Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite
Erstes Kapitel.

Das Zimmer fing an dunkel zu werden, und Arthur nahm vor dem Spiegel den Widerschein einer Laterne, welche seinem Fenster gerade gegenüber unter den Linden brannte, zu Hülfe, um seine Abendtoilette mit dem Einstecken einer goldenen Nadel in den englischen Knoten seines Halstuches zu beschließen. Dabei hatte er das Mißgeschick, das glatte Tuch ein wenig zu verknicken, und darüber ungeduldig und verdrießlich, zog er die Klingel. Aber der helle Ruf der Glocke blieb unbeantwortet, und um seinen Unwillen an irgend einem Dinge außer sich so merklich, als es jetzt geschehen konnte, auszulassen, zuckte er so lange an der Klingelschnur, bis sie zerriß. Eine abscheuliche Wirthschaft hier im Hause! brummte er vor sich hin, warf sich auf das Sopha, ließ seine Uhr repetiren und zählte fünf und drei Viertel. Die Madame ist wieder ins Theater gegangen und das Mädchen hinterdreingelaufen, und nach mir fragt keine Seele. Ich muß ausziehen, wenn das nicht bald anders wird. Es ist mir hier unter den Linden in der Nähe des Opernplatzes ohnedies zu viel Lärm, und ist es nicht eine Schande, wie theuer ich diese Rumpelkammer, die sie Chambre garnie nennen, bezahlen muß, und bei einer solchen spitalmäßigen Aufwartung!

Erstes Kapitel.

Das Zimmer fing an dunkel zu werden, und Arthur nahm vor dem Spiegel den Widerschein einer Laterne, welche seinem Fenster gerade gegenüber unter den Linden brannte, zu Hülfe, um seine Abendtoilette mit dem Einstecken einer goldenen Nadel in den englischen Knoten seines Halstuches zu beschließen. Dabei hatte er das Mißgeschick, das glatte Tuch ein wenig zu verknicken, und darüber ungeduldig und verdrießlich, zog er die Klingel. Aber der helle Ruf der Glocke blieb unbeantwortet, und um seinen Unwillen an irgend einem Dinge außer sich so merklich, als es jetzt geschehen konnte, auszulassen, zuckte er so lange an der Klingelschnur, bis sie zerriß. Eine abscheuliche Wirthschaft hier im Hause! brummte er vor sich hin, warf sich auf das Sopha, ließ seine Uhr repetiren und zählte fünf und drei Viertel. Die Madame ist wieder ins Theater gegangen und das Mädchen hinterdreingelaufen, und nach mir fragt keine Seele. Ich muß ausziehen, wenn das nicht bald anders wird. Es ist mir hier unter den Linden in der Nähe des Opernplatzes ohnedies zu viel Lärm, und ist es nicht eine Schande, wie theuer ich diese Rumpelkammer, die sie Chambre garnie nennen, bezahlen muß, und bei einer solchen spitalmäßigen Aufwartung!

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0007"/>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <head>Erstes Kapitel.</head>
        <p>Das Zimmer fing an dunkel zu werden, und Arthur nahm vor dem Spiegel den Widerschein                einer Laterne, welche seinem Fenster gerade gegenüber unter den Linden brannte, zu                Hülfe, um seine Abendtoilette mit dem Einstecken einer goldenen Nadel in den                englischen Knoten seines Halstuches zu beschließen. Dabei hatte er das Mißgeschick,                das glatte Tuch ein wenig zu verknicken, und darüber ungeduldig und verdrießlich, zog                er die Klingel. Aber der helle Ruf der Glocke blieb unbeantwortet, und um seinen                Unwillen an irgend einem Dinge außer sich so merklich, als es jetzt geschehen konnte,                auszulassen, zuckte er so lange an der Klingelschnur, bis sie zerriß. Eine                abscheuliche Wirthschaft hier im Hause! brummte er vor sich hin, warf sich auf das                Sopha, ließ seine Uhr repetiren und zählte fünf und drei Viertel. Die Madame ist                wieder ins Theater gegangen und das Mädchen hinterdreingelaufen, und nach mir fragt                keine Seele. Ich muß ausziehen, wenn das nicht bald anders wird. Es ist mir hier                unter den Linden in der Nähe des Opernplatzes ohnedies zu viel Lärm, und ist es nicht                eine Schande, wie theuer ich diese Rumpelkammer, die sie Chambre garnie nennen,                bezahlen muß, und bei einer solchen spitalmäßigen Aufwartung!</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0007] Erstes Kapitel. Das Zimmer fing an dunkel zu werden, und Arthur nahm vor dem Spiegel den Widerschein einer Laterne, welche seinem Fenster gerade gegenüber unter den Linden brannte, zu Hülfe, um seine Abendtoilette mit dem Einstecken einer goldenen Nadel in den englischen Knoten seines Halstuches zu beschließen. Dabei hatte er das Mißgeschick, das glatte Tuch ein wenig zu verknicken, und darüber ungeduldig und verdrießlich, zog er die Klingel. Aber der helle Ruf der Glocke blieb unbeantwortet, und um seinen Unwillen an irgend einem Dinge außer sich so merklich, als es jetzt geschehen konnte, auszulassen, zuckte er so lange an der Klingelschnur, bis sie zerriß. Eine abscheuliche Wirthschaft hier im Hause! brummte er vor sich hin, warf sich auf das Sopha, ließ seine Uhr repetiren und zählte fünf und drei Viertel. Die Madame ist wieder ins Theater gegangen und das Mädchen hinterdreingelaufen, und nach mir fragt keine Seele. Ich muß ausziehen, wenn das nicht bald anders wird. Es ist mir hier unter den Linden in der Nähe des Opernplatzes ohnedies zu viel Lärm, und ist es nicht eine Schande, wie theuer ich diese Rumpelkammer, die sie Chambre garnie nennen, bezahlen muß, und bei einer solchen spitalmäßigen Aufwartung!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T15:21:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:21:38Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/7
Zitationshilfe: Müller, Wilhelm: Debora. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 18. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–148. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_debora_1910/7>, abgerufen am 29.03.2024.