussprechen konnte. Eben so stürzte er die Treppe hinunter, zog den Drücker des Hausthores in die

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/23>, abgerufen am 25.04.2024.