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Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816.

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werden kann, und wie die vorliegende Theorie keine unmittel-
bare Hülfe ausschließt, sondern nur auf den Geist hinarbeitet,
kraft dessen das Augenblickliche allenthalben mit Rücksicht
auf das Ewige gethan werden soll, so kann man ihr dafür
eine desto längere Dauer versprechen.

Ob eine einzelne Maaßregel gut oder schlecht sey, ist
in ökonomischen wie in medicinischen Angelegenheiten schwer
zu beurtheilen: nur der Sinn, worin sie angerathen
wird, entscheidet; und für den Sinn gibt es nur die Eine
große Probe der Zeit. Das aber ist die große Aufgabe der
Wissenschaft: den Sinn zu befestigen; die Zeit, ja die Ewig-
keit zu unmittelbaren, gegenwärtigen Zeugen des Augenblicks
zu machen wo gerathen, wo geholfen werden soll.

Ist denn die Welt schon, nur über das Wünschenswür-
dige, über den Zweck aller ökonomischen Thätigkeit einver-
standen? und entscheidet nicht dieser Zweck wieder über die
geringfügigste Maaßregel? Ist demnach nicht die Tiefe der
Corruption aller ökonomischen Ansichten schon hinreichendes
Motiv für die Höhe des Standpuncts, den die Theorie
ergreifen muß?


werden kann, und wie die vorliegende Theorie keine unmittel-
bare Huͤlfe ausſchließt, ſondern nur auf den Geiſt hinarbeitet,
kraft deſſen das Augenblickliche allenthalben mit Ruͤckſicht
auf das Ewige gethan werden ſoll, ſo kann man ihr dafuͤr
eine deſto laͤngere Dauer verſprechen.

Ob eine einzelne Maaßregel gut oder ſchlecht ſey, iſt
in oͤkonomiſchen wie in mediciniſchen Angelegenheiten ſchwer
zu beurtheilen: nur der Sinn, worin ſie angerathen
wird, entſcheidet; und fuͤr den Sinn gibt es nur die Eine
große Probe der Zeit. Das aber iſt die große Aufgabe der
Wiſſenſchaft: den Sinn zu befeſtigen; die Zeit, ja die Ewig-
keit zu unmittelbaren, gegenwaͤrtigen Zeugen des Augenblicks
zu machen wo gerathen, wo geholfen werden ſoll.

Iſt denn die Welt ſchon, nur uͤber das Wuͤnſchenswuͤr-
dige, uͤber den Zweck aller oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit einver-
ſtanden? und entſcheidet nicht dieſer Zweck wieder uͤber die
geringfuͤgigſte Maaßregel? Iſt demnach nicht die Tiefe der
Corruption aller oͤkonomiſchen Anſichten ſchon hinreichendes
Motiv fuͤr die Hoͤhe des Standpuncts, den die Theorie
ergreifen muß?


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[130/0144] werden kann, und wie die vorliegende Theorie keine unmittel- bare Huͤlfe ausſchließt, ſondern nur auf den Geiſt hinarbeitet, kraft deſſen das Augenblickliche allenthalben mit Ruͤckſicht auf das Ewige gethan werden ſoll, ſo kann man ihr dafuͤr eine deſto laͤngere Dauer verſprechen. Ob eine einzelne Maaßregel gut oder ſchlecht ſey, iſt in oͤkonomiſchen wie in mediciniſchen Angelegenheiten ſchwer zu beurtheilen: nur der Sinn, worin ſie angerathen wird, entſcheidet; und fuͤr den Sinn gibt es nur die Eine große Probe der Zeit. Das aber iſt die große Aufgabe der Wiſſenſchaft: den Sinn zu befeſtigen; die Zeit, ja die Ewig- keit zu unmittelbaren, gegenwaͤrtigen Zeugen des Augenblicks zu machen wo gerathen, wo geholfen werden ſoll. Iſt denn die Welt ſchon, nur uͤber das Wuͤnſchenswuͤr- dige, uͤber den Zweck aller oͤkonomiſchen Thaͤtigkeit einver- ſtanden? und entſcheidet nicht dieſer Zweck wieder uͤber die geringfuͤgigſte Maaßregel? Iſt demnach nicht die Tiefe der Corruption aller oͤkonomiſchen Anſichten ſchon hinreichendes Motiv fuͤr die Hoͤhe des Standpuncts, den die Theorie ergreifen muß?

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Zitationshilfe: Müller, Adam Heinrich: Versuche einer neuen Theorie des Geldes mit besonderer Rücksicht auf Großbritannien. Leipzig u. a., 1816. , S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mueller_geld_1816/144>, abgerufen am 28.03.2024.