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Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Auch Erfahrungen können trügen, unterbrach ihn der Doctor mit Empfindlichkeit, und besonders leicht, wenn keine feste Theorie sie sichtet und erläutert.

O mein guter Arthur, seufzte der Marquis aus tiefster Brust, diese Erfahrung hat mich nicht betrogen! Sie hat sich bewährt an mir fürchterlich, sehr fürchterlich. Gott behüte Sie, so lange Sie leben, vor einer Ueberzeugung durch eine solche Erfahrung! Bei Gott, und werden Sie katholisch und ein Pfaff dazu, so will ich doch nicht wünschen, daß eine Erfahrung von der Art Sie bringe zurück zu der Vernunft. Sie sollen noch davon hören.

Mit diesen Worten drückte der Alte in krampfhafter Rührung die Hand seines Begleiters, und der Streit war abgebrochen. Aber eine ängstliche Besorgniß, von dem Jünglinge mißverstanden zu werden, hielt ihn zurück, sich weiter auszusprechen, so innig er auch das Bedürfniß zu fühlen schien, sein Herz vor irgend einem mitfühlenden Wesen ohne allen Hinterhalt aufzuschließen. Vielleicht erwartete er auch nach so manchen Andeutungen, von seinem Begleiter aufgefordert zu werden, ihm das Vertrauen einer unumwundenen Entdeckung dessen zu schenken, was er ihm bisher in einzelnen Ausbrüchen seiner Leidenschaft verwirrend vorgespiegelt hatte. Aber jener, welcher hinter der wunderlichen Außenseite des Marquis ein ähnliches Geheimniß des Innern verborgen glaubte,

Auch Erfahrungen können trügen, unterbrach ihn der Doctor mit Empfindlichkeit, und besonders leicht, wenn keine feste Theorie sie sichtet und erläutert.

O mein guter Arthur, seufzte der Marquis aus tiefster Brust, diese Erfahrung hat mich nicht betrogen! Sie hat sich bewährt an mir fürchterlich, sehr fürchterlich. Gott behüte Sie, so lange Sie leben, vor einer Ueberzeugung durch eine solche Erfahrung! Bei Gott, und werden Sie katholisch und ein Pfaff dazu, so will ich doch nicht wünschen, daß eine Erfahrung von der Art Sie bringe zurück zu der Vernunft. Sie sollen noch davon hören.

Mit diesen Worten drückte der Alte in krampfhafter Rührung die Hand seines Begleiters, und der Streit war abgebrochen. Aber eine ängstliche Besorgniß, von dem Jünglinge mißverstanden zu werden, hielt ihn zurück, sich weiter auszusprechen, so innig er auch das Bedürfniß zu fühlen schien, sein Herz vor irgend einem mitfühlenden Wesen ohne allen Hinterhalt aufzuschließen. Vielleicht erwartete er auch nach so manchen Andeutungen, von seinem Begleiter aufgefordert zu werden, ihm das Vertrauen einer unumwundenen Entdeckung dessen zu schenken, was er ihm bisher in einzelnen Ausbrüchen seiner Leidenschaft verwirrend vorgespiegelt hatte. Aber jener, welcher hinter der wunderlichen Außenseite des Marquis ein ähnliches Geheimniß des Innern verborgen glaubte,

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[0049] Auch Erfahrungen können trügen, unterbrach ihn der Doctor mit Empfindlichkeit, und besonders leicht, wenn keine feste Theorie sie sichtet und erläutert. O mein guter Arthur, seufzte der Marquis aus tiefster Brust, diese Erfahrung hat mich nicht betrogen! Sie hat sich bewährt an mir fürchterlich, sehr fürchterlich. Gott behüte Sie, so lange Sie leben, vor einer Ueberzeugung durch eine solche Erfahrung! Bei Gott, und werden Sie katholisch und ein Pfaff dazu, so will ich doch nicht wünschen, daß eine Erfahrung von der Art Sie bringe zurück zu der Vernunft. Sie sollen noch davon hören. Mit diesen Worten drückte der Alte in krampfhafter Rührung die Hand seines Begleiters, und der Streit war abgebrochen. Aber eine ängstliche Besorgniß, von dem Jünglinge mißverstanden zu werden, hielt ihn zurück, sich weiter auszusprechen, so innig er auch das Bedürfniß zu fühlen schien, sein Herz vor irgend einem mitfühlenden Wesen ohne allen Hinterhalt aufzuschließen. Vielleicht erwartete er auch nach so manchen Andeutungen, von seinem Begleiter aufgefordert zu werden, ihm das Vertrauen einer unumwundenen Entdeckung dessen zu schenken, was er ihm bisher in einzelnen Ausbrüchen seiner Leidenschaft verwirrend vorgespiegelt hatte. Aber jener, welcher hinter der wunderlichen Außenseite des Marquis ein ähnliches Geheimniß des Innern verborgen glaubte,

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

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Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/49>, abgerufen am 28.03.2024.